Über das Gefühl nach dem Text oder: Was für ein Textfertiger bist du?

Ich denke, dass  alle Autoren (und natürlich Autorinnen) ihr eigenes, persönliches Gefühl haben, das sich unmittelbar nach dem Fertigstellen einer Geschichte vollautomatisch einstellt, ohne dass sie den geringsten Einfluss darauf haben. Meines ist nicht besonders rosig. Ich bin sehr erschöpft. Meine Worte, die ich lese, rufen nicht annähernd die Emotionen hervor, die sie hervorgebracht haben. „Oh Gott – was hast du da nur geschrieben? Das will doch niemand lesen!“

Das Paradoxe ist, dass dieses Gefühl bei mir ausschließlich dann auftritt, wenn ich etwas Lesbares geschrieben habe, also etwas, das auf einer originellen Idee basiert, die ausgearbeitet wurde. Ist ein Text noch roh oder seine Idee beliebig oder trifft beides zu, finde ich alles ganz super. Das ist tückisch: Es verleitet mich dazu, einen schlechten Text herauszugeben, während ein gelungener in meiner Schublade vor sich hin schimmelt (wenn ich ihn nicht längst vom PC gelöscht und alle Sicherungskopien und ausgedruckten Fassungen gewissenhaft vernichtet habe).

Insgesamt glaube ich, dass es drei Grundtypen von Textfertigern gibt. Sie können selbstverständlich in Mischformen auftreten. Jeder Typ kann in jeder Gewichtsklasse auftreten. Es sagt rein gar nichts darüber aus, wie gut man schreibt.

Da wäre zuerst der verzweifelte Typ, der am liebsten alles in den Papierkorb werfen würde. Der bin ich. Ist ein Text fertig, will ich nie wieder lesen und schreiben. Ich möchte Musik hören oder fernsehen. Nie, nie wieder, nicht noch einmal die ganze Tour, nee, is nich, nie wieder Alkohol! Drei Tage später hänge ich wieder vor dem nächsten Manuskript und hacke fröhlich auf meiner Tastatur herum.

Dann gibt es den gegensätzlichen, den euphorischen Typ. Dieser ist immer fidel. Ist ein Text gut, springt er auf und ruft: „Hallelujah!“. Dann rennt er an einen ihm heiligen Ort, um dort einen hawaiianischen Freudentanz aufzuführen, zeigt jedem dort den Mittelfinger und setzt sich danach gleich wieder an den Schreibtisch, um etwas ähnlich Geniales zu schreiben.

Und dann wäre da noch der phlegmatische Typ. Der letzte Satz steht, der Korrekturgang ist vorbei, alles ist gut, oder auch nicht, je nach Geschichte. Der phlegmatische Textfertiger steht auf, klappt den Laptop zu, kratzt sich am Hintern und geht ins Bett. War was? Guckt doch nicht so. Ich will pennen. Dann schläft er ein und schnarcht laut.

Die Frage, welchem Typ Sie angehören, können nur Sie selbst beantworten. Ich wünsche Ihnen jedenfalls die richtige Mischung aus Verzweiflung, Euphorie und Gelassenheit. Sie können ohnehin nichts anderes tun als zu warten – und etwas Neues zu schreiben.

Ihre Sabrina Saskia Jordt

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