von Birgit Gürtler
Ich weiß noch, wie ein süffisantes Lächeln die Lippen meiner Freundin kräuselte. Schließlich die Aussage: Birgit, du bist nicht up to date. Du könntest so viel mehr Leser erreichen. Die Jüngeren, die heutzutage auf TikTok zu finden sind.
Man muss nicht überall präsent sein, gab ich schmollend zur Antwort. Ich habe doch schon Facebook und Instagram!
Innerlich ärgerte ich mich. Hatte sie recht? Entging mir etwas? Und dieses unverschämte Grinsen, als zähle ich plötzlich zum alten Eisen.
Ich wette, Du bekommst innerhalb kürzester Zeit jede Menge Likes, wenn Du dort ein Video hochlädst.
Ein Video? Ich verdrehe die Augen. Sie muss doch wissen, dass ich Schriftstellerin bin und keine Schauspielerin.
Ich ließ mich schließlich auf eine Wette ein. Ich drehe ein Video, in dem ich meinen letzten Thriller Teufelsmeer vorstelle. Sollte ich die hundert Likes bekommen, zahle ich die Tickets für ein Sinfoniekonzert im Wiesbadener Kurhaus inklusive Essen davor. Sollte das alles nichts bringen, dann muss sie in die Tasche greifen.
Mit wenigen Klicks habe ich ein Konto bei TikTok eingerichtet. Viele Kollegen und Kolleginnen entdeckte ich dort, mit denen ich mich gleich vernetzte und schließlich habe ich mir Gedanken gemacht, was ich denn genau erzählen möchte.
Einfach nur das Buch vorstellen? Wäre das nicht zu langweilig? Ein Video einer Schriftstellerin, von denen es wahrscheinlich hunderte andere existierten?
Ich nahm mir vor, einfach das zu erzählen, was vorgefallen war. Man beschuldigte mich, nicht up to date zu sein!
Aus einer meiner Schubladen wühlte ich schließlich die Selfiestange heraus, befestigte das Smartphone daran und richtete noch mal die Haare.
Da saßen wir nun, das Smartphone und ich. Was ich erzählen wollte, lag bereits auf meinen Lippen, doch nun wurde ich doch etwas nervös. Was, wenn ich mich total blamieren würde? Irgendwie schräg rüberkam! Dann musste ich über meine albernen Befürchtungen grinsen, atmete tief durch und drückte die kleine Fernbedienung der Selfiestange. Los ging’s.
Der dritte Versuch erschien mir bereits sendetauglich.
Ich muss gestehen, ich war nun wirklich neugierig und eine innere Nervosität hüllte mich ein. Sollte man auf diesem Kanal wirklich eine derart hohe Reichweite haben?
Die Ernüchterung war groß. Die Ausbeute lag bei einer Handvoll Likes, gesehen hatten es laut Anzeige auf meinem Profil wohl knapp 800 User, doch denen war meine Vorstellung nicht einmal ein Klick auf das Herzchen wert. An den Verkaufszahlen konnte ich auch keinen Ausschlag nach oben beobachten.
Das Schöne an der Sache war eine interessante Erfahrung, ein tolles Konzert mit den Stücken von Mozart und Mendelssohn und ein leckeres Essen auf Kosten meiner Freundin.
Ihre Birgit Gürtler