‚Zeit nehmen, genau hinzuschauen‘ oder ‚Fotoreisen mit Socke‘ – Interview mit dem dah[u]u-Verlag Karlsruhe

Es fragte: Claudia Kociucki

Liebe 42er Blogfans, ich möchte euch und Ihnen heute den dah[u]u-Verlag vorstellen. Wo ich diesen Kleinverlag ‚entdeckt‘ habe? Auf der Frankfurter Buchmesse 2014, am Stand gegenüber, beim Vorlesen. Klingt komisch, ist aber so. Es war einer dieser Zufälle, die keine sein können. Ich las am Stand des portugiesischen Tourismusbüros Alentejo eine Kurzgeschichte, in der es um den Schwund der Korkeichenwälder und die Auswirkungen für die Überwinterung der Kraniche geht. Während der Lesung schaute ich zwischendurch ins Publikum und hinter einem der Gäste sah ich ein großes Poster mit dem Cover zum Buch Naturerlebnis Kranichzug. Zu dem Stand musste ich natürlich nach der Lesung hin! Und so kamen wir ins Gespräch: Norbert Daubner, Gaby Hufler und ich.

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Ich glaube, meine erste Frage damals an euch war: „Wofür stehen die Buchstaben d, a, h, u, u und die Klammer in eurem Verlagsnamen?“ Damit fange ich dann auch heute einfach mal an.
Also liebe Claudia, fangen wir mit der Klammer an: Sie symbolisiert zum einen den Sucher einer Kamera und zum anderen ein aufgeschlagenes Buch. Die Buchstaben? Auch da haben wir zwei Geschichten parat, eine ‚langweilige‘ und eine Lösung, die uns kürzlich erst selbst zugetragen wurde und die uns sehr gut gefällt und absolut passend scheint.
Denn ein ‚Dahu‘ ist ein wundersames Fabelwesen aus dem schweizerisch-französischen Raum und entspricht etwa dem Wolpertinger. Es ist ein ziegenartiges Huftier („Da kommt ja auch gleich mein Name noch mit vor“, lacht Gaby Hufler), das unterschiedlich lange Läufe hat, um besser an Berghängen entlanglaufen zu können; so gibt es das links- und das rechtsläufige Dahu. Tatsächlich sind wir in diesem Jahr auf der Frankfurter Buchmesse mehrfach von Franzosen und Schweizern gefragt worden, ob wir, da wir Tierfotografen sind, deshalb diesen Namen gewählt haben. Zum Glück wussten wir Bescheid und konnten sofort adäquat antworten!
Die andere Variante entspringt aus unseren Nachnamen da=Daubner, hu=Hufler und – sehr wichtig – das zweite u=Unternehmungen. Welche Variante gefällt dir besser?

Ich persönlich finde beide sehr charmant! Welche Art von Büchern publiziert dah[u]u, wie sieht euer Verlagsprogramm aus?
Wir publizieren hauptsächlich großformatige, hochwertige Bildbände. Dabei haben wir uns auf das Thema Natur spezialisiert, insbesondere auf Tiere, Pflanzen und Landschaft. Alle Titel beginnen bislang mit ‚Naturerlebnis‘. Unseren ersten Bildband haben wir unserer Heimatstadt Karlsruhe gewidmet, wobei wir die überraschende Vielfalt der Tierwelt im Umkreis von 30 km fotografisch einfingen: ‚Naturerlebnis Karlsruhe – Unsere wilde Region‘. Darauf folgte eines unserer persönlichen Lieblingsthemen: ‚Naturerlebnis Kranichzug – Die Reise der Kraniche‘. Hierfür waren wir Tausende von Kilometern von Schweden, über deutsche Rastgebiete, weiter nach Frankreich bis nach Südwestspanien in die Überwinterungsgebiete der Kraniche unterwegs – zum Teil mit Hund und Kind.
Dann folgten ‚Naturerlebnis Mallorca – Die wilde Seite der Insel‘, des weiteren ‚Naturerlebnis wilder Schwarzwald‘ und ‚Naturerlebnis Vogesen‘.

