„Ich liebe Geschichten aller Art“

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Interview mit Detlef Knut

Es fragte: Horst-Dieter Radke

Die edition oberkassel ist ein Kleinverlag aus Düsseldorf, der sich schon dadurch von anderen Verlagen überschaubarer Größe unterscheidet, dass ihm eine eigene Akademie zur Fortbildung von Autoren angegliedert ist. Gründer bzw. Initiator ist Detlef Knut, dem wir in einem Interview versuchen wollen, unbedachte Äußerungen zur Verlagsgründung, zum Verlagsalltag und zu der Akademie zu entreißen.

Lieber Herr Knut, Sie sind Quereinsteiger und haben das Handwerk des Verlegers nicht schon mit der Muttermilch aufgesogen. Können Sie kurz schildern, wie es zu diesem Wagnis kam, einen Verlag in die deutsche Buchlandschaft zu setzen?

Ausgangspunkt war sicherlich mein Autorendasein. Ich hatte viele Fachbücher bei Verlagen geschrieben und mit Belletristik weitergemacht. Kam aber, wie so viele, nicht mal in die anderen Abteilungen der Verlage, für die ich bereits tätig war. Dann spielte der technische Fortschritt hinein. Print-on-Demand und solche Sachen, die mich zur Entscheidung führten, den Verlag zu gründen, um damit auch anderen Autoren einen Steigbügel zu schaffen. Prinzipiell hat die Gründung sehr viel mit der Arbeit mit anderen Autoren zu tun. Da ich im BVjA tätig war, Veranstaltungen für Autorinnen und Autoren organisierte, Workshops durchführte, war 2010 der Schritt zum Verlag nicht weit. (Aber dennoch etwas blauäugig.)

Mit welchen Problemen hat ein Kleinverleger auf dem Buchmarkt hauptsächlich zu kämpfen?

Eigentlich mit denselben Problemen, mit denen heutzutage auch ein Selfpublisher zu tun hat. Für mich war ja ganz neu, dass die Buchhandelsbranche ganz anders lief, als ich mir das vorgestellt hatte. Ich kam aus der IT, da wird viel über den Preis gemacht, Werbemittel gibt es von den Herstellern umsonst. Das war 2010 tatsächlich im Buchgeschäft noch anders. Werbemittel musste man kaufen und die Bücher darf man dank Preisbindung nicht mit Preisen dumpen. Da musste ich also komplett umdenken und erkämpfe mir seitdem eine Buchhandlung nach der anderen, einen Ort nach dem anderen, mache den Verlag dafür bekannt, dass er unterhaltsame Bücher bringt.

Wie darf man sich dieses »Erkämpfen« vorstellen? Reist der Herr Verleger persönlich oder gibt es verlagseigene Vertreter?

Auch das ist eine Sache, die ich nicht erwartet hatte: Ich mache den Verlag im Buchhandel mit bestimmten Themen auf mich aufmerksam und werde dann sofort in eine Schublade gesteckt. Aus der ist dann schwer rauszukommen. Ich muss nun also zwangsläufig bestimmte Sachen bedienen, weil ich weiß, die werden von den Buchhändlern von mir erwartet.

Und ja: Erkämpfen heißt tatsächlich auch, als Verleger zu den Buchhändlern zu gehen, mich bei ihnen vorzustellen. Dabei reise ich tatsächlich nicht als Vertreter. Hatte ein Jahr lang einen, der ganze zehn Bücher in dem Jahr verkauft hatte. Wenn ich zu den Buchhandlungen gehe, kommt meist mehr dabei raus, vor allem aber ein persönlicher Kontakt.

Wenn Buchhändler vom Verlag etwas erwarten und diese Erwartungen werden bedient – werden Sie dann auch abgenommen? Oder ist immer wieder ein neues Anschieben nötig?

Es wird auch abgenommen. Es gibt sehr engagierte Buchhändler. Neulich war ich in Wuppertal und da schlug mein Herz gleich höher, als ich in den Regalen mit Front nach vorne drei Bücher unterschiedlicher Genres meines Verlages dort sah. Herrlich.

Neues Anschieben ist trotzdem nötig. Die Buchhändler müssen ja informiert sein, was es Neues gibt.

Das Verlagsprogramm umfasst Unterhaltungsliteratur, Sachbücher und Reisebeschreibungen. Das ist nun ein ziemlich großes Feld. Können Sie etwas detaillierter sagen, worauf es Ihnen bei der Manuskriptauswahl besonders ankommt?

Also der Anteil an Sachbüchern ist tatsächlich sehr klein, da nehme ich auch keine allgemeinen Angebote an. Das sind höchstens Projekte von mir nahestehenden Autoren. Reisebeschreibungen nehmen schon einen etwas größeren Teil ein, sind mit ein bis zwei Büchern pro Jahr aber noch nicht herausragend. Da konzentriere ich mich auf exotische Themen wie das Leben unter Indianern oder die Reise eines jungen Mädchens alleine durch Indien. Da haben natürlich Manuskripte Glück, die mir von der Örtlichkeit auch gefallen würden.

Der große Part ist natürlich die Unterhaltung. Ich liebe Geschichten aller Art. Egal, ob Gegenwart oder Vergangenheit: Wenn eine Geschichte spannend und unterhaltsam ist, dann fasse ich sie ins Auge. Deshalb zunächst die Geschichte selbst, dann natürlich der Stil, die Idee, die der Geschichte zugrundeliegt. Aber schließlich wird bei der Manuskriptauswahl auch darauf geachtet, wie es mit Rechtschreibung, Grammatik, Umgang mit Internet und Social Media aussieht.

