Die Bügelgeschichte – oder erfinde eine Geschichte aus den Worten Drachen, Pirat und Käsefondue! Jetzt!

Ich gehöre zu den Menschen, die gerne bügeln – meine Oma sagt immer, wenn du deine Wäsche sauber bügelst, ist das Leben zwar nicht besser, aber wenigstens musst du keine knitterige Kleidung tragen. Da ist viel Wahres dran und außerdem macht es mir persönlich Spaß, einen unordentlichen Haufen in ein sauberes Stapelchen zu verwandeln.

Früher habe ich dabei gerne Geschichten gehört, aber inzwischen bin ich selbst zu einem wandelnden Hörbuch geworden, zumindest nach Meinung meines Ältesten. Ich habe ihn eigentlich gern als Gesellschaft – zumindest lieber als seinen kleinen Bruder, der meist erst die Wäsche überall verteilt, dann versucht das Bügeleisen auszustecken und abschließend die zusammengerollten Socken unter das Sofa kickt. Wenn da nur die Sache mit den Geschichten nicht wäre, da habe ich etwas angefangen …

Mein Sohn pflegt sehr genaue Vorstellungen von dem zu haben, was er sich während meiner Bügelarbeit zu Gemüte führen möchte. Dass er hinsichtlich der Protagonisten Vorlieben äußert, das verstehe ich noch, wir haben da auch keine große Auswahl. Die Stammbesetzung besteht aus dem schlimmen Jim – einem furchtbar feigen, furchtbar faulen Piraten, dem es dennoch immer wieder gelingt sich aus der Affäre zu ziehen – sowie dessen besten Freunden. Einmal gibt es da den

bösen Eiei, ein trotz des wahrlich furchtbaren Namens ganz lieber Ritter,. Und dann noch den Schattenfürst, ein Magier mit Vorliebe für Süßes und in Fett gebackenes. Er ist nämlich ein Skelett, der Schattenfürst, was ihn manchmal etwas bedrückt, aber zumindest die Frage nach der ungesunden Ernährung für ihn endgültig gelöst hat.

Anfangs hatte ich viel Freude daran, dieses Trio auf Schatzsuche oder in ein Geisterschloss zu schicken – die komplette Bügelwäsche des ersten Lockdowns beispielsweise verbrachten die drei mit der Rettung der leider weder schönen noch sanften, dafür sehr handfesten Kuchenfee Loulou.  Wochenlang jagten sie den diabolischen Tigerzauberer, lösten das Missverständnis zwischen dem See- und dem Feuerdrachen und befreiten im August sogar einen zum Werpudel verwandelten Ritter aus seiner gar scheußlichen Gestalt. Doch dann fiel mir nichts mehr ein.

Nichts half, keine Inspirationsküsse und auch nicht die beiden Zwerge Piff und Paff, die frischen Wind in die Welt bringen sollten. Ich hatte offen gestanden auch keine Lust mehr auf den ewig faulen Jim und den ständig neunmalklugen Eiei. Wie Conan Doyle fühlte ich mich, nur dass ich meine Helden nicht einmal in die Reichenbachfälle schubsen durfte, des zarten Alters meines Publikums wegen.

Und dann wurde die Sache richtig schwierig. Um mir zu helfen, begann mein Großer nämlich, mir Stichworte zu geben: „Wie wäre es mal mit einer Geschichte mit einem Drachenschatz, der unter einer dicken Schneedecke auf einem hohen Berg liegt und von einem Eisdrachen bewacht wird. Und Jim soll einen Schlitten haben, aber einen coolen, wie mein Cousin.*) Und vielleicht noch ein Gespenst?“

Lust oder keine, erfinden Sie mal aus dem Stegreif eine Geschichte um einen Piraten, einen Ritter, einen Magier, einen Eisdrachen, einen coolen Schlitten und ein optionales Gespenst. Und bis zum Cliffhanger darf es maximal 15 Minuten dauern, sonst geht die Wäsche vor der Erzählung zu Ende.

Ich habe ziemlich geflucht, mich aber ob der Beliebtheit meiner Idee schon auch ein bisschen geschmeichelt gefühlt und dann, dann habe ich gemerkt, was für eine gute Übung das für uns Autoren eigentlich ist. Natürlich ist das Ergebnis auch von der Qualität der Stichworte abhängig, aber ich merke, dass es mir von Mal zu Mal leichter fällt. Probieren Sie es ruhig einmal selbst aus, erfinden Sie eine Zeitlang regelmäßig eine kurze Geschichte zu drei oder vier Stichworten und Sie werden sehen, wie viel Spaß das macht. Ich glaube, es ist gut für die Kreativität. Und sollten Sie herausfinden, dass dem nicht so ist, dann lassen Sie mich in meinem seligen Wahn, ich habe nämlich gerade wieder einen Korb voll Wäsche auf die Leine gehängt.

Ihre

Joan Weng

*) Ich übertreibe nicht! Das ist heute Mittag wörtlich so gesagt worden!

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