Augen auf beim Titelkauf!

Ich liebe ja Urlaub. Kein euphorischer Einzelfall, das ist mir schon klar. Ich stehe vermutlich auch nicht alleine damit, dass ich den Beginn des Urlaubs kaum erwarten kann: Da zähle ich die Wochen, scharre mit den Flip Flops, sammle auf meterhohen Stapeln alles, was ich später in den Koffer packen möchte (nur um hinterher mindestens einen halben Kubikmeter davon schmollend wieder in den Schrank werfen zu müssen), fiebere und zittere wochenlang dem Tag der Tage entgegen, an dem ich die Haustür hinter mir abschließen kann. Beim Schreiben ist es ähnlich. Irgendwie. Ich sammle: Ideen, meterhoch staple ich sie in meinem Gehirn, bis schließlich irgendetwas zuvor mühsam darin Abgespeichertes über die Kante hintenrüberfällt. Ich zittere: vor Angst, dem Abgabetermin unaufhaltsam entgegen. Auch fiebere ich: nämlich, weil meine Denkfabrik heißgelaufen ist, weil ich einfach keinen perfekten ersten Satz finde … Insofern haben Urlaub und Schreiben schon viel gemeinsam. Das sollten sie auch besser, denn ich habe sie seit zwei Urlaubssaisons zu einer Zwangsehe verdonnert – und die lautet ‚Schreiburlaub‘.

Was das nun bitte mit Urlaubslektüre zu tun hat? Alles. Denn eigentlich könnte ich meinen Beitrag an dieser Stelle bereits zufrieden seufzend mit den für Autoren so wohlklingenden vier Buchstaben E, N, D und nochmal-von-vorne-E signieren und mit meiner Muse Cocktail schlürfend über die Wiese laufen. Denn eigentlich ist schon alles gesagt. Auf den Punkt gebracht: Seit ich schreibe, komme ich nicht mehr zum Lesen. Punktum. Gut, zur Vorbereitung meiner Lesung zur portugiesischen Nelkenrevolution im April habe ich in zwei Wochen 10 Romane und 1 Theaterstück Hochliteratur inhaliert und habe mit dieser Taktung nahtlos an meine Rekorde im Schneider-Kinderbuch-Verschlingen in der Pfarrbücherei St. Paul zwischen den späten Siebzigern und mittleren Achtzigern angeknüpft. Aber das Lesungsvorbereitungslesen war quasi-beruflich, aufgrund des Zeitdrucks auch nur semi-vergnüglich; es war spannend, aber nicht entspannend. Und darum geht es mir grundsätzlich beim Lesen in meiner Freizeit. An mein Bücherregal gehört strenggenommen ein Emaille-Schild, damit Besucher gleich Bescheid wissen: „Nur zur Entspannung!“ Da bräuchten sie nicht lange heimlich, während ich in der Küche Cocktails mixe, nach Hochphilosophischem und Tiefintellektuellem zu wühlen und die Nase zu rümpfen ob der vorgefundenen vermeintlichen Banal-Belletristik. Hoch und tief darf schon vorkommen, aber dann bitte in ‚hochspannend bis zum Schluss‘ und ‚tiefgehend Psycho von Anfang an‘. Abgrundtief spannend, bitte! Krimis und Thriller, bitte! Sonst nichts, da bin ich kompromisslos. Punkt-Ende-Aus.

Womit ich – siehe oben – wieder beim eigentlichen Problem lande: Die Zeit der Buchstaben ist im Urlaub dem Schreiben gewidmet. Na ja, nicht ganz ohne Kompromisse, denn ich lese selbstverständlich auch, wenn ich globetrotte. Natürlich. Lese pausenlos und mit größtem Interesse fremde Gesichter, Überschriften, Schilder, Produktbeschreibungen. Jedem sein Hobby.

