„Ich mache was mit Büchern“

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Ein Interview mit Andrea Gunkler
Es fragte Joan Weng

Wir freuen uns riesig, denn unser Blogteam hat Verstärkung bekommen: Andrea Gunkler. Die 1967 geborene Bibliothekarin aus Hessen ist aber nicht nur seit Jahren überzeugte 42er-Autorin, sondern auch Leiterin verschiedener Schreibkurse (www.wort-weise.de). Sie selbst schreibt vor allem Krimis, aber auch schon mal Heimatromane in Heftchenform – unter dem Pseudonym Sonja Hallberg.

Hallo, Joan! Als Frischling im Blogteam bin ich dankbar dafür, mich im Gespräch mit dir vorstellen zu dürfen.

„Na dann mal los. Ich gestehe, ich liebe selbst ja diesen Heftchenschund. Besonders bewegende Fürstenschicksale haben es mir angetan und du schreibst nun also Heimatromane? Erzähl, wie bist du dazu gekommen?“

Freut mich zu hören, dass du Heftchenromane magst. Wenn ich mir die Auflagen ansehe, in denen sie gedruckt werden, bist du damit in zahlenmäßig starker Gesellschaft.

Zum Heftroman gekommen bin ich eher durch Zufall. Ich suchte nach dem Ende meines Bibliothekarinnendaseins nach einer Möglichkeit, mit dem Schreiben Geld zu verdienen, stolperte über Anna Baseners Ratgeber „Heftromane schreiben und veröffentlichen“ – ich bin ein echter Ratgeber-Junkie – und dachte: Probier’s mal! Es klappte nicht gleich mit dem ersten, aber ich hatte das Glück, auf eine engagierte Lektorin zu treffen, die mir hilfreiche Tipps gab, wie Figuren und Setting gestrickt sein sollten. Meine ersten Figuren waren zu widersprüchlich, schablonenhaft sollten sie aber auch nicht sein. Eher mit schrulligen Macken behaftet. „Verweilen Sie bei den romantischen Situationen“, war ihr wichtigster Rat. Humor kann auch nicht schaden. Und so kam es, dass der Kelter-Verlag zwei meiner Romane veröffentlichte. Die Fürstenromanzen mag ich ebenso wie du, Joan, konnte in diesem Metier allerdings nicht landen. Eine andere Lektorin fand meine Schreibe zu locker und zu flockig für die Welt der Schönen und Reichen. Die Heimatidylle ist eher mein Revier. Mei, i mog des boarische Gschmatz.

„Ansonsten schreibst du ja lieber Krimis. Vor allem Kurzgeschichten. Sind die so deine literarische Form oder siehst du sie eher als Fingerübung für einen zukünftigen Kriminalroman?“

An echte Kurzgeschichten Marke ‚Hemingway‘ reichen meine Kurzkrimis bei Weitem nicht heran. Dazu fehlen mir noch die Subtilität und das literarische Können. Aber ich arbeite daran. Meine ‚Krimiminis‘ um Kommissar Aufderpalm, die ich als Self-Publisherin veröffentlich habe, sind eher Kriminalerzählungen oder Kurzromane, humoristisch bis parodistisch. Ja, man könnte sie als Fingerübungen für die nachfolgenden Romane betrachten, zumindest, was die Technik des Schreibens angeht, das Sichtreibenlassen, während die Wörter über die Tastatur auf den Bildschirm fließen. Kennst du das Spiel „Stadt, Land, Tod?“ So ähnlich wie „Stadt, Land, Fluss“, nur dass die Spalten mit Mordwerkzeugen, Opfern, Tätern und Motiven ausgefüllt werden. Von Stichwörtern aus diesem Spiel habe ich mich zu den Aufderpalm-Geschichten inspirieren lassen. Ich schrieb drauflos, ohne viel zu planen. Sobald der erste Satz im Kopf war, ging es los (den brauche ich immer, den ersten Satz im Kopf). Für meinen abendfüllenden Kriminalroman mit all den falschen Spuren und zu Unrecht Verdächtigten musste ich im Vorfeld erheblich mehr überlegen. Er ist fertig, die x-te Version eines Stoffs, der mir zuerst 2009 zugeflogen ist und über die Versuche hinweg so viele Veränderungen erfahren hat, dass von der Ursprungsidee nur noch ein Teil des Settings übriggeblieben ist: Kiel, meine Lieblingsstadt. Derzeit warte ich auf die Antwort einer Agentur.

