Das verdammte Abgabedatum oder Leben und seine Tücken

Ich weiß, mich werden jetzt alle Jungautoren hassen, aber die schönste Zeit, um Bücher zu schreiben, ist die Zeit vor dem ersten Verlagsvertrag.

Natürlich ist das auch eine schwierige Zeit, ist ja nicht so, als ob ich mich nicht daran erinnern würde. Man schreibt ja quasi ins Blaue hinein, hofft, kämpft, seufzt, träumt. Das wird das beste Buch EVER. Wie wird es sein, wenn Denis Scheck es bespricht? Keiner wird es lesen – die Bandbreite der Gefühle ist groß.

Sie ist auch noch groß, wenn man tatsächlich einen Verlagsvertrag ergattert hat und das Buch veröffentlicht wird (aber nicht auf der Bestsellerliste landet). Man hat ja Amazon und das novel ranking – man wird zum eigenen Stalker. Erst stündlich, dann täglich, schaut man nach den Verkaufszahlen und nach den Rezensionen. Das ist Stress pur. Man googelt den Titel wieder und wieder.

Das ist Stress.

Aber das ist gar nichts gegen ein Abgabedatum. Glauben Sie es mir – wenn man ein Buch zu einem bestimmten Datum fertig haben MUSS, dann wird es stressig, denn dann setzen Murphy und seine Gesetze ein.

Bei mir war das jetzt so – ich unterschreibe einen Vertrag, mit einem leisen Grinsen im Gesicht, denn das Abgabedatum schaffe ich LOCKER. Hätte ich auch, wenn nicht …

Und dieses wenn nicht ist leider harte Realität, die mir zwischen die Beine grätscht. Nein, ich erlaube mir keine Schwalben, ich werde vom Leben gefoult. Und dann liege ich da mit einer Art schreiberischen Meniskusabriss und staune, was das leben mit einem macht, wenn man doch eigentlich andere Pläne hatte.

Ich wollte ein Buch schreiben. Das Konzept stand, der Plot, das Expose, die Leseprobe, alles super. Ich hatte schon hundert Seiten – in dem Tempo und ohne große Störungen schaffe ich das bis zum Abgabedatum – ach was, schon zwei Wochen vorher. Staunen würde meine Lektorin. Begeistert würde sie sein. Sie würde mich beklatschen und ich mich auch.

So hatte ich es mir gedacht, aber dann schlug – BÄMMM – das Schicksal zu. Und ich schnitt mir einen Finger ab. Sechs Wochen Schreibpause, zwangsweise. Das war schrecklich, es war fürchterlich. Was würde aus meinem Buch werden? Ich konnte nie und nimmer nicht das Abgabedatum einhalten. Habe ich auch nicht. Mein Verlag hatte Erbarmen, ich musste noch nicht einmal Fotos vom Finger schicken (hab ich trotzdem – warum soll nur ich leiden?).

In den letzten Wochen habe ich mich sehnsüchtig an die Zeit erinnert, als ich noch keinen Verlagsvertrag, keine Abgabedaten hatte. Wie schön war das. Ich konnte so schnell oder langsam schreiben, wie ich wollte oder konnte. Ich konnte recherchieren ohne Ende. Ich hatte alle Zeit der Welt. Natürlich gab es den innerlichen Druck, die Frage: Kauft das jemand? Will das überhaupt jemand lesen?

Den Druck habe ich nicht mehr. Meine Leser warten auf das Buch, das nun im Juni und nicht im Mai erscheint, wie angekündigt. Ich hoffe, sie haben Verständnis dafür und lieben es trotzdem.

Viele Gedanken darüber kann ich mir aber nicht machen, denn durch die Verzögerung bin ich auch mit dem nächsten Buch schon wieder spät dran. Noch kann ich es schaffen, wenn ich Gas gebe, noch kann ich den Abgabetermin einhalten. Murphy soll sich diesmal bitte zurückhalten.

In diesem Sinne wünsche ich allen ein entspanntes Schreiben und Lesen.

 Ihre Ulrike Renk

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