Schreibrituale oder So läuft’s! Oder auch nicht, Klammer zu.

Einleitung

Puh, dieser Beitrag zu den Schreibritualen hat ja noch mal gerade so geklappt… (Gut, dass mein Tag 30 Stunden hat! Anderes Thema. Obwohl – nein, eigentlich doch nicht.) Gehen wir mal pseudo-wissenschaftlich an dieses Effi Briest-mäßig weite Feld heran, das die gesamte Bandbreite von self-made Schreibschwäche bis hin zu selbstinstruierter Schreibinkontinenz umspannt. Stellen wir uns also ganz dumm und fragen nach der >>>

1. Dampfmaschine

Rituale laufen definitionsgemäß nach vorgegebenen Regeln ab. Diese hat der engagierte Schreiberling sich mit oder ohne Konsum von Schreibratgebern (wie z. B. „Dein Roman ist faul? Hau ihm aufs Maul!“) selbst aufs Auge gedrückt – beziehungsweise sie wurden ihm nach Konsum traubenbasierter Getränke durch göttliche Eingebung offenbart. Ich schwör!

Ein Schreibritual kann einen streng formellen Ablauf aufweisen (z. B. immer zur selben kreativitätsfördernden und biorhythmuskonformen Uhrzeit, auf knitterfreiem, dezent kariertem und mit Fliederduft besprenkeltem 87,3 g-Papier) und wird oftmals in Gang gesetzt durch eine feierlich-festliche Handlung (z. B. das sorglose Entflammen einer biologisch bedenklichen Vanilleduftkerze). Häufig wird es auch von wiederkehrenden Wortformeln begleitet (z. B. „Scheiße, warum hab ich nicht früher angefangen?“ oder „Ey, Prota, red mit mir, sonst lass ich dich heute Nacht qualvoll sterben!“). Auch festgelegte Gesten (wie z. B. das Zerreißen des gestrig verfassten Schunds) können liebevoll integriert werden.

Doch welche Sorten von Schreiberlingen gibt es nun? Hier ein Ausschnitt, der gerne jederzeit durch die eigene Biographie (siehe Punkt 2.) in den Kommentaren ergänzt werden kann.

1. Die anderen

1.1 Die Minimalisten. Für einige Autorinnen und Autoren scheint das Ritual schon darin zu bestehen, dass sie überhaupt schreiben.

1.1.1 Echt?

1.1.2 Jo.

1.2 Die Knappen. Andere fechten das ritterliche Ritual durch, erst eine Nacht vor Abgabetermin etwas zu Papier – respektive zu Tastatur – zu bringen und ihr Öwre nur unter Androhung persönlicher Abholung von zuhause nebst Brief an die Eltern und Abzug von Karmapunkten einzureichen.

1.2.1 Knapp auf Kante genäht, was?

1.2.2 Jo.

1.3 Die Meister. Dann gibt es da noch die Strategen unter der Sonne, die alles – aber auch wirklich alles – dafür tun, um nicht zu schreiben beziehungsweise schreiben zu müssen. Hier handelt es sich um die wahren Meister – die der Prokrastination. Ihr Motto: „Ablenkritual schlägt Schreibritual“ [„schlägt“ wahlweise durch ‚=‘ ersetzen].

1.3.1 Da darf man doch sicherlich die allseits beliebte Therapeutenfrage stellen: Was hält dich wirklich (!) davon ab, seelenglücklich, reich und berühmt zu werden?

