Auf der Suche nach dem Hund von Baskerville

Zum Abschluss unserer Sonntagsserie ein Gastbeitrag von Wolf P. Schneiderheinze:

Auf der Suche nach dem Hund von Baskerville

Wollen wir doch den Tatsachen einmal ins Auge sehen: Diese Geschichte vom „Hound of the Baskervilles“, die Sir Arthur Conan Doyle seinen Sherlock Holmes in den Jahres 1901 bis 1902 erleben ließ, ist ein ziemlich zusammengewürfeltes Szenario.

Baskerville Hall, der Herrensitz der von einem bösen Fluch gestraften Familie, liegt in Wales. Dartmoor, wo die Geschichte spielt, liegt in Davon. Dazwischen liegen gut 170 Meilen. Selbst mit dem Auto braucht man mehr als drei Stunden vom Herrensitz bis tief ins Moor.

Wenn man allerdings durch die karge Landschaft streift, kann man selbst bei strahlendem Sonnenschein einen guten Eindruck davon bekommen, wie ein Gang in undurchdringlichem Nebel hier die Fantasie beflügelt und die Nackenhaare zum Kräuseln bringt.

Auf den weiten, von der Sonne gebleichten Grasflächen blühen gelb die Ginsterbüsche, lange Steinmauern teilen die Landschaft. In der Ferne erheben sich die tors, große Hügel mit bis zu 10 Meter hohen Granitformationen. Immer wieder stößt der Wanderer auf Reste von Häusern und Kultstätten.

Clapper Bridge

In dieser Umgebung siedelten die Menschen schon vor 4000 Jahren und sie hinterließen zahlreiche Spuren. Neben zahlreichen Steinkreisen wurden auch Keramikgefäße gefunden, die auf Grund ihrer Form den Siedlern hier den Namen beaker folk, Glockenbecherleute, eintrug.

Doch tatsächlich kann man hier bei Wanderungen im Nebel seltsame Geräusche vernehmen. Geräusche, die man  kaum einordnen kann. Es klingt wie ein leises Heranschleichen, ein Schaben und Knarren, manchmal wird aber auch der Schritt härter, dann dringt er fast wie ein harter Absatz durch die undurchdringlichen Schwaden. Und dann dieser Ton, der wie ein irres Kichern klingt, mal kurz und leise, mal etwas langanhaltender. Oft kippt er fast in ein blechernes Wiehern. Plätzlich dringt  eine Silhouette durch den Nebel, ein Umriss, der nur dem Leibhaftigen gehören kann.  Wer dann auch noch das gurgelnde Schmatzen wahrnimmt, dass erst leise, dann immer stärker werdend ans Ohr dringt, der ist versucht, in Panik die Flucht anzutreten.

Ja, in dieser Kulisse können schon Geschichten entstehen, die dem Leser eine Gänsehaut bescheren. Wenn es denn neblig ist. Und nicht sonnig, wolkenlos.

Bei schönem Wetter sieht man vielleicht seitwärts des schmalen Weges, der ohne Markierung durch das Moor führt, eines der vielen wildlebenden Ponys stehen, das sich gemächlich durch den feuchten Wiesengrund bewegt, sich am kargen Bewuchs gütlich tut und die Straßen, die das Dartmoor durchkreuzen, in einer Gemächlichkeit und einer Gelassenheit überquert, die klar zeigt, wer hier im Moor das Hausrecht hat.

Dartmoor Pony

Kein Zweifel, Conan Doyle muss das Moor im Nebel besucht haben, mit dem Klang eines einsamen Hofhundes im Ohr, dem scharfen Wind auf der Haut und dem Plätschern eines Baches zu seinen Füßen. Und nur eine der alten Clapper bridges führte auf die andere Seite.

Dartmoor

Und dort in der Ferne sieht man ein schwaches fahles Licht durch den Nebel dringen. Heute wäre das bestimmt ein Autoscheinwerfer, nicht das heimelige Laternchen eines gemütlichen Pubs, wo man sich nach dem Schrecken im Moor die Knochen aufwärmen kann und die Furcht in einem kühlen Ale ertränkt.

Es muss neblig gewesen sein, ungastlich, feucht und kalt. Oder waren es  doch die Nebelschwaden der Fantasie, die Conan Doyle umwehten?

Wer mag, kann die Probe aufs Exempel machen und beim Genuss eines kühlen Glases Bier oder Wasser eine Geschichte schreiben, die in der Sahara spielt. Sich im Sommer an einer Weihnachtsgeschichte versuchen. Oder eben im strahlenden Sonnenschein Geister aus dem Nebel heraufbeschwören. Oder Geisterhunde. Möge die Übung gelingen.

Herzlichst Ihr Wolf P. Schneiderheinze

 

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