Welche Wege geht ihr, um auf euer Angebot aufmerksam zu machen? Was bietet ihr außer euren Büchern noch an?
Zunächst geben wir bei VLB die entsprechenden Angaben an und stellen unsere Bücher bei den Barsortimenten vor, und schließlich auch dem Buchhandel. Das ist in unserer Heimatstadt relativ einfach, weil wir hier bekannt sind. Es wäre natürlich schön, wenn jede Buchhandlung in Deutschland, der Schweiz und in Österreich uns kennen würde. 🙂
Auf den Buchmessen in Frankfurt und Leipzig haben wir unseren kleinen Verlag präsentiert, jedoch können wir nicht mit Sicherheit sagen, ob dadurch BuchhändlerInnen auf uns aufmerksam wurden.
Zusätzlich bieten wir zu unseren jeweiligen Büchern Multivisionsschauen an, die wir mit unseren Fotografien und zusätzlich noch mit kleinen Filmsequenzen bereichern und erzählen über die Flora und Fauna wie auch über unsere persönlichen Gefühle und Erlebnisse.
Norbert gestaltet unsere Internetseite, Werbeflyer und Plakate und stellt meist auch noch einen kleinen ‚Blick ins Buch‘-Film auf YouTube. Gaby nimmt Kontakt zu unterschiedlichen Zeitungen und Zeitschriften auf, damit über die Bücher berichtet wird, beziehungsweise damit sie vorgestellt werden.
Wir schreiben außerdem für unterschiedliche Naturmagazine Reiseberichte, erzählen von unseren Erlebnissen und veröffentlichen unsere Fotos. Auf ‚geo online‘ wurden bereits drei unserer Naturbildbände in einer Fotogalerie vorgestellt.

Was fasziniert euch an der Tier- und Naturfotografie? Architektur, Kunst, Menschen bieten doch auch schöne Objekte …
Tiere und Natur faszinieren uns in all ihrer Schönheit. Es erfreut uns, nach langer Recherche ein bestimmtes Tier endlich vor die Linse zu bekommen.
Es ist eine innere Freude, wildlebenden Tieren nahe zu kommen, sie zu beobachten, fast ein Teil von der Gruppe zu werden und mit viel Geduld und Glück gelungene Aufnahmen produzieren zu können. Und immer lernen wir selbst noch Neues hinzu: Verhaltensweisen, Töne, besonders fasziniert ist Gaby immer bei jungen Tieren. Ganz wichtig ist auch genau hinzuschauen: die Struktur einer Vogelfeder oder die Farbkomposition eines Schmetterlingsflügels.
Menschen fotografieren wir für unsere Auftraggeber bei unterschiedlichen sportlichen Events.

Wie, wann und warum kamt ihr überhaupt auf die Idee, einen Verlag zu gründen?
Die Gründung des Verlags resultiert noch aus unserer ‚Fahrrad-Zeit‘, denn unser erstes Buch war vor zehn Jahren ein Radtourenführer unserer Heimatstadt. Schon in dieses Büchlein haben wir die Natur mit eingebunden. Darauf folgten noch zwei weitere.
Da der Verlag nun gegründet war und wir von Karlsruher Buchhändlern gefragt wurden, ob wir nicht einen weiteres regionales Buch schreiben möchten, um mehr über unsere Tier- und Pflanzenwelt zu zeigen, entstand die Idee der ‚Naturerlebnis‘-Bildbandreihe.

Ihr seid zu zweit (plus Hund Socke, der euch stets auf euren Touren begleitet): Welches sind eure Rollen und Funktionen im Verlag? Wer ist wofür zuständig? Was macht euch an der Arbeit als Verlag besonders Spaß, was ist eher ‚ein lästiges Übel‘, wenn man es denn so nennen mag?
Spaß macht, dass wir alles frei entscheiden können, keinen vorgegebenen Regeln folgen müssen, unseren eigenen Zeitplan haben. (Was aber nicht minder anstrengend ist.)
Norberts Ausbildungsberuf ist Mediengestalter, deshalb kann er die gesamte Gestaltung unserer Bücher selbst vornehmen und ich darf meine Wünsche zur Gestaltung einbringen. („Die aber nicht immer gerne und sofort angenommen werden, manchmal muss ich kämpfen“, fügt Gaby grinsend hinzu.)
Das Problem liegt darin, das wir tatsächlich nur zu zweit sind (außer unserem Hund Socke, der die Aufgabe hat, auf uns und unser Gepäck aufzupassen und der ein kleiner Hauptdarsteller bei unseren Multivisionsvorträgen ist) und wir wirklich alles selbst machen müssen: vom ersten Bild, der Fotoauswahl, der Gestaltung, bis zum letzten Wort. Während Norbert sich um das Gestalterische kümmert, ist Gaby eher für den Text zuständig. Alles was mit Internet und Design zu tun hat, ist Norberts Aufgabe, Gaby ist für das Marketing zuständig. Büroarbeiten stehen so viele an, dass es locker für beide reicht.

Habt ihr vor, auch andere Autoren in euer Programm aufzunehmen oder sind Kooperationen geplant?
Tatsächlich hatten wir schon mehrere Anfragen, prinzipiell sind wir nicht abgeneigt, aber da unsere Zeit kaum für unsere eigenen Projekte und Aufgaben ausreicht, haben wir bislang davon abgesehen bzw. absehen müssen. Für die Zukunft könnten wir uns aber Kooperationen durchaus vorstellen und werden auch mit uns schon persönlich bekannten Autoren einen Ideenaustausch anstreben. Daraus könnten sich ganz interessante Projekt entwickeln.

