Das letzte Grauen jeden Autors

Letzte Woche Sonntag war ich kurz davor, alles hinzuschmeißen. Ich war wild entschlossen meinem Agenten zu schreiben, er möge meinem Verleger schreiben, ich schriebe nie wieder ein Wort, was auch gar nicht ginge, weil ich mich nämlich aufhängen würde!

Mein Gatte riet mir dann vom Erhängen ab, er meinte unsere Decke sei nicht stabil genug für solche Späße. Erschießen konnte ich mich mangels Pistole nicht und auch eine Badewanne zwecks fachmännischer Öffnung meiner Pulsadern besitzen wir keine. Als ich meine Eltern fragte, ob ich ihre vielleicht dafür ausleihen dürfte, bekam ich eine ablehnende Antwort und die spitze Bemerkung meines Vaters, es sei wieder typisch, dass ich mir für mein Dahinscheiden eine derart schmutzige Methode ausgesucht hätte. Desweiteren gab es noch den guten Rat, vor meinem Suizid doch bitte daran zu denken, dass ich auf seinen Namen Bücher bei der Bibliothek entliehen hätten und diese erst einmal zurückgegeben werden sollten. Die Bibliothek hat aber sonntags und im Übrigen auch montags geschlossen, so dass ich meine Selbstmordpläne vorläufig ad acta legte und es dabei beließ, eine ordentliche Runde zu heulen.

Der Grund für meine Seelenpein? Eine Absage vom Lieblingsverlag? Ein gemeiner, begriffsstutziger Lektor?  Ach, was tausendmal schlimmer!

Man hatte ein offizielles Autorenfoto von mir verlangt!

Nun sehen ich eigentlich vollkommen normal aus, aber das ist ja eben die Krux – Autorenfotos sind keine Bewerbungsfotos, so ein Autor muss auch irgendwie … irgendwie, na eben autorig aussehen! Bei Edgar Alan Poe, da reicht ein Blick in diese halb melancholisch, halb irren Augen, auf dieses mühsam gebändigte Haar,  die Tränensäcke, schon weiß man, hier schreibt einer keine heiteren Liebesgeschichten!

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Oder das berühmte Kafkafoto – akkurater Kragen, übergroße Träumeraugen und dazu Wangenknochen wie mit dem Rasiermesser gezogen, da erkennt man als potentieller Leser gleich, was einen erwartet: akkurate Prosa nämlich, Sätze wie Wangenknochen rasiermesserscharf und präzise.

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Vicki Baum hingegen, ganz Dame mit Pelz und Lippenstift, der glaubt man, dass sie die „Menschen im Hotel“ gut kennt und im Schönheitssalon „Pariser Platz 13“ Stammkundin ist.

Vicki Baum

 

Und es ist ja nicht nur das man autorig und zum Werk passend aussehen sollte, man muss ja auch dran denken, dass das Bild noch in ein paar Jahren zumindest durch die virtuelle Welt geistern wird. Ich erinnere mich mit Grausen, wie die Zeitungen alte Bilder von J.K. Rowling ausgruben und mit den aktuellen verglichen, genüsslich feststellend, dass die arme Frau sich durch ihre Millionen optisch doch sehr vorteilhaft verändert hätte, wenn auch unter zeitweiliger Einbuße jeglicher Mimik.

Nun bin ich meilenweit davon entfernt Poe, Kafka oder auch nur J.K. Rowling zu sein, aber ich kenne verschiedene Leute, die in den Buchhandlungen die Covern nach besonders hässlichen Autorenbildern absuchen. Dieser spottlustigen Bande wollte ich auch nicht unbedingt zum Opfer fallen und so brauchten wir 294 Fotografien bis ich durch Zufall das perfekte Bild gefunden habe. Ein Bild, das alles vereint, was ein Autorenbild braucht: Pelzkragen, verwirrter Blick und zerstörte Frisur!  Jetzt bin ich sehr zufrieden, mal sehen, was der Verlag sagt …

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Ihre JoanWeng

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4 Gedanken zu „Das letzte Grauen jeden Autors“

  1. Ich soll einen schönen Gruß von deinem Agenten sagen. Er sei STOLZ darauf, eine so hübsche Autorin zu haben (von dem, worüber sie schreibt, verstünde er allerdings leider nix …)

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