Kochen und kochen lassen

Kochen … hm, das hatten wir doch schon mal. Ich meine, hier als Sonntagsserie. Damals habe ich behauptet, ich würde einfach immer weiterüben, dann würde das schon irgendwann werden mit mir und dem Fünfgängemenü. Weil es sei wie beim Schreiben: man muss einfach immer weitermachen. Das ist nun über zwei Jahre her und ich habe inzwischen meinen ersten Roman nach diesem Prinzip fertig geschrieben. Für den Roman hat das funktioniert, aber was das Kochen angeht … ich fürchte, da bin ich ein hoffnungsloser Fall.Deshalb dachte ich, ich schreibe diesmal über Kochen in Büchern. In den Afrika-Büchern, die zurzeit meine bevorzugte Lektüre sind, bin ich jedoch nicht wirklich fündig geworden. Entweder wird dort jede Menge Pap gegessen, Maisbrei, den ich bei mehrfachen Versuchen in Afrika einfach nicht herunterbekommen habe, oder aber es gibt Ziege, auf die ich nach ausführlicher Beschreibung des Schlachtprozesses keinen Appetit mehr hatte.

Ansonsten fiel mir nur eine Küchenszene mit meiner Allzeit-Lieblingsheldin „Franziska Linkerhand“ ein. Jene Szene, in der sie für ihren Chef Eier in die Pfanne schlägt und ihm das Rührei serviert, während sie selbst weiter auf ihn einredet. Als sie in ihrer Rede endlich eine Pause machen kann und selbst zu essen beginnt, stellt sie entgeistert fest, dass der Eierbrei auf ihrem Teller vollkommen versalzen ist. Warum hat er trotzdem davon gegessen, ohne eine Mine zu verziehen? Am liebsten würde sie im Boden versinken.

Ganz so schlimm ist es bei mir nicht, aber jener Abend zu Beginn einer Liebesaffäre vor einigen Jahren wird mich auch als peinliche Erinnerung den Rest meines Lebens begleiten. Ich war am Nachmittag aus Paris zurückgekommen und hatte mir auf dem Weg zum Flughafen noch von meiner Freundin Marie das Rezept für eine original französische Zwiebelsuppe diktieren lassen. Der Mann, der mir erst kurz vor meiner Abreise nach Paris über den Weg gelaufen war, kam am Abend zu unserem ersten Rendezvous. Eigentlich lief alles gut. Ich fühlte mich schön und auch die Zwiebelsuppe gelang, aber dann brannte der Toast an. Immerhin konnten wir darüber zusammen lachen und der Abend wurde dennoch ein gelungener. Das Ganze hatte außerdem einen großen Vorteil – denn zukünftig übernahm er das Kochen. Für mich begannen ein paar glückliche Monate mit den leckersten Lamm-Stews, die ich in meinem Leben gegessen habe.

Wenn ich es recht bedenke, habe ich mich schon früher lieber bekochen lassen als dass ich selbst gekocht habe. Ich denke noch immer an meine Dresdner Jahre zurück, in denen ich in einer großen Wohnung über einem kleinen Off-Theater wohnte und oft Gastgeberin für dort arbeitende Künstler war. Mein Freund Paul aus Amsterdam war bevorzugter Dauergast und blieb manchmal wochenlang. Als damals noch sehr ostdeutsche Deutsche aß ich mittags warm (bevorzugt in Kneipen wie dem „Goldenen Hufeisen“, wo die Zeiten des Pferdefleischs zwar vorbei waren, das Mittagessen aber noch immer für vier oder fünf Mark zu haben war, während Wirt und Stammgäste lieber Flüssignahrung zu sich nahmen) und abends Stulle. Das war mit Paul nicht zu machen, er brauchte abends warmes Essen, weil das bei den Holländern so üblich ist. Also kochte er. Jeden Abend. Essend und trinkend bauten wir in jener Zeit eine Freundschaft fürs Leben.

Einmal bat ich ihn, etwas typisch Holländisches zu kochen. Da das Salatangebot damals – wir reden von Anfang der neunziger Jahre – in Dresden noch nicht so üppig war, brachte Paul den dafür nötigen Endiviensalat aus Amsterdam mit und rührte dann Stimp-Stamp zusammen, einen Kartoffelbrei mit untergemischtem Endiviensalat. Wichtig ist nur, dass der Salat erst kurz vorm Servieren untergemischt wird, damit er noch knackig ist. Apfel gehört noch dazu und Speck, jedenfalls in der nicht-vegetarischen Variante. Ich esse das heute noch immer gern, sowohl bei Paul in Amsterdam als auch in meiner eigenen Küche, in der ich das manchmal zubereite. Auch zweifelnde Freunde – „Du kochst holländisch? Fritten?“ – habe ich damit schon überzeugt. Wenn ich doch mal koche.

Als Paul Dresden nach einigen Jahren endgültig verließ, gab es einen tränenreichen Abschied und einen Schwur. Ich schwor mir nämlich, in meinem Leben nur noch einen Mann zuzulassen, der mich bekochen würde. Daran habe ich mich bis heute weitgehend gehalten.

Als ich Kind war, pflegte mein Vater zu sagen: Man muss nicht alles wissen, man muss nur wissen, wo es steht. Ich denke, meine Abwandlung würde ihm gefallen: Man muss nicht selbst kochen, es reicht, jemanden zu haben, der es für einen tut.

Gesättigte Grüße
Ihre Dorrit Bartel

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