Wenn ihr ein Motto für euren Verlag bzw. eure Arbeit formulieren müsstet, welches wäre das?
Durch unsere Fotoaufnahmen und Bildbände möchten wir die Menschen für die Kostbarkeit und Zerbrechlichkeit der Natur sensibilisieren. Norbert sagt immer: „Das, was man kennt, beschützt man auch.“ So hoffen wir.
Auch bei unseren Fotokursen sagen wir immer, dass man erst einmal einen bestimmten Blick erlernen muss, sich auf etwas Bestimmtes einstellen, hören, achten.

Womit habt ihr vor eurer Verlagskarriere euren Lebensunterhalt verdient? Welcher Weg führte euch zu dem, was ihr jetzt (mit so viel Herzblut, Anm. d. Red.) tut?
Fotografie ist für uns beide, unabhängig voneinander, schon seit unserer Jugend ein Thema. Im Rahmen der Fotografie begannen wir vor über zehn Jahren im Radsport und mit Sportevents.
Gaby: Ich habe das früher immer noch nebenberuflich gemacht, bis ich mich entscheiden musste, weil der zeitliche Aufwand einfach zu groß wurde. Radsportevents sind nicht mein großes Interesse, aber Naturfotografie ist für uns beide spannend und wir freuen uns über unsere vielen intensiven Naturerlebnisse.
Norbert: In einer Beziehung sind wir uns beide sehr ähnlich: Wenn wir etwas machen, dann richtig.

Wo seht ihr die besonderen Herausforderungen in der Buchwelt, die an einen kleinen Verlag wie euren gestellt werden?
Unsere Bücher auch zu verkaufen und vielen Buchhändlern bekannt zu sein. Leider fehlen uns die finanziellen Mittel, um einmal wirklich in Werbung zu investieren.
Wenn wir uns auf der Frankfurter Buchmesse 2020 treffen: Welche Bücher stehen an eurem Stand im Regal?
Noch 10 bis 100 weitere ‚Naturerlebnis‘-Bildbände. Nein, wir verraten noch nichts.

Gibt es eigentlich ein Lieblingsstier, das ihr fotografiert und beschrieben habt – oder einen Lieblingsort?
Irgendwie bekommen wir während unserer Fotoaufnahmen mit allen Tieren und Motiven einen ganz besonderen Kontakt, egal, ob es eine edle Orchidee oder ein kleines Gänseblümchen ist. Das Auge einer Gämse oder Schlange, die Schuppe einer Eidechse, seltene Schmetterlinge oder Besonderheiten von Insekten, die Beißwerkzeuge einer Heuschrecke beispielsweise – also Gaby könnte jetzt noch Stunden weiter erzählen, alles ist faszinierend. Norbert liebt es, zum Beispiel, wenn er Stunden verharrt und von einer Gruppe Gämse quasi nicht mehr als Fremdobjekt wahrgenommen wird. Gaby sagt dann gerne: „Ich werde zum Baum“, bis schließlich eine Eidechse ganz unscheu bis zu ihren Fußspitzen kommt und und und …
Wer nimmt sich denn schon die Zeit, einmal WIRKLICH hinzuschauen? Und genau das ist das Wundervolle in unserem Beruf: Wir dürfen und müssen uns die Zeit dafür nehmen.

Anekdote von Gaby: „Kürzlich hat ein Besucher unseres Multivisionsvortrags ein Gespräch von mir mitbekommen, dass ich nicht die Geduld aufbringe, einen Kuchen zu backen, und ich dies auch nur einmal im Jahr zum Geburtstag meiner Tochter mache. Er sagte: „Das ist ja jetzt unglaublich: Da sitzt sie über zehn Stunden in der Kälte oder Hitze in ihrem Tarnversteck und findet DAS völlig okay, schafft es aber nicht, einen Kuchen zu backen. Das ist seltsam … Finde ich nicht!“

Ich danke euch beiden ganz herzlich, Gaby Hufler und Norbert Daubner, für dieses Interview und den Einblick in eure Arbeit – ich wünsche euch mit eurem Verlag weiterhin viel Erfolg! (Gruß an Socke!)

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Ein Gedanke zu „‚Zeit nehmen, genau hinzuschauen‘ oder ‚Fotoreisen mit Socke‘ – Interview mit dem dah[u]u-Verlag Karlsruhe“

  1. Liebe Claudia, vielen Dank für die Fragen und die Antworten. Beim lesen dachte ich das Programm der 42er im Lofft bei der Leipziger Messe.
    So ein kleiner Verlag, mit einem speziellen Fokus, kann man davon leben??? Ich lese ich von Reisetätigkeit, von vielen Stunden des Wartens, das kostet und was bringt es dann ein?
    Vielleicht sehen wir die Zwei ja auch in Leipzig.
    Gruß Amos

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