Eine Runde Trash, bitte!

Ich gehöre zu diesen Autoren, die immer schreiben – wirklich immer. Ich tippe in der S-Bahn, in Vorlesungen, während des Kochens, nachts und auf Partys. Es kommt vor, dass ich am Telefon seltsam still werde, dann schreibe ich. Ich schreibe im Liegen, im Sitzen, im Gehen – nur im Urlaub nicht. Zwei, drei Wochen jedes Jahr rühre ich keine Tastatur an.

Warum?

Ganz einfach, weil mir im Urlaub die Zeit dafür fehlt.

Wenn ich im Urlaub nicht grade vernachlässigte Freunde und Verwandte besuche, muss ich nämlich lesen – und da ich als Promotionsstudent hauptberuflich Bücher lese, die kein Mensch freiwillig liest, ist mein Appetit auf Trash der eines aus dem Kloster entlassenen Nymphomanen. Schon vorab erkundige ich mich im Freundeskreis nach besonders miesen Büchern:

Plumpe Handlung?

Platte Charaktere?

Wohlmöglich gar peinliche Sexszenen?

Her damit!

Ich lese wirklich alles, wenn es nur ein nettes Cover hat und der Klappentext mir ‚düstere Geheimnisse‘, ‚wilde Leidenschaft‘ und ‚schottischen Hochadel‘ verspricht. Im Übrigen verschmähe ich auch die Manhattaner High Society nicht. Seit meinem Kampf mit dem Latinum habe ich mit den Römern eher keine Berührungspunkte, außer man serviert mir Kleopatra und Marc Anton in einer richtig abgenutzten Variation des Themas.

Historische Korrektheit lehne ich vollkommen ab, erlaubt ist, was kitschig ist!

Früher habe ich meine Lektüre gerne am Flughafen direkt gekauft, aber mein Mann schämt sich. Auch behauptet er, die Cover seiner Pratchetts, seiner Hemingways, ja sogar sein Aaranovitch würden sich schmerzhaft einrollen, wenn man sie zwänge, mit „Gefangene ihrer Sehnsucht“, „Lipstick Jungle“ und „Ein Sommer in Maine“ eine Tüte zu teilen.

Seitdem bestelle ich viel online, da muss ich auch die Blicke der Verkäuferin nicht ertragen.

Ein Autorenfreund fragte mich einmal, ob ich keine Sorge hätte, mir den Stil zu verderben, am Ende gar selbst auch nur noch über ‚rassige Glutaugen‘ und ‚sinnliche Lippen‘ zu schreiben? Ich verneinte – durchaus geschmeichelt, man könne meinen Stil für verderbenswürdig halten.

Was mir allerdings tatsächlich lange Sorge bereitete, war die Frage: Wohin mit „Die Geliebte des Highlanders“, wenn der Urlaub herum ist, ich wieder im hochliterarischen Alltag angekommen bin?

Wegwerfen ist gegen meine Überzeugung, es rührt mich nämlich, wenn ich Sand und gepresste Blütenblätter, wenn ich nach Jahren nie abgeschickte Urlaubskarten zwischen den Seiten finde. So sortiere ich meinen geliebten Schund neuerdings zwischen Bücher, die ich nicht mag und freue mich an dem Gedanke, Beauvoirs „L‘ autre Sex“ zwischen „Fifty Shades of Grey“ und „Sex and the City“ zu wissen.

Ihre Joan Weng


Teilen:

Schreibe einen Kommentar