Als ich fünf wurde …

von Cordula Boicher

Da ich aus einer Offiziersfamilie stamme, ist es bei uns üblich, bei Überlegungen zu weit zurückliegenden Ereignissen erst einmal zu fragen: „Wo haben wir denn damals gewohnt?“

Als ich fünf Jahre alt wurde, wohnten wir in Lüneburg, in einer kleinen Siedlung außerhalb der Stadt, am Rande der Kaserne. Kleine Doppelhäuser umstanden beide Seiten einer Sackgasse, die in einem großen Rund endete. Für mich damals wirkte es zumindest groß, schließlich habe ich dort auch Fahrradfahren gelernt. Aber ich schweife ab.

Da Weihnachten und die Geburtstage von uns Kindern relativ nah beieinander liegen und meine Eltern über keinerlei Reichtümer verfügten, gab es für uns Kinder immer nur ein großes Geschenk für beide Ereignisse zusammen. In jenem Jahr war es ein Puppenwagen. Ich weiß noch genau, wie er aussah: das Körbchen rot-schwarz-kariert, das Verdeck komplett in Schwarz und innen mit einer weißen Kunststofffolie ausgekleidet. Kurz gesagt: todschick.

Obwohl es eisig kalt war, musste ich natürlich sofort mein Puppenkind spazieren fahren. Es wurde auf ein Kissen gelegt und fürsorglich mit einer Decke zugedeckt. Schließlich machte ich die erste Probefahrt und kann mich heute noch daran erinnern, wie gut der Wagen mit seinen schwarzen Lederbändern gefedert war.

Auf der Straße war kein Mensch zu sehen, nur Tante Anna kam auf mich zu, die Haushälterin des Pfarrers, der über Eck am Ende der Sackgasse wohnte.

„Wessen Kind fährst du denn da spazieren?“, fragte sie mich freundlich und schaute in den Wagen hinein.

Ich hatte augenblicklich das Gefühl, zehn Zentimeter größer zu werden und meine Brust schwoll an vor lauter Stolz. Dass mein neuer Puppenwagen angeblich so wirkte wie ein echter Kinderwagen, war in diesem Moment das größte Kompliment, das ich in meinem Leben bekommen hatte.

Die Freundlichkeit und Zugewandtheit dieser Tante Anna bereichert in Gedanken immer noch mein Leben und ich bin wirklich froh, diese beiden Eigenschaften auch innerhalb des Blogteams seit nunmehr fünf Jahren erfahren zu dürfen.

In diesem Sinne: Herzlichen Glückwunsch, Blögchen!

 

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