Bei Maischberger

Wolf Isegrim über Kampagnen, Invasionen und Intoleranz

(Jingle, Applaus, Maischberger tritt auf, schaut in die Kamera)

Maischberger: Herzlich Willkommen zu Maischberger.

Wie gefährlich ist der Wolf, wie gefährdet ist der Wolf? Kriminalität oder Kampagne?

Mein Gast heute ist Herr Wolf Isegrim, der sich dem Vorwurf der Altersdiskriminierung und der Rotkappenfeindlichkeit stellen muss. Er selbst sieht sich einer Hetzjagd ausgesetzt und sagt: Reden dürfen nur noch alte weiße Frauen und Rothäupter. Bei uns redet heute er!

Einen schönen guten Abend, lieber Herr Isegrim. Es ging durch alle Kanäle, jeder Podcast hat darüber berichtet, es gab Facebook-Initiativen und MeToo-Debatten: Ihnen werden Übergriffigkeiten, Antiveganismus und Alkoholismus vorgeworfen. Hier wollen wir Ihr Narrativ zu Geschehenem hören. Sie sehen sich selbst als Opfer?

Isegrim: Liebe Frau Maischberger, seit diese unsägliche Kampagne läuft, habe ich schlimme Magenschmerzen, die Wunde an meinem Bauch will nicht mehr heilen. Während dieser verwirrten Seniorin und ihrer Antifa-Enkeltochter kein Härchen gekrümmt wurde, kam es bei mir zu posttraumatischen Störungen und Morbus Crohn. Ich will hier niemandem die Schuld zuweisen, (wischt sich eine Träne weg), diese arme alte Frau leidet an Demenz, das ist bedauerlich, und bei dem blutjungen Mädchen muss man es unter jugendlichem Leichtsinn einordnen. Aber sagen Sie selbst, hier gibt es doch eindeutig nur einen, der zu Schaden kam: Nämlich ich! (Wolf schnieft und zieht sich dabei Kreidestaub durch die Nase)

Ziege im Publikum (schreit): Der hat doch Kreide gefressen, der Lump! Meinen Kindern ist er auch auf den Leib gerückt! Treibt sein Unwesen in den Wäldern und verbreitet Angst und Schrecken!

Maischberger (zum Publikum gewandt): Wir wollen doch heute sachlich bleiben und wegen Ziegenmissbrauchs war Wolf Isegrim nie angeklagt, das können Sie nachlesen im Faktencheck.

Isegrim: Sie hören es selbst, da werden Tatsachen über den Haufen geworfen, Ziegen und Rotkappen in einen Topf geworfen. Erst haben sie die Hexen verjagt, jetzt werden wir durch den Wolf gedreht, äh, in die Mangel genommen. Wahr ist, dass ich in den Wäldern aufgewachsen bin, das war meine Heimat. Bevor ein roter Tsunami mit seiner altersschwachen Verwandtschaft über diese hereingebrochen ist. Von Integration keine Spur, wollen uns Indigenen ihre blutleere Vegan-Religion aufdrängen, unsere Kultur vernichten, Traditionen verbieten.

Und dann steht da plötzlich dieses … Mädchen, mitten im Sommer die Mütze tief ins Gesicht gezogen, fast vermummt, und hebt seinen Rock. Provokant, winkt mit einer Flasche Rotwein, wackelt mit dem Po und führt mich stracks in einen Hinterhalt. Das war geplant. Die wollte die Alte loswerden, hatte keinen Bock mehr auf Pflege. Erst die Großmutter vernichten und dann im zweiten Schritt den Wolf mit einer Kampagne. Das verlogene Stück …

Maischberger: Herr Isegrim, achten Sie bitte auf Ihre Wortwahl!

Isegrim: Verzeihen Sie bitte, aber die letzten Wochen waren so demütigend. Dabei war das ein abgekartetes Spiel mit der Geißenmutter, die ihrer Aufsichtspflicht bei ihren Kindern nicht nachkam und jetzt ihrer gerechten Strafe entgehen will.

Maischberger: Sie wollen also sagen, dass diese Vorfälle auf einer Verschwörung zweier Gruppen fremdterritorialen Ursprungs basieren?

Isegrim: Aber Hallo!

Maischberger: Lassen Sie uns heute aber bitte bei der Causa Rotkäppchen bleiben. Wenn ich Sie recht verstanden habe, hat das Rotkäppchen sie verführt?

Isegrim: So war es! Ich solle mich schon mal in ihrem Zuhause ins Bett legen, es käme nach. Und leckt sich dabei die Lippen, wissen Sie, so! (Er schleckt mit der Zunge um sein Maul.)

Maischberger: Jaja, ganz so plastisch brauchen wir es nicht. Bitte weiter!

Isegrim: Ich komm in die dunkle Stube und stürze mich aufs Bett. Ist da schon jemand drin! Ist das Rotkäppchen schon da?, denke ich überrascht, und dann mache ich genau das, was es von mir wollte. Ich vernasche es mit Haut und Haar. Hab danach aber so einen modrigen Geschmack im Mund …

Maischberger: Ein bisschen weniger Details, bitte!

Isegrim: Kaum bin ich fertig, geht die Tür auf, und da steht das Rotkäppchen höchstpersönlich. Jetzt erst erkenne ich mein Versehen. Denke, das wird dann halt ein flotter Mehrgenerationen-Dreier. Und da vernasch ich endlich wirklich das Rotkäppchen. Das war im vollen Einvernehmen, Frau Maischberger. Sagen Sie ehrlich, wenn Sie einen Wolf zu sich nach Hause einladen, dann wollen Sie das doch genauso wie ich, oder? (Schaut ihr tief in die Augen, aus seinem Maul läuft Sabber.)

