Die Geschichte von dem kleinen Muck
Der Geschichte erster Teil,
nacherzählt von Monika Detering
Ich lebte in Nicea, und muss gestehen, dass ich mich, seitdem ich als sehr junger Mensch diesen kleinen Mann gesehen hatte, mich sehr über ihn lustig machte. Einmal hatte mich mein Vater bei meinem Spottgesang über ihn erwischt, und habe gedacht, jetzt er schlägt mich tot.
Der komische Mann hieß für uns alle der kleine Muck. Er muss schon damals recht alt gewesen sein, so viele Falten, wie er hatte. Ich konnte nicht begreifen, dass ein Mensch nur ungefähr vier Fuß hoch war, und alles an ihm war so zierlich, bis auf seinen Kopf, meine Güte, war dieser Kopf gewaltig. Er schien kaum Kontakt mit anderen Menschen zu haben, wohnte ganz für sich in einem Haus, und es wurde erzählt, dass er sogar für sich selbst kochte. Man stelle sich das vor. Ein Mann, der kocht! Ich hatte herausgefunden, dass er ungefähr alle vier Wochen ausging und damit wusste ich, dass er noch lebte. Und die anderen wussten es dann auch, weil ich es brühwarm allen erzählte. Und ich fand heraus, dass er am Abend auf dem Dach seines Hauses hin- und her spazierte, nur sah es wieder so komisch aus, wenn ich ihn von unten betrachtete. Ich rief meine Freunde aus den benachbarten Straßen zusammen und wir lachten uns kaputt, denn es sah aus, als würde nur sein großer Kopf spazieren gehen.
Und dann der bestimmte Tag, an dem der kleine Muck ausging! Wir standen auf der anderen Straßenseite und versuchten, unser Feixen zu unterdrücken. Und dann öffnete sich die Haustür! Es war immer dasselbe und immer gleich lustig: Zuerst sahen wie den großen Kopf, vergrößert durch einen hohen Turban, darunter verschwand fast das Körperlein. Stets trug er den gleichen abgeschabten Mantel und eine Art Hose mit weiten Beinen, und in der Mitte hatte er einen breiten Gürtel umgetan und an diesem hing ein auffallend langer Dolch. Wir lachen laut und zeigten auf diesen Dolch, denn man konnte kaum erkennen, ob Herr Muck an dem Dolch, oder der Dolch an ihm steckte. Wir sprangen lachend um ihn herum, und der kleine Muck mit seinem großen Kopf nickte uns ernsthaft zu. Ging schlurfend weiter und wir entdeckten an seinen Füßen riesige Pantoffeln, ich jedenfalls hatte solche noch nie gesehen. Uns frechen Bengels fiel auch nichts anderes ein als ständig: „Kleiner Muck, kleiner Muck!“, zu schreien. Manchmal sangen wir auch diesen Vers:
„Kleiner Muck, kleiner Muck,
Wohnst in einem großen Haus,
Gehst nur all’ vier Wochen aus,
Bist ein braver, kleiner Zwerg …“
Ich war derjenige, der dem kleinen Muck am meisten zusetzte. Wie freute ich mich, als ich ihm auf die großen Pantoffeln trat, sodass er unglücklich hinfiel.
Als er aufgestanden war, sah ich, dass er mich nicht beachtete und er auf das Haus zuging, in dem wir wohnten, in dem sich auch mein Vater aufhielt. Er klopfte, schob die Tür auf und war eine ziemlich lange Zeit drinnen. Erstaunt beobachtete ich, wie mein Vater nach einer geraumen Zeit den Muck nach draußen begleitete und mit ziemlich vielen Verbeugungen sich von ihm verabschiedete. Ich hockte lange in meinem Versteck, aber ich hatte einen riesigen Hunger und der trieb mich vor meinen Vater, ich stand mit gesenktem Kopf da. „Sohn! Laut, frech und vorwitzig warst du und hast den Muck sehr gekränkt. Setz dich! Ich erzähle dir seine Geschichte. Dann wirst du ihn nie mehr verspotten. Zuerst aber bekommst du jetzt und hinterher das Übliche!“ Das hieß, 25 Hiebe jetzt und 25 Hiebe, nachdem er mir Mucks Geschichte erzählt hatte.
