Das Pferd aus Ebenholz

Es war einmal ein reicher und mächtiger König, der hatte drei schöne Töchter und einen recht attraktiven Sohn. Natürlich gingen am Hofe Kaufleute, Scharlatane und Gelehrte ein und aus, um dem König alles Mögliche anzudrehen. Einmal kamen sogar drei Gelehrte auf einmal. Der erste hatte einen mechanischen Pfau.

„Aha, und wozu soll so ein totes Ding in Form eines Pfaus gut sein?“, fragte der König gelangweilt.

„Oh, der ruft nach jeder vollen Stunde, sodass Ihr immer wisst, wie spät es ist.“

„Lass sehen, äh, hören.“ Der König saß mit seinem Großwesir und seinen Kindern den halben Tag lang um das Tier herum und zählte die Stunden und die Rufe des Pfaus. „Stimmt“, sagte er schließlich. „Was möchtest du dafür haben?“

„Eine deiner Töchter“, sagte der erste Gelehrte. Der König gab ihm die mittlere Tochter; sie war eben ein Sandwichkind, und die haben ja meistens eh das Nachsehen.

Der zweite Gelehrte brachte ein Horn mit, das selbstständig vor Eindringlingen warnte, wenn man es nur auf die Stadtmauer legte. Nachdem es der König ausprobiert hatte, sagte er wieder: „Stimmt“, und fragte: „Was willst du dafür?“

„Eine deiner Töchter“, sagte auch der zweite Gelehrte. Der König gab ihm die älteste der drei, die war ziemlich kurzsichtig und nahm daher keinen Anstoß an den vorstehenden Zähnen des Gelehrten, schätzte dafür aber seinen Geist.

Der dritte Gelehrte hatte ein Pferd aus Ebenholz. „Und was kann das?“, fragte der König. „Das bringt seinen Reiter dahin, wohin auch immer er will.“

„Wenn das wahr ist, will ich den aber trotzdem auf keinen Fall heiraten. Der ist alt und stinkt bis hierher aus dem Mund“, raunte die jüngste Königstochter ihrem Vater zu.

„Erst einmal abwarten“, erwiderte der und befahl: „Sohn steig mal auf!“

Kaum aber saß der Prinz auf dem Sattel, erhob sich das Pferd in die Luft. „Verdammt“, sagte der Königssohn, und wie komme ich jetzt wieder runter? Und wo fliege ich überhaupt hin?“ Da entdeckte er zuerst zwei Knöpfe am Hals des Pferdes, auf denen „höher“ und „runter“ stand, dann sah er unter sich ein hübsches kleines Schloss, auf dessen Dachterrasse eine wunderschöne Prinzessin mit Freundinnen saß und Kuchen aß.

Ja, man könnte jetzt Romane erzählen, aber, um es kurz zu machen: Die beiden verliebten sich Hals über Kopf ineinander und der Prinz hielt um die Hand der Prinzessin an. Deren Vater war zwar geneigt, dem jungen Mann sofort seine Tochter zu geben; das ging aber nicht so einfach, weil draußen vor den Toren des Schlosses bereits die Prinzen aller möglichen Königsreiche Schlange standen und Heldentaten und Geschenke versprachen.

„Was würdest du tun, um meine Tochter zur Frau zu bekommen?“, fragte der König daher.

„Ich würde mich auf mein Pferd schwingen und gegen Euer gesamtes Heer kämpfen“.

„Wo ist denn dein Pferd?“

„Oh, das steht noch oben auf der Dachterrasse.“

„Dann mach mal“, sagte der König und hielt sich den Bauch vor Lachen.

Am nächsten Tag ließ er sein Heer antreten. Der Prinz brachte das Holzpferd vor das Schlosstor, und während sich sämtliche Prinzen und Soldaten noch vor Lachen krümmten, stieg er auf und entschwand in die Luft. Er überflog die Dachterrasse, auf der die schöne Prinzessin schon wartete, und entschwand mit seinem Schatz Richtung väterliches Schloss.

Dort wurde eben der Gelehrte aus dem Kerker entlassen, in den man ihn bereits in der ersten Nacht geworfen hatte, weil der Prinz zwar aufgeflogen, aber nicht heimgekehrt war. Dass der Alte nicht geköpft, sondern einfach nur verjagt wurde, hatte er der jüngsten Königstochter zu verdanken, die ein gutes Wort für ihn eingelegt hatte: „Da ich ihn ja so oder so nicht heiraten muss, schenk ihm stattdessen wenigsten die Freiheit, denn geflogen ist das Pferd ja.“

Ohne es zu wollen, richtete sie damit allerdings einen ziemlichen Schaden an den Herzen des jungen Paares an. Als der Gelehrte sich nämlich durch den Schlosspark davonschlich, entdeckte er sein Ebenholzpferd, angebunden an einen Holzpfahl. Auf dem Pferd saß die schöne Prinzessin und wartete darauf, dass der Prinz seinem Vater von der Verlobung erzählt haben würde und sie holen käme.

