Die Sache mit den Testlesern

Am Anfang war das Wort – nicht nur eins, sondern etliche. Ich hatte mich entschieden, Schriftstellerin zu werden. Also legte ich los und schrieb. Die ersten Seiten waren bald fertig, wurden ausgedruckt und an Freunde verteilt.

Das macht man nicht, aber das wusste ich damals noch nicht.

Den Freunden gefiel es und sie verlangten nach mehr. Ich schrieb also weiter. Allerdings stellte ich fest, dass der Name „Sabine“ für meine Heldin nicht passend war. Also nannte ich sie kurzerhand „Ulla“. Ulla klang viel besser. Sabine hatte einige Eigenarten, die Ulla aber nicht mehr hatte – also musste ich auch das ändern.

Dann fiel mir ein, dass ein Nebenstrang unlogisch war – kein Problem, auch das ließ sich beheben.

Mein Mann fragte ein paar Tage später, ob ich denn schon mehr geschrieben hätte, er wolle es lesen. Hatte ich natürlich und ich gab ihm die frisch ausgedruckten Seiten. Er las es und runzelte die Stirn.

„Wer ist denn jetzt diese Ulla?“, fragte er mich.

„Die hieß vorher Sabine, aber das passte nicht.“

„Und wieso sind sie plötzlich in Hamburg und nicht mehr in Berlin?“, fragte er weiter.

„Ach, Berlin hat mir als Schauplatz nicht gefallen.“

Mein Mann ist ein wirklich toller Mensch, sehr ruhig und geduldig, aber das war ihm dann nach einer Weile doch zuviel – zumal sich das öfter wiederholte und ich immer wieder Dinge veränderte.

Auch meine Freundinnen, denen mein Schreibstil außerordentlich gut gefiel, waren davon genervt.

Meine Entschuldigung ist, dass ich damals absolut noch in den Schreib-Kinderschuhen steckte.

Irgendwann hatte ich dann aber mein erstes Buch beendet und es wanderte direkt in den Papierkorb.

„Was? Ernsthaft?“, mag sich jetzt mancher fragen – aber das war die absolut richtige Entscheidung. Mir ging es nur darum, dass ich einen roten Faden von A bis Z spinnen konnte, dass der Plot stimmte und die Erzählstränge schlüssig waren. Das hatte geklappt – aber ein Meisterwerk war es dennoch nicht.

Ich schrieb weiter, die Zahl meiner Testleser schrumpfte allerdings. Das lag auch an mir – ich finde, viele Köche verderben den Brei. Inzwischen ändere ich nicht mehr viel, nachdem ich ein Manuskript angefangen habe. Dennoch liest mein Mann es erst, wenn die Druckfahnen vorliegen – aber dann immer ganz gewissenhaft und immer noch sehr begeistert.

Testleser habe ich nur noch wenige – es sind Kolleginnen. Das ist viel besser, als Freundinnen zu nehmen, denn diese sind immer subjektiv. Wobei aus Kolleginnen auch Freundinnen werden können – so wie es mit meiner Lieblingstestleserin Joan geschehen ist. Aber ich kann ihr vertrauen – sollte ich wirklich großen Mist schreiben, wird sie es mir sagen.

In diesem Sinne – strapazieren Sie Ihre Freundschaften lieber nicht zu sehr, suchen Sie sich besser kompetente Testleser oder vertrauen Sie Ihrer Lektorin.

Herzlichst

Ulrike Renk

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