Der kleine Muck, der eigentlich Mukrah hieß, wuchs in Armut und Unwissenheit auf, und sein Vater sah ihn wegen seiner Gestalt nicht als vollwertigen Sohn an. Nach dem Tod des Vaters wurde Muck von seinen Verwandten aus dem Haus gejagt. Mit den viel zu großen Kleidern seines Vaters machte er sich auf, sein Glück zu suchen. Zwei Tage irrte er hungrig umher, bis er am dritten Tag eine große Stadt entdeckte. Er hatte schon einige Straßen durchwandert; aber nirgends rief man ihn, wie er es sich vorgestellt hatte: „Kleiner Muck, komm’ herein! Iss und trink’ und lass deine Füße ausruhen!“ Er schaute gerade wieder sehnsüchtig an einem schönen Haus hinauf; da öffnete sich ein Fenster, eine alte Frau rief:
„Herbei, herbei!
gekocht ist der Brei,
den Tisch ließ ich decken,
drum lasst es euch schmecken!
ihr Nachbarn, herbei!
gekocht ist der Brei.“
Muck sah, dass viele Hunde und Katzen in das Haus gingen. Er überlegte, ob die Einladung auch ihm galt. Er betrat entschlossen das Gebäude. Oben auf der Treppe begegnete er der alten Frau, die zum Fenster herausgeschaut hatte. “Was willst du?“ „Du hast alle zu deinem Brei eingeladen“, antwortete der kleine Muck, „und ich habe einen Riesenhunger!“
Die Alte lachte laut auf: „Woher kommst du denn, wer bist du? Die ganze Stadt weiß, dass ich nur für meine Katzen koche.“ Muck erzählte, dass er eine schwere Zeit seit dem Tod seines Vaters hinter sich hatte. Lassen Sie mich bitte heute Ihr Gast sein.“ Die Frau fand Gefallen an dem kleinen Mann und so konnte er reichlich essen und trinken. Später erklärte die Frau ihm, „Du kannst bleiben und mir zu Diensten sein.“ Dem kleinen Muck hatte der Brei geschmeckt und ab sofort war er der Diener von Frau Ahavzi. Sein Dienst war leicht, aber komisch. Er musste sechs Katzen jeden Morgen das Fell bürsten und mit Tinkturen einreiben; ging die Frau aus, musste er auf die Tiere aufpassen. Zur Fressenszeit war es seine Pflicht, ihnen die Schüsseln hinzustellen. Und erstmal nachts! Da musste er Polster aus Seide vorbereiten, sie darauflegen und mit kleinen Decken aus Samt zudecken. Im Haus kümmerte sich Muck auch um einige kleine Hunde, die weniger Aufmerksamkeit bekamen als die Katzen, denen Frau Ahavzi besonders zugetan war. Abgesehen von den Tieren und der Frau lebte Muck weiterhin sehr zurückgezogen.
Anfangs hatte der kleine Muck ein gutes Leben: genug zu essen, wenig Arbeit, die alte Frau war zufrieden. Doch bald machten die Katzen Ärger, verwüsteten die Zimmer und zerbrachen Geschirr. Wenn die Frau heimkam, verhielten sie sich unauffällig, sodass Muck für das Chaos verantwortlich gemacht wurde. Der kleine Muck war enttäuscht, dass er auch bei Frau Ahavzi kein Glück fand. Er wollte ihren Dienst verlassen, aber bevor er ging, hoffte er auf den versprochenen Lohn, den er nie erhalten hatte. Im Haus gab es ein verschlossenes Zimmer. Hierin vermutete er Schätze und Geld. Er passte auf, ob sie das Abschließen einmal vergessen würde, aber das tat sie nicht.
