Dichter und der Tod – Folge 1

An den Tod

Wenns mir einst im Herzen modert,
Wenn der Dichtkunst kühne Flammen
Und der Liebe Brand verlodert,
Tod, dann brich den Leib zusammen!

Brich ihn schnell, nicht langsam wühle,
deinen Sänger laß entschweben,
Düngen nicht das Feld dem Leben
Mit der Asche der Gefühle.

Nikolaus Lenau (1802–1850)

Sein richtiger Name war Nikolaus Franz Niembsch, und seit 1820 durfte er sich Edler von Strehlenau nennen. Er wurde 1802 im Königreich Ungarn geboren, entstammte einer verarmten Beamtenfamilie, konnte aber Dank eines vermögenden Großvaters studieren. Für einen Beruf konnte er sich nicht entscheiden, viel lieber dichtete er, was ihm eine Erbschaft auch ermöglichte. Nach dem Tod der Mutter im Jahr 1829 versank er in Schwermut, heute würde man wohl sagen: in Depressionen. Diese „Melancholie“ mündete aber in eine fruchtbare Schaffensphase ab etwa 1832. Mit dem Ziel, Land zu kaufen und Pächter für sich arbeiten zu lassen, schiffte er sich im Juli 1832 nach Amerika ein. In Ohio kaufte er sich tatsächlich 400 Morgen Land, kümmerte sich aber nur widerwillig darum. Enttäuscht vom amerikanischen Materialismus kehrte er 1833 nach Europa zurück.

1844 begann Lenau mit der Niederschrift seines „Don Juan“, den er nicht mehr fertigstellen konnte. Im selben Jahr verfiel er nach einem Schlaganfall in zunehmende geistige Umnachtung, wurde im Oktober 1844 in die Nervenheilanstalt Winnenthal bei Stuttgart eingeliefert, im Mai 1847 in die Pflegestätte des Dr. Görgen in Oberdöbling bei Wien verlegt. Drei Jahre musste er dort auf seinen Tod warten. Bedauerlicherweise hat der Tod also dieses 1836 geschriebene Gedicht nicht gekannt oder keine Rücksicht auf diese Bitte genommen.

Ein zu später Rat an Nikolaus Lenau

Er hört nicht hin, ist taub
oder will nicht wissen,
deinen Wunsch, bitte glaub’
mir, er kommt dich küssen

wann es ihm passt, und nur
wenn Zeit ist, dich zu schneiden.
Mein Rat: Leb’ einfach stur
als Bess’rer von beiden.

Ihr

Horst-Dieter Radke

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