Die Filmmusik zum Buch

Wir Autoren sind ja manchmal seltsame Geschöpfe. Das sagen zumindest der Mann, der bei mir wohnt, und meine beste Freundin. Die beiden müssen es wissen, sie kennen mich ziemlich gut. Außerdem haben sie im Laufe der Jahre auch etliche meiner Kolleginnen und Kollegen getroffen.

Ich kenne einige, die die gleiche Affinität zu Musik und Schreiben haben, wie ich. So manch einer legt sogar Playlisten zu dem entstehenden Buch an.

Räusper. Ist das nicht albern? Schreiben mit Musik?

Aber es funktioniert. So musste ich mal in dem heißesten August, an den ich mich erinnere, eine Weihnachtsgeschichte schreiben. Brüllende Hitze. Die Nachbarskinder und meine eigenen plantschen vergnügt im Pool. Alle paar Stunden lechzen sie nach Eis, der Grill im Garten gegenüber glüht. Ich glühe auch. Schweiß läuft mir in den Nacken. Und ich soll über einen eiskalten Mord in einer eiskalten Jahreszeit schreiben. Mord unter Palmen – das wäre jetzt GAR KEIN PROBLEM. Aber unter dem Weihnachtsbaum?

Schreiben mit allen Sinnen, denke ich, fülle mir eine Plastikschüssel mit Eis (nein, nicht Vanille oder Schokolade, schlichte Eiswürfel), lasse die Rollläden runter, zünde (sic!) meine Duftlampe mit Zimt- und Anisaroma an und spiele „Last Christmas“ in Endlosschleife. Das Lied bringt mich schon in der dazu passenden Jahreszeit auf mörderische Gedanken, aber im Hochsommer ist es eine schlimme Folter. Jedoch sehr effektiv. Dieser Krimi wurde einer meiner blutrünstigsten. Und er war eiskalt. Und weihnachtlich irgendwie, weil ich natürlich alle passenden Attribute eingebaut hatte – bis hin zu den Frostbeulen an den Füßen. Ich kam gerade noch um eine fiese Blasenentzündung herum, da ich abends das letzte Fleckchen Sonne nutzte, um meine Füße wieder aufzutauen.

Des geht auch andersherum – Sommer, Sonne, Strand – im Winter? Kein Problem. Man mixe sich einen Caipirinha, drehe die Heizung auf 30 Grad, mische Sonnencreme in das Duftöl und höre Strandmusik, Urlaubsmusik. Bei mir ist das seit Jahren dieses Lied http://www.youtube.com/watch?v=qQwCCm-H-sU  – die Geschichte, die dahinter steckt, wäre zu lang. Und jeder hat ja auch andere Urlaubslieder. Aber höre ich das Lied, bin ich sofort in Contis Plage, Südfrankreich. Nur gut, dass es nur eine Geschichte war und nicht ein ganzer Sommerroman – die Heizkosten wären exorbitant gestiegen. Und nach 300 Mal hören wäre auch das Urlaubsfeeling weg gewesen.

Schlimmer für meine Familie ist es, wenn ich über historischen Romanen sitze. Schreiben mit allen Sinnen – ich brauche dann immer die Musik, die meine Protags vielleicht auch gehört haben könnten. Da steckt dann tatsächlich auch wenig Musikgeschichte dahinter. Aber ich kann mich tatsächlich mit Musik in eine andere Welt, eine andere Zeit versetzen.

Bei meinem Jugendroman war es noch schlimmer – mal ehrlich Casper und Konsorten können doch nicht singen? Diese brüllaffenähnliche Kakophonie? Aber es gibt ja auch noch schöne angesagte Lieder. Meine Prota ist ja auch erst 15. Birdy. Meine beiden großen Söhne haben mich ausgelacht – „OH GOTT, dieses depressive Etwas mit Zahnspange?“ Schlimmer war Lana del Ray. „Mutter, Lana – überleg mal? Wer nennt sein Kind LANA? Lies es mal rückwärts.“ Die Musik passte aber zu meiner Prota und zu meinem Buch.

Vielleicht ist es verrückt, sich durch Musik in Schreibstimmung zu bringen. Nervig für die Umwelt ist jedenfalls, dass ich diese Musik in Endlosschleife höre, bis das Buch fertig ist. Bei 500 Seiten Schmökern kann das schon mal dauern.

Ich plädiere ja eh für das Arbeitszimmer außerhalb – siehe http://zweiundvierziger.de/Wordpress_Verein/?p=110 oder eines mit Schallschutz – sowohl gegen den Krach von draußen als auch zum Schutz der geplagten Familie.

Es gibt aber noch eine Steigerung – ich hörte von einer Kollegin die Schreibfilme braucht. Filme, die im Hintergrund laufen, während sie schreibt. Das kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen. Die muss echt seltsam sein. Was wohl ihre Familie und ihre besten Freunde von ihr denken?

Ihre Ulrike Renk

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