„Und Schreibkurse gibst du ja auch noch. Was ist für dich denn das Wichtigste am Schreiben, was macht für dich einen gut erzählten Roman oder eine gelungene Kurzgeschichte aus?“

Das Wichtigste ist für mich der Spaß am Schreiben selbst. Und den merkt man einem Text an, meine ich. Mich muss eine Geschichte von den ersten Sätzen an packen. Sie müssen Fragen aufwerfen, deren Beantwortung ich nicht abwarten kann. Oder ich treffe alte Bekannte wieder, die ich aus früheren Bänden einer Krimireihe her kenne, und freue mich auf weitere vergnügliche Stunden mit ihnen. Ich mag eine Sprache, die in mir etwas auslöst. Sie kann der Alltagssprache entlehnt sein und mir damit ein Gefühl des Zuhauseseins verschaffen, während im Krimi die fürchterlichsten Dinge passieren, die Menschen einander antun können. Sie kann aber auch sperrig sein und fordernd, mit Wortschöpfungen, die mich zum Nachdenken anregen. Die Merkmale, die eine Story zu einer gut erzählten machen, sind so vielfältig wie die Vorlieben der Leser selbst. Ich schätze, jeder gibt darauf eine andere Antwort.

„Wie kann man sich so einen deiner Schreibworkshops vorstellen? Wie geht ihr da vor, was steht im Vordergrund?“

In meinen Schreibkursen geht es hauptsächlich um Kreativitätstechniken und Schreibstil. Zuletzt besuchten Menschen meinen Kurs, die beruflich oft schreiben müssen. Ihr Ziel ist es, sich verständlich und knapp auszudrücken und mit ihren Texten ein Ziel zu erreichen. In meiner Schreibwerkstatt vermittle ich auch Techniken des literarischen Schreibens, Figurenentwicklung beispielsweise oder was zündende Dialoge ausmacht. Während ich mich bei der Vorbereitung der Kurse intensiv mit einem Thema auseinandersetze, lerne ich selbst eine Menge dazu. Außerdem mache ich jede Übung, die ich meinen Teilnehmern aufgebe, in den Kursstunden mit und komme fast jedes Mal mit einer neuen Inspiration nach Hause.

Die Übungen stehen klar im Vordergrund. Ich erkläre kurz, worum es in der Kurseinheit gehen soll, und lasse die Teilnehmer dann schreiben und sich anschließend gegenseitig das Geschriebene vorlesen. Ich überlasse ihnen auch das Feedback, halte mich weitgehend heraus, es sei denn, ich will auf einen bestimmten Punkt hinaus, der noch von keinem Teilnehmer benannt wurde. Sie kommen meist selbst darauf, wie das Geschriebene wirkt, oft schon während des Vorlesens. Die Aha-Gesichter begeistern mich jedes Mal aufs Neue und ich weiß wieder, warum ich das hier mache.

