Die allzu früh Gegangenen: Lisa Baumfeld

Bereits im Alter von zwölf Jahren begann sie zu dichten, mit 18 erschienen in Wiener Zeitschriften erste Gedichte von Lisa Baumfeld, die sich aber hinter den Pseudonymen Ewald Bergen und Lizzy verbarg. Kritiker lobten die Schönheit und Formvollendung ihrer Sprache, ihr ungewöhnliches poetisches Talent, allerdings wurden ihre Gedichte auch als kompliziert und zu wenig anschaulich mit den Werken Hofmannsthals verglichen und abgelehnt.

Sie wurde am 27. April 1877 als Tochter eines Bankdirektors geboren, lebte also in begüterten Verhältnissen und genoss eine gute Erziehung, die ihr außergewöhnliches Talent in philologischen Fächern zeigte. Sie lernte Englisch und Französisch mit einer seltenen Vollkommenheit und begann aus eigenem Antrieb zu dichten.

Natürlich ist es die Liebe, mit der sie sich vor allem dichterisch befasst: die Freuden, aber auch das Leid und den Kummer, den sie bringt:

Bitte

Du stiller, blauer Alpensee

Schenk‘ mir von deinem Frieden,

Ertränke du mein altes Weh,

Erfrisch‘ den Geist, den müden!

 

Ich möchte die Libelle sein,

Die schwebend auf dir ruht,

Ich möchte eine Welle sein

Aus deiner klaren Flut!

 

Sieh‘ mir ins blasse Angesicht –

Erfüll‘, was ich begehrt!

Sag‘ an, löscht all‘ dein Wasser nicht

Die Glut, die mich verzehrt? …

 

Zu viel Klage, Liebeskummer? Baumfeld konnte auch anders:

Frühling 

In der Luft, der frühlingsfeuchten,

Blitzt ein jähes, blondes Leuchten.

Lichte Strahlen rieseln nieder,

Singend haucht der schwere Flieder

Meine Träume aus, die alten duftigen Träume …

 

Durch die Zweige wühlt ein Sausen,

Gottberauschtes, wirres Brausen …

Durch den Himmel hör‘ ich’s rasen,

Und in freudigen Ekstasen

Flammen Kelche empor, viel trunk’ne, sonnige Kelche …

 

Doch auf den hellen Frühling mit all seinen Wünschen und Verheißungen folgte der Sommer, schwer und drückend, voll bebender Liebesschwüre, aber nicht selten auch befrachtet mit enttäuschten Hoffnungen und nicht eingelösten Liebesversprechen:

Sommer

Nun flammt in gold’nen Fluten

Der trunk’ne Sommer durch die Luft,

Der Erde heisse, liebeswilde Gluten

Entbrennen hell in rothem Rosenduft …

 

Nun weint in Nächten, lauen, fahlen,

Sehnsücht’ger Mond in bangem Zittergrase,

Nun ist die Zeit der tiefen, grossen Qualen,

Der hohen, schmerzlich wonnigen Ekstase …

 

Nun ist die Zeit – wann kommst du wieder?

Wo sonst ein Sang mir durch die Seele schauert,

Wo man aus Blumenkelchen Lieder

Und Klänge schöpft, und gerne bebt und trauert …

 

Ich wollt‘, dass mich ein Weh durchgraute,

Dass eine Thräne mir im Herzen glüht‘,

Und dass, wie sonst, draus eine schmerzbethaute

Tiefdunkle, glutverwirrte Rose blüht …

 

In den Jahren 1895 und 1986 erscheinen einige ihrer Gedichte in den Zeitschriften Gesellschaft und in der Wiener Mode.

Auch sie setzt sich in ihren Versen mit der Sterblichkeit auseinander und kündete so fast prophetisch schon von ihrem Lebensende:

Lebensblut

… Ich aber will essen vom heiligen Leibe

Und saugen aus heiligem Becher das Blut,

– Woraus mir in rothen, erschütternden Dämpfen

Des Lebens Bedeutung entgegenflammt …

– An dessen Entglüh’n jener Nebel zerschmilzet,

Der Linien verwischt und uns Farben verlöscht,

Der Klänge erstickt und uns tödtet die Düfte,

Und alles so grau macht und matt und alltäglich,

Trostlos alltäglich …

 

                             Ich aber will saugen

Aus heiligem Kelche – des Lebens Bedeutung:

Dass festlich mir aufstrahlt die sonnige Höhe,

Dass heimlich die wissende Tiefe mir raunt,

Dass mich umbrause, in schwellenden Chören

Der hellentzündete Rhythmus der Farben, –

Die weichen Harpeggien verklingender Linien,

Und tausend verhuschende, wolkige Düfte,

Und all das Weite, das Räthselblaue …

 

Das stürzt so verwirrend mir über die Seele,

Das spannt ihr so straff all die zuckenden Fäden,

Das schwellt sie mit Leben – mit schwerem, genoss’nem –

Bis ihr alle Fasern so schmerzlich gefüllt sind,

Dass sie zerreissen … im Übermass …

 

O, seliger Tod! berauschet am Becher,

In dem das lebendige Leben glüht!

 

Im Februar 1897 verstirbt sie fast 20-jährig nach kurzer, schwerer Krankheit. 1900 erscheint eine Auswahl ihrer Gedichte posthum.

Ihre Gedichte kann man im Internet finden, zum Beispiel hier oder hier.

Eine Ausgabe ihrer Werke ist allerdings nur noch über gute Antiquariate erhältlich.

Ihr Wolf P. Schneiderheinze

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