Horst-Dieter liest…

Cay Rademacher Die Passage nach Maskat

Im Spätsommer 1929 begibt sich der Berliner Fotoreporter Theodor Jung auf eine Reise mit dem luxuriösen Dampfer Champollion von Marseille über den Suezkanal nach Maskat. Er hat der „Berliner Illustrierten“ diesen Auftrag abgerungen. Mit dabei sind auch seine Frau Dora und deren Familie, die aus anderen – geschäftlichen – Gründen nach Maskat fahren. Gleich zu Beginn teilt ihm der Prokurist der Firma mit, er solle lieber verschwinden und sich auch von seiner Frau trennen, sonst würde Schlimmes passieren. Jung schlägt die Drohungen in den Wind, doch nach ein paar Tagen ist seine Frau spurlos verschwunden, und niemand auf dem Dampfer will überhaupt wahrgenommen haben, dass sie mit an Bord gegangen ist.

Der Roman hat mich nicht überzeugt. Er wirkt auf mich, als wäre er schnell und schlampig hingeschrieben, was er vermutlich nicht ist. Aber es gibt zu viel unlogische Details darin und nicht zu Ende gebrachte Nebenhandlungen. Dass im Nachhinein einige unlogische Details (z. B. die Fahrt von den Bitterseen nach Luxor) aufgeführt werden, scheint mir ein wenig nachgeschoben zu sein. Vielleicht hat die Lektorin den Autor darauf hingewiesen, und Herr Rademacher hatte keine Lust mehr nachzubessern. Oder er wollte, aber der Verlag hatte keine Zeit mehr, weil die Druckerei gebucht war und das Buch auf den Markt sollte. Auch die fotografischen Details stimmen nicht, und selbst unter Berücksichtigung der Angaben im Nachwort bleibt das alles sehr im Dilettantischen.

Das Kurioseste ist der Passus um die kleine Dunkelkammer, die er in einem „Beutel“ mal eben aus dem Schrankkoffer holt und über mehrere Treppen hinauf in die erste Klasse bringt. Der Vergrößerer ist ein mächtiges Ding und sehr schwer. Fotografen haben damals ihre Platten und Rollfilme per Kontaktabzug entwickelt. Dazu genügen Fotopapier, auf das die Platte gelegt wird (oder der Film, durch eine Glasplatte beschwert), und eine normale Lampe, um das Papier zu belichten.

Über diese Details, die die meisten Leser sowieso nicht wissen und die nicht stören, könnte man hinwegsehen, aber über die Handlungsschwächen eher nicht. Dass sich eine Stewardess mal eben einen Tag lang aus dem Dienst stehlen konnte, ist unwahrscheinlich. Stewardessen standen unter Aufsicht und hatten einen harten Job (haben sie vermutlich heute noch). Wenn eine allzu lange auf dem WC blieb, wurde man vermutlich schon unruhig, und es gab einen Anschiss. Ich hatte auch selten das Gefühl, dass sich die Geschichte in den „Goldenen Zwanzigern“ abspielt, wie es auf dem Klappentext behauptet wird. Etwa ein Drittel lang bleibt man im Unklaren, wer der Täter und was mit Dora passiert ist. Dann kommt man mit wenig Kombinationsgabe auf die Lösung des Rätsels. Viel zu früh für einen guten Kriminalroman. Das Romanpersonal wirkt wenig überzeugend, einzig Max Totzke, ein Berliner Kleinkrimineller, kommt glaubhaft herüber. Der Schluss ist seltsam unvollendet. Auch dies nährt den Verdacht, dass der Autor froh war, mit dem Schreiben fertig zu sein, und das Manuskript aus dem Haus haben wollte.

Ich hatte vorher bereits einen der Hamburger Nachkriegskrimis von Rademacher gelesen. Der war klasse, gut recherchiert und ohne Lücken in der Handlung. „Die Passage nach Maskat“ gehört zu den Büchern, die man nicht gelesen haben muss. Schade, Idee und Stoff sind gut gewählt, aber schlecht ausgeführt.

Horst-Dieter Radke

Teilen: