Das stille Haus – Joans Beitrag

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Sie kennen das sicher auch: Wieder und wieder kommen Sie an einem Haus vorbei, das Ihnen auffällt, weil es irgendwie anders ist, als die Häuser rundum. Sie wissen nicht, wer darin wohnt. Falls sie die Bewohner sehen, kennen Sie sie nicht. Wenn anfangs eher interessierte Gleichgültigkeit herrscht, so kommen doch nach und nach Gedanken und auch, wenn Sie es nicht gleich zugeben wollen – Sie würden das Haus gern einmal von innen sehen, doch heute wagt sich erst einmal Joan hinein:

Drinnen ist es stickig, riecht nach alter Luft und Staub. Spinnweben hängen von der Decke, Spinnweben überziehen die Möbel. Seltsam vertraut kommt ihr alles vor, so als wäre sie schon einmal dort gewesen. Nicht nur einmal, viele Male, doch damals war das Haus sauber, glänzend, prächtig fast.

„Ist hier jemand?“, ruft sie, doch statt einer Antwort ertönt nur ein leises Fauchen. Ein Zischen wie von einem fast leeren Feuerzeug. Sie blickt sich um und da sieht sie ihn. Zwischen Schalen voll eingeschrumpeltem, braun gewordenen Obst sitzt er. Ein winziger Drache, kaum größer als ein Fingerhut. Auch an ihn glaubt sie sich zu erinnern, eine Gedichtzeile kommt ihr in den Sinn: „Die Götter, sie zürnten den törichten Wichten und schickten den Drachen, die Stadt zu vernichten.“

Die goldene Stadt über dem Wasser, verflucht von den Göttern für ihre Eitelkeit, nach tausend Abenteuern befreit von Raluf, dem Seefahrer, Alric, dem Krieger und … und noch einem, dessen Namen sie nicht mehr weiß. Ein Nomade war’s. Der hat ständig gefroren und wenn ihr Bruder ihr nachts im Bett von ihm erzählte, dann klagte der Nomade gern, wie kalt es sei. Dieses Lamento wurde in Peters Stimme vorgetragen, denn Peter fror auch ständig. Peter war ein Nachbarsjunge, aber eigentlich immer bei ihrer Familie – das war ebenso.

„Hey“, reißt ein dünnes Stimmchen sie aus ihren Gedanken. Da steht plötzlich ein winziges Männchen neben dem Drachen. Ein bisschen größer als der Drache ist es, vielleicht so hoch wie eine Kaffeetasse. Das Männchen trägt die feldgraue Kadettenuniform der Tiger Force Starship Alliance und diesmal gibt es keinen Zweifel. Dieses glänzende, dieses goldblonde Haar, das erkennt sie sofort: „Christopher Flannagen!“, ruft sie aus und gleich darauf begeistert: „Und Yang Takahara, du alter Chaot, du bist auch da!“

Yang Takahara, Colt gerufen, der vom Tod der Eltern getriebene Sternenpilot, erster Absolvent der Starship Alliance, einst bester Freund des blonden Christopher, dann sein erbitterter Feind. Warum, das weiß Joan nicht mehr. Das ist zu lange her.

„Was macht ihr denn hier?“, fragt sie und nun sieht sie auch die Anderen. Kleine Blume, die Elfenkönigin, den namenlosen Krieger mit der Botschaft für den König, Neon Samurai, der magere Held so vieler Abenteuer, der Kaiser mit dem Zauberschwert. Sie alle sind hier, noch genau so lebendig wie einst, nur ungleich kleiner und teilweise ein wenig angestaubt.

„Das sollten wir eher dich fragen“, faucht ein magerer Blondschopf und Joan glaubt sich zu erinnern, das dies Jakob war. Der Jakob, der dem namenlosen Krieger, die Botschaft abnehmen will, aus Rachsucht und Eitelkeit. Der war schon immer etwas patzig. „Nach all den Jahren, bequemt sich die feine Dame mal hier her und dann fragt sie auch noch dumm!“

„Besonders schlau war sie ja noch nie!“, assistiert Alric, der Krieger. „Ich weiß noch, wie lang sie gebraucht hat, um das Rätselschloss bei den Nebelbergen zu knacken. Bis zur Brust im Schnee standen wir und die kleine Ziege lag gemütlich in ihrem Stockbett und kam nicht auf die Lösung.“

„Es war sehr kalt!“, ruft Peters Stimme dazwischen.

„Ich war acht und außerdem haben sich mein Bruder und Peter nicht einigen können, wie es genau ging“, verteidigt sich Joan „Das war ziemlich kniffelig, für eine Achtjährige.“

„Schau, jetzt findet sie schon wieder Ausflüchte!“ Jakob funkelt sie böse an. „Aber ich werde dir sagen, was wir sind: Wir sind die Helden deiner Kindheit. Du hast uns erschaffen! Nacht für Nacht haben wir für dich Abenteuer bestanden, Nacht für Nacht haben wir dir die Zeit vertrieben und wie hast du es uns gedankt?“

„Vergessen hat sie uns!“

„Erwachsen geworden ist sie!“

„Andere Figuren hat sie erfunden!“

„Vergessen hat sie uns!“

„Ich hab oft so für sie gefroren und sie weiß nicht mal mehr meinen Namen!“„Nicht mehr an uns gedacht hat sie!“

„Schau nur, wie wir geschrumpft sind! Durch dein Vergessen!“

„Ohje, das tut mir leid“, seufzt Joan schuldbewusst, doch dann lächelt sie: „Wisst ihr was, ich werde wiederkommen, aber nicht allein. Ich habe einen Sohn, den bringe ich mit. Jetzt ist er noch zu klein, doch in ein paar Jahren, da wird er sich in euch verlieben, wie ich es getan habe. Und mit ihm werden wir all die Abenteuer noch einmal erleben oder auch andere, Neue?“

Jubel brandet auf, Applaus, erleichtertes Jauchzen und die eine wohlvertraute Stimme fleht: „Das mit den Abenteuern ist ja schön, aber denk dir doch für mich endlich einen dicken Mantel aus? Bitte!“

Joan Weng

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Ein Gedanke zu „Das stille Haus – Joans Beitrag“

  1. Guten Morgen Joan,das stille Haus wird sich wieder füllen. Nix mehr Ruhe. Dein Sohn wird schon für das neue Leben der kleinen Typen sorgen. Wie er,werden sie wachsen, wachsen und schließlich wieder kleiner werden. Dann dauert es wieder eine Zeit, schon geht es von vorne los. Ganz sicher auch mit neuen, anderen Typen.

    Liebe Joan, sicher würden sicher mehr Leute hier einen Kommentar schreiben. Bevor jemand hier etwas schreiben möchte, muss er erst einmal die Anmeldehürde überspringen. Mit Hilfe von Horst-Dieter habe ich das letztlich damals geschafft.

    Hier ein Tipp an alle zukünftige Kommentatoren:
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    einen schönen Sonntag wünsche ich allen LeserInnen, ein stilles Haus gibt es bei fast jedem Sonntagsspaziergang zu sehen

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