Unrecht Gut gedeiht nicht

Ich wollte schon immer eine Geschichte mit diesem Titel schreiben, wirklich wahr – schon seit der Grundschule, und nun hat sich mir endlich, endlich die Möglichkeit geboten. Aber lesen Sie selbst:

Freunde meiner Eltern hatten einen Bernhardiner, einen wirklich schönen Hund und schon hochbetagt, weshalb er etwas gemütlich geworden war. Und so legte er sich bei einem samstagmorgendlichen Einkaufsbummel im MediaMarkt brav zu Füßen seiner Familie, wartete, bis diese mit der Beratung fertig werden würden. Die Beratung zog sich, doch der gute Betz lag ruhig und machte keinen Mucks. Er lag auch noch ruhig, als die Beratung zu Ende war, und er tat es weiter, als man ihn rief, lockte, anstupste. Das heißt, als man ihn anstupste, da fiel ihm der Kopf zur Seite.

Betz war tot, einfach so verstorben, an einem Samstagmorgen in einem sehr, sehr vollen Media-Markt.

Betz‘ Frauchen bekam eine Tränenkrise, doch ihr Gatte und der Media-Markt-Mitarbeiter sahen das Ganze eher pragmatisch: Da lag ein toter Bernhardiner unter einem dieser sehr kleinen Beratungstischchen und nahm den nachfolgenden Kunden Platz weg. Das Tier musste verschwinden, für alles andere war später Zeit.

Nun haben Bernhardiner sehr viele liebenswerte Eigenschaften: sie sind friedlich, meist gut erziehbar und kinderfreundlich, aber als besonders handlich kann man sie bedauerlicherweise nicht bezeichnen. Der Gatte riet dazu, Betz vorne zu packen, während seine Gemahlin hinten mitanhob, zum Parkplatz war es ja nicht weit. Seine Frau musste sich schon beim Gedanken daran setzen, ihr Heulen wurde lauter und steigerte sich noch, als der diensteifrige MediaMarkt-Mitarbeiter vorschlug, man könne den treuen Betz ja einfach an der Leine hinterherziehen. Einen blauen Müllsack lehnte sie gleichfalls ab.

Vermutlich nur, weil sich inzwischen eine kleine Traube von Schaulustigen um das Tischchen gebildet hatte, willigte sie schließlich ein, Betz in einem leeren Karton zum Auto zu tragen. Es war nicht ganz einfach, eine Kiste von ausreichender Größe zu finden – wird ja alles immer kleiner heutzutage …, aber schließlich legte man das treue Schlappohr in die vormalige Papphülle eines Flachbildfernsehers der Firma Grundig.

Es sei ein ziemlich teurer Fernseher darin gewesen, wie der Media-MarktMitarbeiter nicht müde wurde zu betonen, angesichts der Schachtel, die man da für die Überführung nutzen wollte. Und so schleppte der Gatte den guten Betz innerlich fluchend und äußerlich schwitzend zum Wagen, doch am Parkscheinautomaten stellte er fest: Das Ticket fehlte! Sie wissen ja, wie das ist, wenn einmal etwas anfängt, schiefzulaufen …

Das Ticket musste während der Beratung im MediaMarkt aus dem Portemonnaie gefallen sein. Der Freund meiner Eltern hatte wirklich gar kein Bedürfnis, seinen toten Hund die ganze Strecke noch einmal hin- und zurückzutragen, seine inzwischen vollkommen hysterische Frau zu schicken, schien ihm auch nicht ratsam, ebenso wenig wie sie mit Betz allein vor dem Ticketautomaten stehen zu lassen. Schließlich schoben sie den Karton also in eine etwas weniger einsehbare Ecke und gingen ihren Parkschein suchen. Den bekamen sie sogar vollkommen reibungslos zurück, man hatte ihn schon gefunden. Was sie bei ihrer Rückkehr allerdings nicht mehr fanden: den Grundig Flachbildfernseherkarton samt Inhalt!

Jemand hatte ihn tatsächlich gestohlen!

Und nun stellen wir uns alle das Gesicht des Diebes vor, als er zu Hause seine Beute in Augenschein genommen hat …

Ach, wie heißt es doch so schön: „Unrecht Gut gedeiht nicht“.

Ihre Joan Weng

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