Einfach weitermachen

Ich hatte vor vielen Jahren einen Liebhaber, der immer Pizza bestellte, wenn er mich besuchte, weil er sich sicher war, dass ich nicht kochen kann. Das eigentlich Merkwürdige daran war, dass ich nie versucht hatte, für ihn zu kochen – er konnte über meine diesbezüglichen Fähigkeiten also überhaupt nichts wissen. Heute denke ich, das entsprach seiner Vorstellung von Leuten, die schreiben: In so Dingen wie Kochen können die einfach nicht gut sein.
Tatsache ist, dass ich mich damals überhaupt wenig getraut habe. Geschrieben habe ich im stillen Kämmerlein für die Schublade und ganz wenige Vertraute und ich war sogar zu feige, nach Rezept zu kochen. Ganz falsch lag mein übrigens nichtlesender Liebhaber also nicht, aber von gelieferten Pizzen wurde es auch nicht besser. So wie Schreiben für die Schublade ja auch nicht hilft, besser zu werden.
Nun gibt es ja bei Trennungen immer Dinge, über die man sich hinterher ärgert. So merkwürdig es sich anhören mag, aber mich ärgerte in diesem Fall mit am meisten, dass er mir Kochen nicht zugetraut hatte.
Kurze Zeit später lerne ich jemanden kennen, der zufällig denselben Namen trug wie der inzwischen Ex-Liebhaber, aber sonst ganz anders war. Nicht nur, dass er sehr belesen war und gern mit mir über meine Texte und Literatur überhaupt sprach (und übrigens bis heute spricht). Vor allem aber aß er gern, was ich kochte.
Angefangen habe ich mit so einfachen Sachen wie Pasta. Später habe ich Aufläufe entdeckt, die ich vor allem deshalb mag, weil man da das Chaos schon wieder beseitigt haben kann, wenn die Gäste eintreffen. Hühnersuppe habe ich das erste Mal gekocht, als eine Freundin unter einer besonders hartnäckigen Erkältung litt. Allmählich habe ich meine Küche besser ausgestattet und habe einfach mal dieses oder jenes ausprobiert. Eine Freundin, die mich schon kannte, als ich meine Gäste noch mit Kassler bewirtete, weil man daran nun wirklich nichts falsch machen kann, stellte mal einigermaßen überrascht fest, dass mein Gewürzregal seinen Namen inzwischen verdient. Kritik bekomme ich auch hin und wieder, so fand eine Russin, dass mein Borschtsch zwar gut schmecke, aber die Farbe sei mir nicht gut gelungen. Beim nächsten Mal werde ich ihren Rat befolgen und etwas Essig hinzugeben, damit der Borschtsch die Farbe der Roten Bete behält. Einmal passierte es, dass meine Mitbewohnerin mich voll Panik ansah, weil unsere Nachbarin jeden Moment klingeln würde und die Spargelsuppe leider irgendwie nach gar nichts schmeckte. Mit Wein und Sahne haben wir die Suppe in letzter Minute gerettet. Wahrscheinlich werde ich zwar in meinem Leben keinen Kochwettbewerb gewinnen, schon allein deshalb, weil ich mich nie bei einem bewerben würde, aber so lange es meinen Gästen schmeckt, wie bei meiner letzten Geburtstagsfeier der afrikanische Lamm-Erdnuss-Topf, bin ich vollkommen zufrieden. Lieferpizza gibt es jedenfalls nur noch, wenn die Küche renoviert wird.
Eigentlich habe ich es ja schon immer gewusst: Es ist einfach eine Frage des Ausprobierens. Je mehr ich versuche, desto mehr Spaß macht es. Und Fortschritte stellen sich fast wie von allein ein.
Ach so, was das mit Schreiben zu tun hat? Ich glaube, auch da geht es ums ausprobieren und weitermachen. Jedenfalls schreibe ich nicht mehr ausschließlich für die Schublade und wenige Vertraute. Manchmal schmeckt es vielleicht etwas fade oder die Farbe stimmt noch nicht ganz. Aber es hilft, wenn jemand dann Essig empfiehlt oder einfach Sahne dazugibt.
Und so, wie es wohl noch eine Weile dauert, bis ich mich an ein Fünf-Gänge-Menü wage, wird es wohl auch noch eine Weile dauern, bis mein Roman fertig wird – ich arbeite noch dran. Schließlich soll er Ihnen schmecken.

Ihre Dorrit Bartel

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