Eines Morgens führte ein von Frau Ahavzi vernachlässigter Hund den kleinen Muck zu einer verborgenen Kammer, die er vorher noch nie gesehen hatte. Neugierig folgte er dem Tier hinein und suchte nach Geld, entdeckte jedoch nur alte Kleider und seltsame Gefäße. Eins erregte seine Aufmerksamkeit, es schien aus Kristall zu sein und zeige hübsche Figuren. Er hob diese Schüssel hoch, um sie näher zu betrachten, aber da ließ er den Deckel fallen, der lose daraufgelegt war. Zu seinem Entsetzen zerbrach er in unzählig viele Stücke. Der kleine Muck war starr vor Schreck, wusste aber, er musste fliehen, bevor ihn die Alte mit den Scherben erwischte. Für die Reise suchte er etwas Brauchbares und entdeckte große Pantoffeln – sie waren überhaupt nicht schön, aber seine eigenen waren kaputt, die konnte er nicht mehr anziehen. Er schlüpfte hinein, nahm noch einen Spazierstock mit Löwenkopf und verließ schnell das Zimmer. In seiner Kammer nahm er Mantel, Turban und Dolch und rannte aus dem Haus, bis weit vor die Stadt. Die Pantoffeln trieben ihn unaufhörlich voran; so schnell war er niemals vorher gegangen. Erst als er sie aufforderte zu stoppen, „Haltet doch, ich kann nicht mehr weiter!“, blieben sie stehen und er sank erschöpft zu Boden. Er dachte noch, dann hat es sich ja gelohnt, mit diesen Pantoffeln habe ich Glück gehabt. Aber dann schlief er vor Müdigkeit ein.
Er träumte von jenem Hund, der ihn im Haus der Frau Ahavzi herumgeführt hatte. „Höre mir gut zu, damit du den richtigen Gebrauch der Pantoffeln verstehst. Wenn du dich in ihnen dreimal auf dem Absatz herumdrehst, kannst du hinfliegen, wohin du möchtest, und mit dem Stock findest du Schätze, wo Gold vergraben ist, da wird er dreimal auf die Erde schlagen, bei Silber zweimal.“ Als er aufwachte, erinnerte er sich an den wunderbaren Traum und wollte gleich einen Versuch machen. Er zog die Pantoffel an, hob einen Fuß und begann sich auf dem Absatz umzudrehen.
Obwohl er mehrmals stürzte, ließ sich der kleine Muck nicht entmutigen und probierte es so lange, bis es schließlich klappte: Die Pantoffeln flogen mit ihm in eine große Stadt. Dort wich er dem geschäftigen Markt aus und zog sich in eine ruhigere Straße zurück, um das Gedränge und mögliche Konflikte zu vermeiden.
Er musste dringend Geld verdienen. Aber wie? Mit seinem Schatzsucherstab konnte er zwar verborgene Reichtümer aufspüren, wusste aber nicht, wo er suchen sollte. Da er zu stolz war, sich für Geld bloßzustellen und begaffen zu lassen, dachte er an seine schnellen Pantoffeln und beschloss, als Schnellläufer zu arbeiten. Er ging zum Palast und bat den Sklavenaufseher um einen Job bei den königlichen Boten. Doch dieser lachte ihn wegen seiner kleinen Füße aus und schickte ihn weg.
Der kleine Muck bot einen Wettlauf an. „Ey, das meine ich ernst!“ „Was bildet sich dieser Zwerg bloß ein!“, lachte der Sklavenaufseher. Trotzdem ließ er Muck bis zum Abend in der Küche versorgen und berichtete dem König von der Wette. Der König ordnete an, das Rennen so zu organisieren, dass der gesamte Hofstaat zuschauen konnte. Der König kündigte höchstpersönlich das abendliche Schauspiel an.
Nachdem der König mit seiner Familie auf dem Podest Platz genommen hatte, begrüßte der kleine Muck mit einer eleganten Verbeugung die königliche Familie. Als die Zuschauer ihn erblickten, brach ein fröhliches Raunen aus – eine Gestalt wie diese hatte man hier noch nie gesehen. Sein winziger Körper mit dem übergroßen Kopf, das kurze Mäntelchen, die weit geschnittenen Hosen, der lange Dolch am breiten Gürtel und die kleinen Füße in den riesigen Pantoffeln – das alles wirkte so kurios, dass man sich das Lachen kaum verkneifen konnte. Doch der kleine Muck ließ sich von dem Gelächter nicht beirren. Stolz stellte er sich aufrecht hin, stützte sich auf sein Stöckchen und wartete gelassen auf seinen Gegner. Der Sklavenaufseher hatte den schnellsten Läufer ausgewählt. Dieser betrat nun ebenfalls die Wiese, stellte sich neben Muck, und beide warteten gespannt auf das Startsignal. Prinzessin Amarza hob als Zeichen zum Start ihren Schleier. Und wie zwei Pfeile, die gleichzeitig auf dasselbe Ziel abgeschossen wurden, flitzten die beiden Läufer über die Wiese.