„Ich soll Euch zum König bringen“, sagte der verschlagene Gelehrte, band das Pferd los und schwang sich hinter das Mädchen auf den Sattel.

Es ist ein Vorurteil, dass hübsche Prinzessinnen dumm sind. Zwar hatte auch diese geschrien und gezappelt, bis sie die Taktik änderte und versprach, den Gelehrten zu heiraten, wenn er nur eine kurze Pause machen würde, sie müsse mal „für Prinzessinnen“. (Diese kleine Schwindelei sei ihr verziehen, schließlich hatte der Alte ja auch dreist gelogen!) Kaum waren sie auf einer Waldlichtung gelandet, wollte die Prinzessin weglaufen, der Alte versuchte auch zu rennen, schlug dabei lang hin, bekam aber noch einen Fuß der Fliehenden zu fassen, sodass auch sie hinfiel. So rangen die beiden eine Weile miteinander.

Das sah ein junger König aus wieder einem anderen Königsreich (ja, der Adel ist kompliziert!), dem die Szene verdächtig vorkam.  Die Schönheit der Prinzessin entging ihm natürlich nicht.

„Seid ihr miteinander verwandt?“, fragte er, „und wenn ja, wie?“

„Das seht Ihr doch“, keuchte der Alte. „So störrisch kann ja wohl nur ein Eheweib sein.“

„Von wegen!“, schrie die Prinzessin und trat heftig auf den Fuß ihres Entführers. „Als würde ich ein solches Scheusal heiraten, als würde mein Vater das erlauben!“

Der junge König glaubte ihr aufs Wort. Und so gelangte die Prinzessin in ein weiteres Schloss, der Alte aber in den nächsten Kerker. Selbstverständlich war der junge König nicht durch und durch selbstlos, sondern ebenfalls hoffnungslos verliebt. Die Prinzessin aber wurde krank und kränker, und kein Arzt wusste Rat.

Im Schloss des reichen und mächtigen Königs aber wurde auch der junge Prinz sehr krank. Seine jüngste Schwester umsorgte ihn und schickte Spione aus, die schließlich die Kunde brachten, wo der größte Schatz des Prinzen zu finden sei. Da aß der Prinz brav die Suppe, die seine Schwester ihm zuvor vergebens versucht hatte einzuflößen, und bald sogar Braten, sodass er wieder zu Kräften kam.

Er reiste in das Reich des jungen Königs und wurde an dessen Hof vorstellig, indem er sich als Arzt ausgab. Man brachte ihn in das Gemach der Prinzessin, deren Augen aufleuchteten, als sie den Geliebten erblickten.

„Lasst uns allein, damit ich die Patientin gründlich untersuchen kann“, sagte er. Die beiden ließen sich Zeit für die Untersuchung, es heißt, die Prinzessin habe das eine oder andere Mal schwer geseufzt. Schließlich kam der Prinz aus dem Gemach heraus. „Bitte bringt uns dorthin, wo Ihr die Prinzessin gefunden habt, und am besten auch dahin, wo dieses merkwürdige Pferd stehen soll, von dem die Prinzessin gesprochen hat, vielleicht finde ich dort die richtige Kur für diesen Fall.“

Der junge König veranlasste sofort, dass der vermeintliche Arzt mit seiner Patientin zu der Waldlichtung gebracht wurde. Tatsächlich stand das Pferd aus Ebenholz noch dort. Ein bisschen hatte es zwar von seinem Lack eingebüßt, aber als der Prinz und die Prinzessin sich darauf schwangen, erhob es sich sofort in die Luft und trug die beiden zu den Stallungen des reichen und mächtigen Königs, wo der Prinz es gleich mit einer Axt in tausend Holzstücke zerschlug.

Die Eltern der Prinzessin wurden eingeladen, und es wurde eine große Hochzeit gefeiert.

„Und für dich, kleine Schwester, finden wir bestimmt auch noch den Richtigen“, sagte der glückliche Prinz.

„Ach, lass mal“, erwiderte die.

Wohl nicht nur von Schahrasad, erzählt, sondern sowohl indisches als auch russisches Volksmärchen, nun nacherzählt von Paula Lankow.

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