Nichtschreiben ist wie Nichtlaufen. Nach spätestens vier Tagen fangen die körperlichen Beschwerden an: ein diffuses Ziehen im Bauch (sitzt hier das schlechte Gewissen?), der Ansatz von Kopfschmerzen und – das untrüglichste Zeichen – eine Unruhe inwendig, die meine Extremitäten zappeln und mich von einem Ende der Wohnung zum anderen tigern lässt oder sieben Mal in der Minute vom Sessel aufstehen, auf dem ich es mir Mal um Mal gemütlich gemacht habe.
Sie glauben mir nicht? Es ist aber so. Und dabei meine ich mit Nichtschreiben nicht einmal nur das physische Aufschreiben, den Prozess, bei dem ich Stift und Papier brauche oder ein technisches Gerät, sondern auch das Schreiben im Kopf, wenn sich mein Hirn die nächsten Sätze zurechtlegt oder den Verlauf einer Geschichte, an der ich arbeite. Mein Schreibhirn braucht Bewegung, genauso wie mein Körper. (Über die anregende Wirkung des Laufens war in diesem Blog schon früher die Rede, hier nämlich.) Ohne Training schlaffen beide ab, werden träge und sind irgendwann so faul, dass andere Optionen als Couchhocken undenkbar werden.
Also muss ich laufen. Und schreiben. Am besten jeden Tag. Bevor die Unruhe kommt und mit ihr eine Gereiztheit, die Klimakteriumsgeplagte dazu brächte, Stoßgebete gen Himmel zu senden, aus Dank davon verschont geblieben zu sein. Deshalb gilt es eigentlich, das Nichtschreiben zu verhindern.
Es lässt sich aber manchmal nicht verhindern, das Nichtschreiben. In manchen Phasen des Lebens sind die Intervalle zu kurz, ich brauche mehr Zeit, um mit meinem Stoff Fahrt aufzunehmen, zu kurz. Als ob Sie zum Aufwärmen nur hundert Meter Strecke vor sich hätten, Ihre Muskeln aber mindestens einen Kilometer brauchen, um ihre volle Leistung zu entfalten. Also ziehen Sie die Laufschuhe erst gar nicht an. Lohnt sich nicht, sagen Sie. Sehen Sie?
So ist es auch mit dem Schreiben. Bei mir jedenfalls. Wenn ich weiß, dass meine Aufmerksamkeit in fünf oder zehn Minuten anderweitig beansprucht wird, fange ich erst gar nicht an. Ich könnte woanders schreiben, sagen Sie, wo meine Aufmerksamkeit nicht gefordert ist. In einem Café zum Beispiel oder in einer Bibliothek. Stimmt. Aber würden Sie in ein Café gehen oder sonst wohin, wenn Sie dadurch jemanden im Stich lassen, der Ihre Aufmerksamkeit braucht? Nein, würden Sie nicht.
Deshalb übe ich mich in solchen Phasen in einer anderen Tugend, die Schreiber und Läufer ebenso nötig haben wie Training: in Geduld. Denn wie alles im Leben gehen diese Phasen vorüber, kehren die Zeiten wieder, in denen die Intervalle ausreichen für einen ausgiebigen Waldlauf. Anschließend setzen Sie sich an den Schreibtisch und notieren die Sätze, die Ihnen beim Gehen aus dem Kopf gepurzelt sind – und stellen fest: Es läuft wieder.
In diesem Sinne: Immer geduldig und gelassen bleiben. Und laufen.
Ihre und eure
Andrea Gunkler
PS: Hier ist vom Laufen die Rede, aber nur, weil es so schön zum Bild des Nichtlaufens passt. In Wahrheit tue ich mir das nicht mehr an. Waldläufe sind bei mir ausgedehnte Spaziergänge bis Wanderungen.