Maischberger: Ich lade Sie nicht zu mir nach Hause ein!

Isegrim: War ja nur hypothetisch. (Bleckt die Zähne.)

Maischberger: Zurück zu Ihrer Erzählung bitte!

Isegrim: Den modrigen Geschmack spülte ich mit Wein runter, als just in dem Moment die Tür aufging und sich die Geißenmutter mit einer Schere auf mich stürzte.

Maischberger: Nicht der Jäger?

Isegrim: Die Geiß! Und ich frage jetzt auch mal das Publikum: Wo kommt nur all der Hass her?

(Plakate im Publikum erscheinen im Bild: Omas gegen Schakalartige! Nebendran: Bunt statt Grau! Auf der anderen Seite: Nur eine tote Rotkappe ist eine leckere Rotkappe! Und: Alle Zicken wollen f…)

Maischberger: Auch Ihre Gruppe tritt zunehmend radikal auf!

Isegrim: Was erwarten Sie? Einige meiner Kollegen können nur noch im Schafspelz unter die Leute, damit sie ungeschoren davonkommen, äh, dass ihnen kein Leid zugefügt wird. Das ist doch eine Täter-Opfer-Umkehr! Aber da kann man sich einen Wolf reden, es darf nichts mehr gesagt werden in diesem Land, wenn man nicht mit den Wölfen heult, äh, das sagt, was im Rotlichtmilieu und in der Ziegenpresse geplappert wird.

Maischberger: Hinkt der Vergleich jetzt nicht ein bisschen? Es gibt eindeutig mehr Übergriffe von Wölfen auf andere Zielobjekte.

Isegrim: Das sind doch alles nur Zahlen ohne Kontext, keiner sieht das Wolfsleid dahinter! Der Wolf ist einsam!

(Ein Heulen geht durch die rechte Publikumsseite.)

Menge (auf der linken Seite): Tod dem Lupus, Rot im Recht!

Isegrim: (unbeeindruckt): Und seit die Roten mit ihren kranken Ideologien im Rudel über uns herfallen, ist die Natur kurz vor ihrem Untergang! Wir Wölfe stehen für Tierwohl und Umweltschutz!

Maischberger: Die Wölfe?

Isegrim: Natürlich! Denken Sie an die ganzen invasiven Arten: die kackende Nilgans, der räuberische Waschbär, das schwarze Einhorn! Wenn wir alle nur noch Kuchen essen, können einheimische Tierarten einpacken. Und wenn Sie den Ziegen auch noch die Kontrolle über Tierpopulationen überlassen, machen Sie den Bock zum Gärtner! Da beißt sich die Katze in den Schwanz, die Maus kein Faden ab und liegt der Hund begraben, das sind die Fakten.

Zwischenrufe aus dem Publikum: Fake News! Hunde sind auch nur Wölfe. Die Maus beißt nicht!

 (Das Heulen wird lauter. Das Meckern auch. Es bellt von rechts. Eine Katze wirft ihren Stiefel nach vorne.)

Maischberger: Hund, Katze, Maus? Äh? Was halten sie von den Vorschlägen der internationalen Rudel- und Herdenbildungen? Die Konferenz der Tiere, die in Nairobi getagt hat, wollte ein Treffen beider Parteien ermöglichen. Als Vermittler haben sie bei der Waldgeist-Innung nachgefragt.

Eine Ziege im Publikum (schreiend): Graufelle müssen weg! Kein Tier ist illegal! Tierschutz ist Grundgesetz!

Ein Wolf im Publikum (schreiend): Alle Invasiven müssen weggefressen werden! Heimatschutz ist Waldbürgerpflicht!

Ein Rotkäppchen im Publikum: Selbstschutz statt Lichterkette! Wo bleibt der Jäger?

Eine Großmutter springt nach vorne und wird zum Werwolf, Weinflaschen fliegen durchs Publikum, ein Bock stemmt seine Hörner in den Bauch eines Wolfes.

Isegrim: Ich bin zuversichtlich, dass wir bald einen friedlichen Weg mit Hilfe der Tierkonferenz finden. Wenn wir statt der Waldgeister sieben zarte Zwerge als Vermittler bekommen, sehe ich hoffnungsvoll in die Zukunft. Und das, liebe Frau Maischberger, bleibt unser Schlachtruf! (Bleckt die Zähne.)

Maischberger (lächelt in die Kamera.): Das klingt doch nach einer konstruktiven Lösung, ich fasse den Schlachtruf zusammen: Mit dem Zwerg zum Friedenswerk!

(Ein Froschkönig hüpft ins Bild mit einem Schild unterm Arm: Suche Prinzessin, biete klimafreundliches Sumpfgebiet, Froschlaichen statt Froschleichen!)

Herzlichen Dank für’s Kommen, Herr Wolf Isegrim und Ihnen, liebes Publikum, für’s Zuhören. Schalten Sie morgen wieder ein, wenn es heißt: Wegen Kurzhaarschnitt berufsunfähig? Rapunzel verlangt Bürgergeld.

(Schüsse fallen. Der Jäger ist da.)

(Jingle)

Niedergeschrieben von Ulrike Maier

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