„Wie bist du denn überhaupt auf die Idee gekommen andere Schriftsteller zu unterrichten?“

Das Lehren gehörte schon zu meinem früheren Beruf. Es macht mir Spaß, vor einer Gruppe von Menschen zu sprechen und mein Wissen mit ihnen zu teilen. Als ich mit dem Bibliotheksleben aufhörte, suchte ich, wie gesagt, nach Einkommensmöglichkeiten. Die VHS in Bad Hersfeld war sofort Feuer und Flamme für meine Kursidee. Doch es dauerte, bis der erste Kurs zustande kam. Die Zahl der Schreiblernwilligen ist in Kiel doch etwas höher als in dieser ländlichen Gegend, in der ich jetzt lebe. Inzwischen habe ich mehrere Kurse gehalten. Die Rückmeldungen der Teilnehmer bestärken mich darin, dass ich das gar nicht so schlecht mache. Schon meine Deutschlehrerin in der Grundschule prophezeite einst: „Die Andrea, die wird mal Lehrerin“. Nun, ich wurde das, was Leute werden, die nicht Lehrer werden wollen: Bibliothekarin. Heute bin ich irgendwie keines davon – und dann doch wieder beides. Ich mache was mit Büchern und ich lehre. Für mich eine optimale Kombination.

„Vor dem Schreiben kommt ja bekanntlich meistens das Lesen. Welche Autoren sind denn dir die liebsten und warum?“

Es fing mit Enid Blyton und den ‚Fünf Freunden‘ aus der Dorfbücherei an und endet noch lang nicht mit den vollgestopften Bücherregalen in unserer Wohnung oder mit dem Speicherplatz auf dem E-Reader. Ich lese querbeet: neuere deutsche Literatur ist genauso vertreten wie amerikanische oder englische Krimireihen. Kürzlich entdeckte ich zwei amerikanische Autoren, die nur eines gemeinsam haben, und zwar eine gigantisch große Leserschaft: Nicholas Sparks und Stephen King. Von beiden lässt sich eine Menge lernen. King lese ich seither wahnsinnig (!) gern, Sparks nur in einer Dosierung, die mir die nötige Stimmung für einen Liebesroman beschert. In der Sparte der neueren deutschen Literatur haben es mir folgende Autoren angetan: Birgit Vanderbeke mit ihrer unnachahmlichen Sprache und den knochentrockenen Sätzen, die machen, dass einem das Lachen im Hals stecken bleibt, Alina Bronsky mit ihren schrillen Figuren, Annette Pehnt, Angelika Klüssendorf, Juli Zeh, Ulla Hahn. Im Krimigenre sind es: Val McDermid mit ihrem Ermittlerteam Carol Jordan und Tony Hill (ich erinnere mich noch genau an die erste Szene in ‚The mermaid’s singing‘, den ich auf dem Flug von Mexiko nach Hause gelesen habe; außerdem hat die Autorin selbst einen bleibenden Eindruck auf mich hinterlassen, ich durfte sie bei einer Lesung in Kiel kennenlernen), Elizabeth George mit ihrem Inspektor Lynley, obwohl die Romane immer dicker werden (einem Debütanten würde man wahrscheinlich die Hälfte des Textes streichen; sie hat übrigens ein fabelhaftes Buch über das Schreiben geschrieben mit dem Titel ‚Wort für Wort‘), Tess Gerritsen, vor allem, seit ‚Rizzoli&Isles‘ im deutschen Fernsehen lief, Charlotte Link, früher Minette Walters und Martha Grimes.

Ich merke gerade, dass meine Liste – von Sparks und King abgesehen – ausschließlich aus Frauen besteht. Das war keine Absicht. Eine ganze Zeitlang habe ich Henning Mankell gelesen und weitere skandinavische Krimiautoren. Davon hatten wir in der Kieler Universitätsbibliothek mit der Skandinavien-Sammlung reichlich. Ich mag auch Siegfried Lenz, Peter Stamm, Jeffery Deaver, Jonathan Franzen, Andreas Eschbach und Tom Liehr. Mit der Aufzählung könnte ich noch bis übermorgen weitermachen …

„Dann Danke für das Gespräch und vor allem einen tollen Start im Blogteam. Ich wünsch dir ganz, ganz viel Spaß mit und bei uns.“

Ich danke dir und freue mich auf die Zusammenarbeit. Dass ich Spaß dabei haben werde, steht außer Frage. Allein deine Fragen haben dazu beigetragen.

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