Warum der Heilige Bruno am Ortsausgang steht

Fährt man von Bad Mergentheim nach Löffelstelzen hinauf und durchquert den Ort ohne abzuzweigen, so findet man am Ortsausgang eine steinerne Gestalt, die einem ein Kreuz entgegenhält. Die Augen schauen, wie meist bei Steinfiguren, blind und leer. Die Gesichtszüge sind neutral, doch wenn man etwas hineindeuten wollte, dann eher etwas Mahnendes, keineswegs aber Drohendes. Diese Gestalt stellt den Heiligen Bruno von Köln dar, den Gründer des Karthäuserordens, einem Orden, in dem Mönche besitzlos und eremitisch zusammenleben. Den Karthäuserorden gibt es heute noch und es ist der einzige Orden, der im Sinne einer mittelalterlichen Kontemplation besteht (man erwartet still und zurückgezogen die Wiederkunft Christi). Allerdings haben sie wohl Nachwuchsprobleme. Wer den preisgekrönten Dokumentarfilm »Die große Stille« gesehen hat, weiß, worum es den Karthäusern geht.

 

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Aber nicht davon will ich erzählen. Die Frage ist ja: Was hat der Heilige Bruno oberhalb Bad Mergentheims bei Löffelstelzen als steinerne Gestalt zu suchen? Ein Karthäuserkloster gab es in oder bei Bad Mergentheim meines Wissens nach niemals. Wenn man aussteigt, und sich die steinerne Statue einmal genauer ansieht, dann entdeckt man auf dem Sockel eine Inschrift, die einen ersten Hinweis gibt. Es ist nicht mehr gut zu entziffern, weil teilweise grün überwachsen und etwas verwittert, aber wenn man nah herangeht, die Buchstaben mit den Fingern etwas nachfährt, dann klappt es. Für alle, die das beim Foto nicht können, hier eine Abschrift:

»Hier STarb Unerwartet Schnell Fürst.Bischof Von Würzburg PHILIPP FRANZ Graf V. Schönborn Auf Der Heimreise Von Mergentheim nach Würzburg Am 18. Aug. 1724 R. I. P.«

Was war passiert?

Der Fürstbischof, der erste große Förderer von Balthasar Neumann, war in Bad Mergentheim vom Hoch- und Deutschmeister Franz Ludwig von Pfalz-Neuburg zur Jagd eingeladen worden. Es wurde nicht nur gejagt, sondern auch geschlemmt. Für den ohnehin schon übergewichtigen Bischof war das an diesem heißen Tag zu viel des Guten. Ihm ging es plötzlich schlecht und nach einer schweren Nacht beschloss er am nächsten Morgen, zurück nach Würzburg zu reisen. Bei Löffelstelzen ging es aber nicht weiter. Der Bischof musste aus der Kutsche gehoben und an den Wegrand in den Schatten getragen werden. Dort versuchte der Leibarzt noch einen Aderlass, was aber nichts mehr nützte, denn Philipp Franz Graf von Schönborn starb noch an Ort und Stelle. Der Fürstbischof war ob seiner Prunksucht nicht sehr beliebt und so kam bald das Gerücht auf, er sei vergiftet worden. Immerhin war er gerade mal 51 Jahre alt . Bewiesen werden konnte nichts, doch zur Erinnerung, vielleicht auch zur Mahnung, stellte man dieses Denkmal auf. Und genau gesehen passt der Heilige Bruno dazu ganz ausgezeichnet. Er ist sozusagen das Gegenbild des maßlos lebenden Fürstbischof und damit auch eine Mahnung für alle anderen, die es gerne mal übertreiben.

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Man muss sich dadurch nicht gleich das Weihnachtsessen vermiesen lassen. In der Regel ist der Mittelweg immer der bessere. Also lasst es euch gut schmecken über die Feiertage, doch vielleicht legt ihr ja nach dem leckeren Mahl noch einen Verdauungsspaziergang ein.

Ihr

Horst-Dieter Radke

Nachtrag: Den Dokumentarfilm »Die große Stille« gibt es auch als DVD. Möglicherweise ist das noch ein Tipp für ein Weihnachtsgeschenk in letzter Minute.

 

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