1.3.3 „Aber die Küche sieht aus wie grunzendes Nutztier … und das Auto: Da hat auch einer ‚Sau‘ drauf geschrieben … und endlich ist mal Biergartenwetter (und wer kennt schließlich schon die meteorologische Entwicklung der Jahre bis zu meinem Renteneintritt?) … und meine Briefmarkensammlung könnte ich mal farbig umsortieren, sieht bestimmt chic aus … und diese Kurzgeschichte hier, die schiebe ich noch dazwischen, die will einfach nicht aus meinem Kopf weggehen… und wenn ich meine Lieblingsserie nicht weiter verfolge, stirbt der Protagonist vielleicht ohne mich – das wär doch total unsensibel von mir! … und dann die Demo gegen die Marienkäferumsiedelung in Mecklenburg-Vorpommern … und im Garten verläuft sich selbst die Nachbarskatze im dichten Gestrüpp … und …“

1.3.4 SCHNAUZE!!!

1.4 Die Perfektionisten. Bei einigen Autorinnen und Autoren geht es in der Schreibstube zu wie in andererleuts Schlafstube:

  • die ganze Woche auf einen stressfreien Tag gewartet [CHECK]
  • den ganzen Tag auf die perfekte Stunde gewartet [CHECK]
  • Zimmertemperatur bei exakt 21,45 Grad Celsius? [CHECK]
  • maximal zwei Lichtschlitze im oberen Segment der Jalousie? [CHECK]
  • Betten frisch bezogen und mit einer feinen Lavendelnote betupft? [CHECK]
  • gedimmtes teint- und faltenfreundliches Licht? [CHECK]
  • Musik in Dauerschleife von Eros Ramazzotti? [CHECK]
  • Trockenblumenpotpourrie ‚Cranberry–mallorquinischer Morgentau‘?

> „Schaaahatz!“ „Jaaaa?“  „Du weißt doch, dass ich nur bei Mettbrötchen-Flavour in die Gänge komme… “ [GAME OVER]

 

1.4.1 Perfektionisten arbeiten zudem oft sehr strukturiert und plotten, biographieren, exzerpieren, analysieren und hyperventilieren sich um Leib und Leben ihrer Figuren. Bevor diese geboren werden, wohlgemerkt.

1.4.1.3.4.5.2.4.7.2.3 Einige Schriftsteller hyperorganisieren sich mit kiloweise Post-Its so sehr, dass sie sich sprichwörtlich verzetteln. Oder ihr Plan wird vom Winde verweht, wenn gutmeinende Verwandte die Tür öffnen, um ein warmes Süppchen in die gute Schreibstube zu bringen.

2. Ich

Tja, platztechnisch voll verzettelt, würde ich sagen. Doch wie heißt es in der ‚Feuerzangenbowle‘ so schön? „Das kriegen wir später“. (Soll heißen: Fortsetzung folgt, Anm. d. Red.)

Fazit:

Rituale vermitteln Halt, stiften Sinn und geben Orientierung in einer den Schreiberling zu allerlei Unfug verführenden Außenwelt. „Schad’t ja nix“, hat unser Omma immer gesacht. „Werden wir ja sehen“, sach ich. Rituale haben jedenfalls ihre Daseinsberechtigung. Wenn man’s mag. Konsens. Solange wir die wichtigste Sache auf der Welt nicht dabei vergessen: das Schreiben selbst.

In diesem Sinne. Ich bin dann gezz wech.

Eure Claudia Kociucki

PS: Die Fenster müssten dringend mal wieder geputzt werden.

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3 Gedanken zu „Schreibrituale oder So läuft’s! Oder auch nicht, Klammer zu.“

  1. Fröhliche Ostern sind das, liebe Claudia. 30 Stunden Tag, tolle Wörter, die ich noch nie gelesen habe, zum Beispiel, selbstinstruierter Schreibinkontinenz,
    das ist für mich heute meine österliche Eier suchen gewesen.
    „Schad’t ja nix“, hat unser Omma immer gesacht, meine Oma habe ich nicht gekannt, dafür aber meine Mutter sehr gut. So konnte ich sie heute morgen beim lesen Deines Textes, geradezu aus dem Himmel sagen hören: „Sach ich doch“
    Wech biste nu, un an Freitach gehn wa gemeinsam inne Kiste, jo.

    Gruß Amos

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