Geklaut

Ich habe diesen Hund, einen Malamuten. Das ist eine nordische, eine ursprüngliche Hunderasse. Er ist dem Wolf noch ziemlich nahe, vor allem, was sein Gebiss angeht. Ein großer Knochen ist für ihn ein Imbiss. Er zerkaut ihn. Schluckt ihn. Verdaut ihn.

So ein Knochen ist ein Nichts für ihn, nur lecker. Einmal ist ihm aus Versehen ein Kaninchen ins Maul gesprungen – das war wohl ziemlich blöd. Mein Hund macht *Happs* und weg war das Kaninchen. Wirklich, am Stück.

Das ist der Jagdinstinkt, dafür kann er nichts. Er war an der Leine und das Kaninchen im Gebüsch am Straßenrand. Nun ja, wäre es zur anderen Seite gesprungen, also nicht in sein Maul, wäre es überfahren worden. Life is a bitch.

Wir haben im Keller eine Hundeklappe, weil nordische Hunde auch gern bei Kälte draußen sind. Mein Hund liegt gern am Tor und schaut, wer so vorbeigeht. Er schaut. Tut nichts. Meistens möchte er spielen. Menschen gegenüber ist er freundlich.

Immer. Falls sie nicht ungefragt auf unser Grundstück kommen oder sich mir nähern. Da ist er eher speziell. Gerade was mich angeht. Ungefragt darf mich keiner umarmen, da kann er schon mal ungemütlich werden. Erst wird er nur laut – und dann reicht eine Handbewegung von mir, und er kriegt sich wieder ein. Aber er hat halt dieses Wolfsgebiss – er könnte wahrscheinlich auch anders. Alle Typen, die uns nachts begegnen, wenn ich mit meinem Hund eine Runde drehe, wechselten bisher die Straßenseite. Also weiß ich gar nicht wirklich, was im Falle eines Falls geschehen würde. Ich möchte es auch gar nicht wissen.

Bisher hat seine pure Anwesenheit ausgereicht, dass niemand bei uns eingebrochen ist, glaube ich.

Einbrüche scheinen hier inzwischen zur Tagesordnung zu gehören.

Das finde ich ziemlich scheiße.

Wir haben ein freistehendes Haus. Wir haben Bewegungsmelder rund ums Haus, wir haben eine Alarmanlage, wir haben den Hund – den haben wir aber aus anderen Gründen, aber gut, dass er da ist.

Das hat aber irgendwelche blöde Typen neulich nicht davon abgehalten, auf unser Grundstück zu gehen und zu klauen.

Der Hund hat eine Hundeklappe, die nach draußen führt, und meistens liegt er auch nachts gern am Tor. In dieser Nacht aber nicht. Warum auch immer.

Ich bin in der Nacht tatsächlich wach geworden – und habe Licht gesehen. Irgendetwas war da im Hof oder Garten. Aber der Hund hat sich nicht gerührt, er lag nämlich vor meinem Bett auf dem Kuschelteppich.

Am nächsten Morgen stand das Hoftor offen und eins der Fahrräder war weg. Geklaut. Anzeige läuft –bringt aber wohl nichts.

Leute, das war das Fahrrad meines Schwiegervaters. Er ist 88 und kann nicht mehr fahren, er hat dieses supergut gepflegte Fahrrad seinem Enkel vermacht, der inzwischen studiert und sein eigenes Fahrrad an den Studienort mitgenommen hat. Es ist nicht nur ein Gebrauchsgegenstand, es hatte einen emotionalen Wert.

Musste das sein?

Aber Leute klauen. Vielleicht denken sie sich nichts dabei. Sie denken nicht über den Schaden nach, den sie anrichten, oder er ist ihnen egal. Sie wollen etwas haben und nehmen es sich.

Das gilt auch für Bücher.

Mein Hund beschützt normalerweise mich und mein Grundstück, aber meine Bücher kann er nicht beschützen.

Bücher, Lieder, Files, Daten – alles kann man leicht über das Internet ziehen. Ganz vieles als gratis Download. Ohne dass dafür bezahlt wird. Jedenfalls sehen die Autoren davon keinen Cent.

Wie geil.

Illegal? Ach nein, das geht doch ganz einfach, das kann nicht verboten sein. Es wird doch angeboten. Hoftor auf, das Fahrrad ist nicht abgeschlossen, da kann ich es doch mitnehmen, oder?

Jeder nicht bezahlte, jeder illegale Download von Daten, von Büchern oder von Musik ist jedoch ein Eigentumsdelikt. Damit werden Daten gestohlen und die Urheber um ihre Rechte gebracht und um eine angemessene Vergütung betrogen. Das ist kein Kavaliersdelikt, das ist strafbar.

Da ist vielleicht kein Hund, der bellt. Da ist kein Schloss, das geknackt werden muss.

Ich bin drin und es war ganz einfach.

Ein Buch zu schreiben kostet Zeit. Und Zeit ist Geld. Ich möchte keinen anderen Job machen, aber ich möchte nicht um meine Einkünfte beraubt werden.

Falls Sie jemals in die Versuchung kommen, gratis Ebooks downzuloaden, umsonst Musik auf Ihren Rechner zu spielen, weil es ja so einfach ist, dann schauen Sie doch mal in Ihren Hof, in Ihre Garage, in Ihr Wohnzimmer. Möchten Sie, dass jemand kommt und etwas von dort heimlich mitnimmt, nur weil er es kann und Sie es nicht merken und Ihr Hund gerade vor Ihrem Bett schläft?

Glauben Sie mir, wenn Sie bemerken, dass jemand bei ihnen geklaut hat, werden Sie sich schlecht fühlen. Auch wenn es nur ein altes Fahrrad war. Oder ein Buch. Oder eine Schallplatte.

Autoren sollten vom Schreiben leben können. Illegale Downloads beraubt die Autoren ihres Einkommens. Machen Sie nicht mit. Kaufen Sie Bücher, es müssen nicht zwingend meine sein. Kaufen Sie die Musik, die Sie hören wollen. Und wenn Sie beim Finanzamt sind – kaufen Sie CDs mit Steuerdaten.

Ihre

Ulrike Renk

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