Zu Beginn des Rennens hatte Mucks Gegner einen deutlichen Vorsprung. Doch Muck, flink auf seinen ungewöhnlichen Pantoffeln unterwegs, holte rasch auf, überholte ihn und erreichte das Ziel lange bevor der andere, keuchend und erschöpft, überhaupt in Sicht kam. Für einen Moment herrschte sprachloses Staunen unter den Zuschauern. Dann klatschte der König begeistert in die Hände – und die Menge brach in Jubel aus: „Hoch lebe der kleine Muck, der Sieger des Wettlaufs!“
Man führte Muck zum König, vor dem er sich ehrfürchtig niederwarf. „Großmächtigster Herrscher,“ sprach er, „dies war nur ein kleiner Vorgeschmack meiner Fähigkeiten. Wenn Ihr erlaubt, würde ich gerne einen Platz unter Euren Läufern erhalten.“ Doch der König war so beeindruckt, dass er antwortete: „Nein, lieber Muck, du sollst mein persönlicher Leibläufer sein, stets in meiner Nähe. Als Lohn erhältst du jährlich hundert Goldstücke, und du sollst an der Tafel meiner höchsten Diener speisen.“
Muck glaubte, das Glück gefunden zu haben, dass er so lange gesucht hatte. Frohgemut und voller Hoffnung erfüllte ihn die neue Stellung. Der König schätzte ihn sehr und vertraute ihm seine wichtigsten und geheimsten Botschaften an – und Muck erledigte sie mit erstaunlicher Schnelligkeit und absoluter Präzision.
Doch die anderen Diener des Königs murrten und konnten nicht ertragen, dass ein kleiner Fremder, der scheinbar nichts anderes konnte als schnell laufen, sie in den Schatten stellte. Sie schmiedeten Intrigen, um ihn zu stürzen – doch alle ihre Pläne scheiterten am Vertrauen, das der König seinem geheimen Oberleibläufer entgegenbrachte, denn diesen Titel hatte Muck inzwischen erhalten.
Muck bemerkte die Feindseligkeit, aber statt Rache zu suchen, überlegte er, wie er sich bei seinen Widersachern unentbehrlich und beliebt machen könnte. Da erinnerte er sich an sein Zauberstäbchen, das er in seinem neu gewonnenen Glück fast vergessen hatte. „Wenn ich Gold und Silber finde,“ dachte er, „werden sie mich vielleicht anders ansehen.“
Er hatte oft gehört, dass der Vater des jetzigen Königs einst große Reichtümer vergraben hatte, als feindliche Truppen das Land bedrohten – und dass er gestorben sei, ohne das Versteck seinem Sohn zu verraten. Von da an trug Muck sein Stäbchen stets bei sich, in der Hoffnung, eines Tages über das verborgene Gold zu stolpern.
Eines Abends führte ihn der Zufall in einen abgelegenen Teil des Schlossgartens, den er selten betrat. Plötzlich spürte er, wie das Stäbchen in seiner Hand zuckte – und dreimal gegen den Boden schlug. Muck wusste sofort, was das bedeutete. Er zog seinen Dolch, markierte die umliegenden Bäume und kehrte unauffällig ins Schloss zurück. Dort besorgte er sich einen Spaten und wartete auf die Nacht.
Das Graben selbst erwies sich für den kleinen Muck als deutlich mühsamer, als er erwartet hatte. Seine Arme fühlten sich schwach an, und der Spaten war so schwer, dass er nach zwei Stunden gröberer Arbeit erst wenige Fuß tief gegraben hatte.
Plötzlich stieß er auf etwas Hartes, das beim Hantieren wie Eisen klang. Emsiger grub er weiter und schon bald lag ein massiver eiserner Deckel frei. Vorsichtig stieg Muck in die Grube und erblickte ein großes Gefäß. Während er den Deckel wegschob, sah er, dass dieser bis zum Rand mit Goldmünzen gefüllt war. Allein seine Kräfte reichten nicht, um den Topf zu heben. Also steckte er so viele Münzen wie möglich in seine Hosentaschen, in den breiten Gürtel und in die Taschen seines Mantels, und bedeckte das Versteck sorgfältig wieder mit Erde. Nur dank seiner Pantoffeln kam er überhaupt noch in Gang und brachte das Gold unbemerkt in sein Zimmer, wo er es sicher unter den Kissen seines Sofas versteckte.