Doch bevor ich mich in einem Exkurs über Sinn und Unsinn von Namensgebung auslasse, lasse ich doch noch klammheimlich meine (unfreiwillige) Urlaubslektüre raus: „Jesus liebt mich!“ von David Safier. Ich bekam es geschenkt, gewissermaßen ins Handgepäck gestopft, um die zulässigen 8 Kilo auszuschöpfen. Wir wollen dem Billigflieger unseres Vertrauens ja schließlich kein Kerosin schenken. Jedenfalls: Leichtgängige, fluffige, nicht unamüsante Nebenbei-Lektüre, die nicht sonderlich wehtat. Soweit die Rezension. So richtig lustig wurde es in dem Moment, als sich kurz vor dem Boarding in der Wartehalle des Flughafens eine ältere Dame mit Faltenrock neben mich setzte, die einen Button an der Hemdbluse trug: „Jesus loves you“. Ich daneben mit meiner Lektüre in der Hand. Und alle dachten wahrscheinlich „Das Buch muss ich auch kaufen!“, weil ich mich kaum eingekriegt hab.

Am Ende der ersten Woche meines Aufenthaltes an der portugiesischen Atlantikküste ging ich auf meiner allmorgendlichen Wanderung wieder einmal die Klippe hinunter. Am Ende landet man in den engen und sehr verwinkelten Gassen des Ortes, an deren Hauswänden zum Teil Straßenschilder aus weißem Marmor hängen. Auf einem las ich (übersetzt): „Wasseraugenstraße“ / „Straße der wässrigen Augen“. Ah ja. Ob es sich dabei um eine Huldigung der hier untypischen Augenfarbe ‚Blassblau‘ handelt oder ob sich irgendjemand, der hier vor einhundert Jahren einmal wohnte, regelmäßig die Äuglein aus dem Kopf geweint hatte, ließ sich nicht eruieren. Morgens um die Zeit, zu der ich unterwegs bin, schlafen alle noch. Da ist niemand in den Gassen, den ich mit einer solchen Frage verwirren könnte.

Jedenfalls brachte mich die Kombination von ‚blau’ und ‚Wasser‘ auf das besagte und abgebildete Duschgel, das ich nach Westeuropa importiert hatte. Sonst kaufe ich solcherlei Kram gerne auch vor Ort, wegen der fremden Beschriftungen und netten Produktnamen. Dieser Name hier erschien mir – bei korrekter Betrachtung – mit Verlaub ziemlich bekloppt! Da ich mich ja nun auf der iberischen Halbinsel befand, habe ich das flüssige Reinigungsprodukt mal durch eine portugiesisch-spanische Sprachbrille betrachtet: „Frangipani“ hieß also mein Importartikel, Zusatzinfo: „Oil“. So weit, so gut.

–          ‚frango‘ ist das portugiesische Wort für ‚Hähnchen‘

–          ‚i‘ ist der Laut, den man ausspricht, wenn man auf Portugiesisch ‚e‘ und auf Spanisch ‚y‘ sagt, was beides auf Deutsch ‚und’ bedeutet.

–          ‚pan‘ (span.) heißt ‚Brot‘.

–          ‚i‘ ist wieder ‚und‘, klar.

–          Dann kommt noch der Untertitel ‚oil‘; man gibt sich ja auch im wilden Westen Europas gerne sprachlich international, da sei verziehen, dass man für das ‚Öl‘ das englische Wort verwendet hat. Ist bestimmt so ein Marketingstrategiedings.

Nimmt man nun all diese Wortbestandteile zusammen, also ‚Hähnchen und Brot und Öl‘, muss man zur einzig logischen Schlussfolgerung kommen, dass der Name dieses Pflegemittels nichts anderes bedeutet als ‚Döner mit alles un‘ schaffe Sosse‘.

Wie, frag ich euch, soll das denn nun bitte riechen?

Ich bin dann gezz wech, vermutlich in der Wasseraugenstraße, ein neues Duschgel kaufen. Irgendwas Vegetarisches.

Eure Claudia Kociucki

Oil

 

 

PS: Ist es nicht letztlich egal, was man im Urlaub liest? Hauptsache Urlaub, Hauptsache Lesen! In diesem Sinne.

 

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Ein Gedanke zu „Augen auf beim Titelkauf!“

  1. Hähnchen, da ist schon wieder etwas mit Hühnern.
    Gerade habe ich das possting im Forum gelesen von Bettina Cordes.
    Ist das eine neue Welle, quasi, frei nach annodazumal Degenhardt schon sang, herunter vom Balkon, frei umgedacht, runter von der Stangen, bzw. in die Lotindose, oder wat jezz??

    Bei dem Wort Nelkenrevolution ging es mir kalt dem Rücken runter,Grândola, Vila Morena, das habe ich oft gehört, damals, vornehmlich von Degenhardt.

    Gruß Amos

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