Der Lassie-Effekt

Ich würde nie auf die Idee kommen, mir einen Hund zuzulegen. Ich bin ihnen viel zu ähnlich, liege am Liebsten den ganzen Tag dösend auf dem Sofa und stehe nur im absoluten Notfall auf. Oder wenn’s was zu Essen gibt. Außerdem würde mich das ständige Rumgelaufe auf der Strasse viel zu sehr nerven. Mich jedenfalls wundert es nicht, dass die selbsternannten Herrchen und Frauchen immer so angepisst gucken. Wenn man mich frühmorgens aus dem Bett holen würde, damit ich – mit einem kleinen grünen Plastikbeutel bewaffnet – hinter einem Hund hertrotte, dem ich dann beim Kacken zusehen darf, hätte ich auch schlechte Laune.

Trotzdem sind Hunde wichtig. Für schöne Geschichten. Da wäre z.B. Sammy Davis jr. jr.. Dieser völlig verzogene Stinker ist nicht wegzudenken aus Foers „Alles ist erleuchtet“. Nicht, das er eine wichtige Figur wäre, nein, aber er sorgt für die richtige (in diesem Fall pupsgeschwängerte) Atmosphäre. Außerdem: Was wäre die Hauptfigur, wenn Sammy nicht versuchte, Oralsex mit ihr zu haben? Nur noch die Hälfte, genau. Der Hund bringt Leben in die Bude, denn der Held muss reagieren und das macht ihn sichtbar, verleiht ihm Konturen. Foers Helden speichern wir sofort als Warmduscher, weil er sich nicht einmal gegen einen Hund zur Wehr setzt. Dem ist sogar Schach zu brutal, jede Wette, so ein richtiger Pazifist ist das.

Außerdem sei auf den Lassie-Effekt hingewiesen, und der ist auch schnell erklärt: Menschen mögen Tiere. Das sollten Sie ausnutzen. Einem Menschen verzeiht man die penetrante Pupserei und das Gesabbere nicht so leicht. Sammy Davis jr. jr. nimmt man sie nicht mal übel.

Aber verwenden Sie Tiere nur dann, wenn Sie mit ihnen vertraut sind, das erspart Ihnen Peinlichkeiten. Na los doch, besorgen Sie sich ein Haustier. Seien Sie klüger als ich. Und vor allem nicht so faul. Am besten Sie schnappen sich einen Hund aus dem Tierheim. Da tun Sie gleich noch etwas Gutes. Dann können Sie Ihre Figuren mit glaubwürdigem Verhalten ausstatten, denn Sie wissen, wie Hunde und Menschen miteinander umgehen. Das können Sie wunderbar in Ihren Texten verwenden. Experimentieren Sie mit unterschiedlichen Konstellationen. Sorgen Sie für Konflikt. Chronische Flatulenz ist nur eine Möglichkeit unter vielen. Woraus ergeben sich originelle Szenen? Welche Eigenschaften bringen Sie bei einem Hund so richtig auf die Palme? Und nicht vergessen: Kaufen Sie genug von diesen kleinen grünen Plastikbeuteln. Die sollten Sie stets griffbereit haben.

Ihr Christoph Junghölter

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