Ein Hoch auf die Literatur – Buchmesse in Frankfurt

Sie ist riesig, wuselig, mondän. Vielen Kolleginnen und Kollegen graut vor der Frankfurter Buchmesse. Ich genieße sie. Ich kann drei Fachbesuchertage lang durch die Hallen streifen, ohne dass mich Langeweile oder Klaustrophobie packt.

An den riesigen Ständen der Publikumsverlage stehen bleiben und mir ausdenken, welche neuen Verträge an den ständig besetzten Besprechungstischen gerade geschlossen werden. Die neuesten Publikationen der Fachbuchverlage studieren – über die geheime Sprache der Katzen, Augentraining für PC-Nutzer und über den Jakobsweg – und versuchen, mir das Wichtigste zu merken, statt jede Winzigkeit abzufotografieren. Kleine Verlage in ihren wenigen Quadratmetern entdecken und mit dem hilfsbereiten Standpersonal plaudern.

Bekannte, Freundinnen und Freunde treffen, das virtuelle Leben einmal im Jahr anfassbar machen. Pläne schmieden mit der Agentin und die guten Geister der Literatur beschwören, dass der Roman eine Heimat findet. Prominente auf den Bühnen der Medien erleben oder – viel aufregender – beiläufig an einem der Essensstände treffen. Deniz Yücel, Sascha Lobo, Thomas Gottschalk. Doris Dörrie, Wolfgang Thierse, Margarete Stokowski. Jo Nesbö (Norwegen ist Gastland), Jussi Adler-Olsen, Sebastian Fitzek. Wolfgang Tischer. Nina George. Auf der Agora – Forum, Freigelände, Verpflegungshof – Ruhe genießen, weil das Wetter weniger einladend ist als im letzten Jahr. Crêpes essen, Erbsensuppe, Flammkuchen oder – neu – Churros mit Schokolade.  

Vorträgen lauschen – über Europa, über Frieden, über Gefangenschaft und Menschenrechte. Überhaupt – über Rechte auf dem Vormarsch, in Deutschland, in Europa, weltweit. „The Hour of Freedom“ des Gastlandes Norwegen hören und sehen: eine Podiumsdiskussion über „cultural rights“ – mit der norwegischen Außenministerin, dem Cartoonisten aus dem Sudan, der UN-Beauftragten zum Thema, die eine algerischstämmige Amerikanerin ist. Eine Performance über die Situation schwarzer Frauen – mit der norwegischen Buchautorin und der deutschen Schauspielerin, die nur Putzfrauen oder Prostituierte spielen darf.

Den Buchblog-Award erleben, bei dem die Moderatorin fordert, Haltung zu zeigen und Begeisterung für Literatur. Die Lesung zum Thema „Literatur in verunsicherten Zeiten“. Den Cartoonisten, der erzählt, dass es eine Revolution geben würde, wenn die Leute in seinem Land lesen könnten, und dass es deswegen keine Büchereien gebe.

War die Frankfurter Buchmesse politischer als im Jahr davor? Oder zieht es mich stärker zu den politischen Themen? Sie lassen sich nicht abstreifen. Der Hauch einer Gefahr schwebt über der Branche. Es macht mich nachdenklich, ein bisschen wehmütig.

Menschen aus hundertfünfzig verschiedenen Nationen treffen sich für fünf Tage in Frankfurt, erzählt der Leiter der Messe Frankfurt. Danach gehen sie auseinander – und nehmen hoffentlich den Spirit mit nach Hause.

Ein Hoch auf die Literatur!

Ihre

Ingrid Haag

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