Dorrits Osterei

„Now-now“ – Fundstück aus Afrika

Ich schenke Ihnen zu Ostern eine Wortkombination, die mir zum ersten Mal an einem heißen Februartag in Kapstadt begegnete, auf dem Spielplatz des Kindergartens, in dem ich als „Teacher“ meinen diesjährigen Winter verbrachte. Die vierjährige Lethabo stand mit zerzaustem Haar und tränengefüllten braunen Kulleraugen vor uns Erziehern, auf der Suche nach ihrer Lieblingserzieherin „Teacher Rosslyn“, die – das wussten wir – noch mindestens zwei Stunden zum Einkaufen unterwegs sein würde. Da hörte ich „Teacher Marcy” besänftigend sagen: „Teacher Rosslyn is coming now-now.“

Die Europäerin in mir empörte sich sogleich – wie konnte man dem traurigen Kind zwei Stunden als now-now vorgaukeln. Doch bevor ich lautstark Unmut äußerte, erinnerte ich mich daran, dass ich in African time lebte, in der now-now immerhin die letzte Stufe vor dem Vollzug bedeutet. Die Steigerung von „She is coming now.“, was so etwas meint wie: „Sie denkt darüber nach, später vorbeizukommen.“ Now-now war somit das beste, was Lethabo bekommen konnte.

Eines Tages rief ein afrikanischer Freund mich an, er würde mich now-now zu einem Ausflug abholen. Als ich eine Viertelstunde später noch immer an der verabredeten Ecke stand, wurde mir klar, dass now-now wahrscheinlich bedeutete: er duscht, isst noch einen Happen und fährt dann los. Eigentlich machte es auch gar nichts, dass ich noch ein paar weitere Minuten in der Sonne saß und aufs Meer sah, ehe unser Ausflug dann wirklich begann, stellte die Europäerin in mir überrascht fest.

Ein andermal hieß now-now allerdings, dass er tatsächlich schon zwei Straßenecken von meinem Appartement entfernt war. Inzwischen hatte ich mich an African time gewöhnt und putzte mir nach seinem Anruf erst einmal die Zähne, bevor ich darüber nachdachte, was ich für den Ausflug einpacken musste. Als ich gerade dabei war, einen grünen Strich auf mein rechtes Augenlid aufzutragen, ertönte schon die Hupe seines Autos. Vom Balkon winkte ich ihm zu und rief: „I’m coming now-now.“

Dann malte ich einen grünen Strich auf mein linkes Augenlid, zog meine Lippen in Rot nach und trug – in aller Seelenruhe – Parfüm auf. Für einen Moment fühlte ich mich wie eine echte Afrikanerin.

Jetzt – zurück in Berlin und wieder unzweifelhaft Europäerin – wünsche ich mir manchmal, die Gelassenheit von now-now in meinen Sprach- und Lebensgebrauch zu übernehmen.

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Ihre Dorrit Bartel

 

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3 Gedanken zu „Dorrits Osterei“

  1. Ihr Lieben,
    das finde ich ja sehr spannend – denn ich habe ja nun schon an verschiiedenen Orten in Deutschland gelebt und nie etwas wie Now-now kennen gelernt. Im Schwäbischen hätte ich es dann noch viel weniger erwartet. Und Ihr bietet mir gleich zwei Übersetzungen. Wow. Osterüberraschung oder so.
    Das mit dem „You have the clock we have the time“ ist aber auch in Auflösung begriffen; wenn die Einheimischen viel arbeiten, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen, haben sie auch nicht so viel Zeit. Aber ihr Umgang mit Zeit ist in der Tat irgendwie entspannter.
    Euch und allen anderen Lesern ein frohes Osterfest.
    Dorrit

  2. Hey Dorrit, vielen Dank für die Geschichte. Das now-now ist im Schwäbischen, das „geschwind“.
    Als ich vor Jahren ins schwäbische zog,fragte ein Schwabe, ob ich mit ihm geschwind mitfahren wollte. Klar, habe ich gesagt und dabei an das Abendessen gedacht, was zuhause schon fast fertig war. Stunden später war ich dann tatsächlich dahoim.

    In Südafrika sagen die Einheimischen ja nicht umsonst zu den Nichtafrikanern:“ You have the clock, we have the time.“

    Eine gute Zeit wünsche ich Dir
    Amos

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