Besuch bei der Frau vom Weihnachtsmann

Ein Gastbeitrag von Amos Ruwwe

„Essen ist fertig!“

So langsam werde ich ärgerlich. Schon vor mindestens zehn Minuten habe ich bereits gerufen. Nix. Nicht mal eine Antwort.

Seit er einen Laptop in seine Hände bekommen hat, ist alles anders geworden.

„Versandhandel“, höre ich ihn murmeln, „Smartphone besorgen! Die Zeiten haben sich geändert“, schwadroniert er, als er schließlich am Mittagstisch sitzt.

„Kannste ja überall lesen: Alle haben Internet und kaufen online die Geschenke für Weihnachten ein. Ganz bequem von zu Hause. Der Versandhandel verschickt die dann termingerecht. Und ich? Was mach ich? Mit einem Schlitten rumsausen, Geschenke in einen Schornstein werfen oder dorthin, wo ich einen Platz finde. Von der ganzen Rumschlepperei will ich gar nicht reden.“

„So langsam mache ich mir Sorgen um dich. Du bist der Weihnachtsmann und kein Internetversandhandel.“

„Ja ja ja, als Frau vom Weihnachtsmann musst du auch immer deinen Senf dazugeben. Mit der Zeit gehen ist angesagt“, räsoniert er grantig.

„Weißt du“, sage ich zu ihm und stelle ihm ein schönes Stückchen Christstollen vor die Nase, „wenn du nach Arbeitsschluss heim kommst, siehst du immer glücklich aus. Müde, aber glücklich.“

„Müde! Da sachste was. Glücklich bin ich, wenn alles vorbei ist.“

„So ist es ja auch richtig. Die ganzen Wünsche, die ganzen Geschenke, alles bringst du zu den Leuten. Da kommt kein Internet oder so ein Gedöns, ne, ne, da kommt der Weihnachtsmann und das ist auch gut so.“

Mit den Krümeln vom Christstollen auf seinem roten Mantel steht er dann auf, schaut mich ein bisschen seltsam an und ein bisschen kleinlaut sagt er: „Ich gehe dann mal zu den Geschenken, aufladen, ist langsam Zeit. Muss noch eine Menge gemacht werden bis Weihnachten. Ich bin ja schließlich kein Internetversand.“

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