Im Besitz dieses unerwarteten Reichtums war Muck fest davon überzeugt, sein Ansehen am Hof werde sich nun zum Guten wenden. Er glaubte, dass Gold ihm Freunde und Fürsprecher unter den Hofbeamten verschaffen würde. Doch diese Hoffnung zeugte eher von kindlicher Unbedarftheit, denn wahre Zuneigung lässt sich nicht erkaufen. Hätte er damals nur seine Pantoffeln gefettet und sich samt seinem Mäntelchen mit den Münzen davon gemacht!
Stattdessen verteilte Muck sein Gold aus vollen Händen – und erregte nur Neid und Argwohn. Der Küchenmeister Ahuli tuschelte: „Er muss Falschgeld geprägt haben.“ Der Sklavenaufseher Achmet behauptete: „Er hat dem König etwas abgeschwatzt.“ Und Archaz, sein erbittertster Widersacher, war überzeugt: „Er hat gestohlen.“ Gemeinsam spannen sie eine Intrige, um Muck zu entlarven. So stellte sich eines Tages der Obermundschenk Korchuz vor den König, schlug geduckt die Hände ineinander und klagte, dass die Gunst des Herrschers ihm zu entgleiten drohe. Als der König verwundert nachfragte, beklagte Korchuz, dass Muck als geheimer Oberleibläufer üppigst beschenkt werde, während die treuen alten Diener leer ausgingen.
Der König war sehr erstaunt über diese Nachricht, ließ sich von den Goldausteilungen des kleinen Muck erzählen, und die Verschworenen verdächtigten ihn, er müsse das Geld aus der Schatzkammer gestohlen haben. Diese Version behagte dem Schatzmeister, da er nicht gerne Rechnungen vorlegte, was durchaus einen triftigen Grund hatte. Heimlich ließ der König alle Schritte des Muck überprüfen, um ihn auf frischer Tat zu erwischen. Als nun in der Nacht, die auf diesen Unglückstag folgte, der kleine Muck sah, dass durch seine Freigebigkeit seine Kasse ziemlich leer war, schlich er sich mit einem Spaten in den Schlossgarten, um dort von seinem geheimen Schatz Nachschub zu holen. Er merkte nicht, dass ihm in beachtlicher Entfernung die Wachen folgten. In dem Augenblick, da er das Gold aus dem Topf in sein Mäntelchen legen wollte, fielen sie über ihn her, banden ihn und führten ihn sogleich zum König. Dieser empfing seinen geheimen Oberleibläufer sehr ungnädig und verhörte ihn sofort. Der Schatzmeister sagte aus, dass er mit seinen Wachen Muck überrascht habe, wie er diesen Topf mit Gold gerade in die Erde gegraben habe und übergab das halbvolle Gefäß seinem Herrn.
Der König befragte hierauf den Angeklagten, der im Gefühl seiner Unschuld, erklärte, dass er den Topf im Garten entdeckt habe, und er ihn habe nicht ein-, sondern ausgraben wollen.
Alle lachten laut, der König beschuldigte wütend Muck des Diebstahls und der Lüge. Er fragte den Schatzmeister, ob das Gold fehle, und dieser bestätigte klar und deutlich, dass es gestohlen wurde. Der König ließ den kleinen Muck ins Gefängnis bringen. Das Gold wurde dem Schatzmeister zurückgegeben, der es zählte. Dabei bemerkte er einen Zettel im Topf:
„Mein Land wurde überfallen, darum verstecke ich hier einen Teil meines Schatzes. Wer ihn findet, soll ihn sofort meinem Sohn geben, sonst trifft ihn der Fluch seines Königs.
König Sadi.“
Im Kerker grübelte Muck und wusste nur zu gut, dass Diebstahl an königlichem Eigentum mit dem Tod bestraft wurde. Trotzdem zögerte er, das Geheimnis seines Zauberstäbchens zu verraten, aus Furcht, man könnte ihm Stab und Pantoffeln rauben. Und ohne seine Pantoffeln war ihm jede Flucht verwehrt, denn in den engen Ketten war selbst ein Umdrehen unmöglich. Am nächsten Morgen, als man ihm sein Todesurteil verkündete, reifte in ihm die Erkenntnis: Lieber ohne Zauber leben, als damit zu sterben…
(Fortsetzung morgen!)
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