Rechtschreibung und Grammatik: Trotz Lektorat, welches jedes Manuskript bei uns erhält, halte ich keine Geschichte für so gut, wenn man sie vor lauter Fehlern nicht zu Ende lesen kann. Umgang mit Internet: Ein wenig mit der Technik umzugehen ist heute schon sehr sinnvoll. Handschriftliche Manuskripte wären heutzutage nichts mehr.

Gibt es ein Buch in Ihrem Programm, auf das Sie ganz besonders stolz sind?

Ganz besonders bin ich immer auf das gerade von mir bearbeitete Buch stolz. Da spürt man noch die ganze Kraft, die man reingesteckt hat und wenn es dann von den Lesern angenommen wird und es sich gut verkauft, schwillt die Brust gleich nochmal. Doch da ich während des Abverkaufs des einen Buches schon an den neuen arbeite, geht meine Freude dann so langsam auf das nächste über.

Doch jetzt mal rückblickend: Ragt eines aus allen bisher verlegten Büchern hervor?

Eines wirklich nicht. Wenn, dann ragen mehrere heraus: das sind die Bücher von Chrizz B. Reuer, die von Carmen Mayer und auch die von Gina Mayer, die sie bei uns im Verlag hat neu überarbeitet erscheinen lassen.

Was raten Sie Autoren, die sich ihre Lorbeeren erst noch verdienen müssen?

Selbstmarketing. Ich weiß ja nun, dass sogenannte C-Autoren bei Verlagskonzernen auch kein Marketingbudget bekommen und ihr Name nicht bekannt wird, obwohl sie sicherlich mehr Bücher verkaufen als bei uns. Aber in der heutigen Zeit ist es unerlässlich, sich seinen Namen zu einer Marke zu machen, um sich aus den ganzen Social Media hervorzuheben. Weil wir ein kleiner Verlag sind, können wir die Unterschiede beim Erreichen von Leserzahlen gut erkennen. Ist ein Autor nicht „im Internet unterwegs“, werden weniger Leser erreicht, als wenn er sich dort tummelt und mit den Lesern „kuschelt“.

Was ich nicht sagen kann, ist, welche konkreten Maßnahmen jemand treffen muss. Das ist halt Marketing, es ist nichts festzunageln. Viel hilft viel, und gar nichts machen bringt tatsächlich nichts.

Was bewog Sie, die edition oberkassel Akademie ins Leben zu rufen? Einen Mangel an Schreibkursen gibt es ja nun wirklich nicht.

Doch, den Mangel an Schreibkursen gab es. Ich hatte viele Jahre im Westen die Kurse für den BVjA angeboten. Doch als ich den Verlag gründete, stand ich auch zeitlich am Scheideweg und durch die vorangegangen Kurse beim BVjA kam ich nach vielen Gesprächen mit anderen Anbietern auf die Idee, die Akademie direkt in den Verlag einzugliedern. Ich hörte ständig um mich herum, dass die AutorInnen nach Leipzig und Braunschweig fahren. Da sagte ich mir: Hier im Westen wird auch eine Akademie benötigt. Und mittlerweile kommen dank des ausgewogenen Programms die Teilnehmer aus allen Regionen, einschließlich Österreich. Ich bin stolz, die erste Verlagsakademie im Westen Deutschlands zu unterhalten.

Es reisen sogar Autoren aus dem Taubertal an – habe ich gehört 😉 Gut, kann man so stehenlassen, dass es einen regionalen Mangel gab. Und dass die Akademie so gut angenommen wurde, spricht ja für Sie.

Angesichts der E-Book- und Selfpublisher-Welle – wie wird das Ihrer Meinung nach den Buchmarkt in den nächsten Jahren verändern?

Oh, schwierige und spannende Themen. Zunächst zum E-Book. Das ist ein alternatives Medium, welches sicher von vielen angenommen wird. Ich glaube nicht, dass es altersbedingt ist. Ich kenne auch junge Leute, die lieber ein gedrucktes Buch in der Hand halten. Und in den USA und in Großbritannien wurde im letzten Jahr bereits eine Stagnation in diesem Segment und ein Anwachsen der Printbücher festgestellt. Ich hoffe, dass in Sachen E-Book die Buchpreisbindung anders gehandhabt wird als bei Printbüchern. Für das E-Book mit dem Preis Marketing zu machen, ist zumindest in Deutschland („Geiz ist geil“) ein probates Mittel. Und der Buchhandel sollte hier nicht ganz so störrisch sein. Damit spreche ich nicht gegen die Buchpreisbindung an sich. Nur würde ich mir manchmal auch im Printbereich wünschen, ein Buch für beispielsweise vier Wochen zu einem anderen Preis anbieten zu können. (Ich komme halt aus der IT.)

Nun zu den Selfpublishern. Hier gibt es natürlich solche und solche. In Anbetracht der Manuskripte, die uns angeboten werden, bin ich nach wie vor der festen Überzeugung, dass Verlage ein natürlicher Qualitätsfilter für die Leser sind. Da helfen auch keine zugekauften Lektoren, denn die wollen alle einen Folgeauftrag haben und werden den Autor nicht so hart angehen wie das ein Verlagslektor macht, der von jemand anderem bezahlt wird.

Lieber Herr Knut, ich bedanke mich für Ihre Geduld, mit der Sie meine Fragen beantwortet haben und wünsche Ihnen weiterhin viel Erfolg – für sich selbst und Ihren Verlag.

Vielen Dank auch meinerseits und auch Ihnen alles Gute.

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