Der Traum von der Schreibraumwohnung oder Schreibort: Suchend

Ich hätte gerne eine Schreibraumwohnung, einen Ort zum Schreiben, der nicht zwingend ein Arbeitszimmer in unserem Haus sein muss.

Ein Arbeitszimmer habe ich. Es ist in diesem Haus das fünfte oder so. Unser Haus ist so ein älteres Siedlungshäuschen – viele kleine, verwinkelte Zimmer, keine Wand ist wirklich gerade, und eine Murmel, die man auf den Boden legt, rollt – in irgendeine Ecke, meistens unter einen Schrank.

Zuerst hatte ich nur einen Schreibplatz im Arbeitszimmer meines Lebensgefährten, das sich im Souterrain unseres Hauses befindet. Trotz zweier Fenster war der Raum dunkel. Das machte aber eigentlich nichts, ich kam damals eh nur abends zum Schreiben – wenn er die zahlreichen Kinder hütete und ich mir die eine oder andere Stunde stahl. Ich hatte einen Platz an seinem Schreibtisch, durfte seinen Computer mitbenutzen, hatte dort meine eigenen Dateien. Aber so wirklich meins war davon nichts. Ich habe alles versucht – ein Bildchen aufhängen, Kerzen (ich bin bekennende Pyromantikerin), Blümchen. Kerzen in dem Kellerzimmer schufen eine Höhlenatmosphäre, die eher an Gruften erinnerte, als heimelig zu sein. Die Bilder hingen an der einzig freien Wand – hinter mir.

Topfpflanzen vermissten die Sonneneinstrahlung, die trotz der Fenster nicht gegeben ist – vor dem Raum liegt die überdachte Terrasse, Licht fällt nicht ein. Außerdem kam ich nicht regelmäßig zum Schreiben, denn meine Kinder waren noch klein und schrieen mit Vorliebe dann, wenn ich mich auf DAS Kapitel stürzen wollte, das den Kern des Buches ausmachen würde.

In dem Arbeitszimmer habe ich zwei Bücher geschrieben. Sie landeten in der Tonne.

So ging das ja nicht – ich brauchte einen anderen Schreibplatz. Ich wollte doch Autorin werden, so wirklich richtig.

Mein nächstes Arbeitszimmer war eine Etage darüber – es war bloß kein „Zimmer“, sondern eine Kammer. Eigentlich eine Durchgangskammer – man gelangte in das winzige Bad, wenn man sich rechts hielt, oder auf die Terrasse, wenn man links ging. Es war eine Art Sackgasse, verlorener Raum, klein, aber hell – zwei Fenster und eine Terrassentür. In der Ecke zwischen den Fenstern baute ich meinen Schreibtisch auf. Ich bekam einen eigenen Computer, ich hängte eine Pinnwand auf und schmückte sie mit netten Postkarten und Bildern, die die Brut mir malte.

Auch Pflanzen überlebten länger. Meistens. Ich vergesse schon mal gerne, dass man Zimmerpflanzen gießen muss …

In dieser eher offenen Kammer sind meine ersten veröffentlichten Bücher entstanden.

Aber eine Tür – die ist sooooo wichtig. Habe ich gedacht. Damals. Als ich noch nicht wusste, dass auch Türen Kinder nicht aufhalten können.

Das nächste Arbeitszimmer war dann wieder unten im Souterrain – da gab es noch einen hellen Raum – zwei Fenster mit Blick in den Garten und nicht auf die überdachte Terrasse. Wir zogen einen isolierten Holzboden ein, verkleideten die Wände, bauten einen GROSSEN Schreibtisch und Regale. Heizung gab es dort auch und die Tür in den Garten. Perfekt.

Dort entstanden etliche Bücher. Eine Pinnwand mit schönen Postkarten gab es, auf die Zimmerpflanzen verzichte ich seit geraumer Zeit. Ich hatte einen Ohrensessel, der mit blauem Samt bezogen war, ein Tischchen und Leselampe und Bücher, viele Bücher. Meinen Computer. Ein eigenes Telefon … und eben diesen Blick in den Garten.

Leider kam es zu einem Wasserschaden aus dem Bad, dass über mir und neben der Durchgangsschreibsackgasse lag. Rohrbruch – alles nass. Und feucht. Und überhaupt. Dort mochte ich nicht mehr schreiben.

Das Bad war auch hin – also machten wir es neu und in diesem Zug schlugen wir die Sackgassenkammer hinzu und vergrößerten es. Wo ich also meine ersten veröffentlichten Bücher geschrieben habe, steht nun eine Eckbadewanne. Auch schön. Schreiben kann man da nicht mehr.

Eine Etage darüber gibt es noch ein winziges Bad. Und noch eine Art Durchgangszimmersackgasse. Quasi wie unten, nur dass es nur ein Fenster gibt, der Raum noch kleiner ist und weder Balkon noch Terrasse schnell zu erreichen sind. Vom Fenster aus sieht man auf die Wand des Nachbarhauses. Wenn ich mich ein wenig nach links bewege, kann ich auch auf deren Balkon sehen – bunte Lichterketten, bunte Blumenkübel, rosa, lila, gelb, orange … nicht so ganz mein Stil.

Das Kämmerlein hat eine Tür. Die nutzt aber nichts, die Kinder können inzwischen jede Tür öffnen. Der Hund auch. Außerdem ist hier das kleine Bad – wo man mal eben schnell … die Details erspare ich dem geneigten Leser. In diesem Kämmerlein habe ich die jüngsten zehn Bücher geschrieben. Aber so wirklich schön ist es hier nicht.

Im Garten steht ein Schuppen. Ein oller Schuppen, gefüllt mit Krempel – Fahrrädern, Fahrradzubehör, Gartenkrempel, Holz, Werkzeug, Krempel, Holz, noch mehr Krempel, eine Brunnenpumpe und so weiter.

Wenn man das alles mal aufräumen würde – dazu müsste man sicherlich einen weiteren Schuppen bauen, in den man all den Krempel räumen könnte – und dann das Tor durch eine große Glastür ersetzen, einen isolierten Holzboden einziehen, einen gusseisernen Ofen einbauen, die Wände und das Dach dämmen würde, das Fenster erneuern würde, dann wäre das das perfekte Schreibhäuschen. Ich wäre quasi „außerhalb“ – aber doch nahe dabei, es gäbe kein Durchgangsklo, die Brut würde sich zweimal überlegen, ob sie wegen dummer Fragen zu mir kämen, bei schlechtem Wetter gar nicht …

Ideal und perfekt – leider zu teuer, um es umzusetzen.

Aber irgendwas muss ich an meinem Schreibumfeld ändern. Schön ist es nicht, aufgeräumt auch nicht – weil es zu wenig Platz bietet und das ganze Recherchematerial sich stapelt. Gemütlich – dass ich nicht lache.

Außerdem müsste das winzige Bad neu gemacht werden und zwar dringend. Da würde es sich anbieten, den quasi toten Raum, die Schreibsackgasse, mit einzubeziehen. Eine weitere Badewanne einzubauen …

Es gibt immer noch das Zimmer unten im Souterrain. Inzwischen ist es trocken. Leider auch voller Krempel. Weniger als im Schuppen. Ich schätze, ich werde wieder umziehen. Dorthin.

Oder unters Dach.

Mein Kind Nummer drei macht nämlich gerade Abitur, da wird demnächst ein Zimmer frei. Das freiwerdende Zimmer hat der jüngste Spross schon für seinen künftigen Gebrauch angemeldet. Aber er zieht ja dann um – und in dem Kinderzimmer vom Jüngsten hatte ich noch kein Arbeitszimmer. Unterm Dach schon, aber nur für kurze Zeit. Weil wir ständig umräumen und umziehen – nur innerhalb des Haus, das reicht auch schon. In einem Altbau kann man quasi aus jedem Raum alles machen – Leitungen lassen sich in Holzdecken echt einfach ziehen. Das aktuelle Wohnzimmer war schon einmal Schlafzimmer, Arbeitszimmer, Kinderzimmer, Rumpelkammer und jetzt wieder Wohnzimmer – nur als Beispiel.

Mein perfektes Schreibzimmer habe ich jedenfalls noch nicht gefunden. Aber vielleicht bald?

Jetzt muss ich aber erst einmal ein Buch zu Ende schreiben, der Verlag wartet schon. Ich finde bloß das Recherchematerial nicht … ob es noch im Keller ist? Oder unterm Dach?

Suchende Grüße

Ihre Ulrike Renk

 

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