„Ich fühle mich wie jemand, der ein gutes Restaurant eröffnet hat“

Bartel_Hamann

Foto:  Cordula Hamann

(links: Dorrit Bartel, rechts: Cordula Hamann)

Ein Interview mit Cordula Hamann

Es fragt: Dorrit Bartel

In unserem Oktober-Interview stelle ich Ihnen Cordula Hamann vor, die seit 2007 Vereinsmitglied und seit 2011 stellvertretende Vorsitzende des Vereins ist. Außerdem betätigt sie sich als Admine des Forums der 42er Autoren.

Als ich Dich letztes Jahr kennenlernte, warst Du gerade auf der Suche nach einem Verlag für Deinen ersten Thriller: „Glasgesichter“. Kurze Zeit später hast Du eine Agentur gefunden, die Dich vertritt, und das Buch erscheint am 10. Oktober. Mit  „Spurlos im Schnee“ erscheint ein halbes Jahr später bereits Dein zweiter Thriller, ebenfalls im Mira Taschenbuchverlag. Und zwischendurch – im Januar – erscheint als E-Book im Verlag books2read „Die Leihtochter“. Hast Du jetzt das Gefühl, dass Du jetzt den Durchbruch geschafft hast?

Bevor man von Durchbruch sprechen kann, muss sich zeigen, wie die Leser es annehmen und wie die Kritiken zu „Glasgesichter“ sind. Ich hoffe, mit „Spurlos im Schnee“ etwas gleich Gutes abgeliefert zu haben.

Ich fühle mich wie jemand, der ein gutes Restaurant eröffnet hat, die ersten Gäste haben Bewertungen geschrieben, wie: ‚Super, Leute geht da hin und esst da!’ Aber ich habe es noch nicht geschafft, das Haus dauerhaft voll zu kriegen.

Wann hast Du ernsthaft angefangen zu schreiben – also: Wie viele Jahre hast Du gebraucht, um an diesen Punkt zu kommen.

2004 habe ich ernsthaft mit dem Schreiben angefangen. 2007 kam „Der Traumapfel“ heraus. Das heißt, 2004 bis 2007 war noch sehr wenig. Das passte gut zu den allmählich abnehmenden beruflichen und familiären Verpflichtungen.

„Der Traumapfel“ ist im Novum Verlag erschienen, einem Druckkostenzuschuss-Verlag. Würdest Du das wieder so machen?

Natürlich auf gar keinen Fall! Inzwischen bin ich ja informierter.

Aber Du bist jetzt im Frieden damit?

Ja. Objektiv war es eine Idiotie, denen zu glauben, dass der Verlag nicht allein das Risiko tragen kann und dass das so üblich sei. Subjektiv aber war ich eine Anfängerin ohne Kenntnisse von der Branche und ohne Kontakte zu anderen Autoren. Heute sehe ich, dass der Roman viele handwerkliche Fehler hat, aber damals hatte ich das Empfinden, eine lesenswerte Geschichte geschrieben zu haben.

Der normale Weg ist vielleicht, dass man sich – wie viele bei uns im Forum – vor einer Veröffentlichung mit Leuten austauscht, die einem sagen: Das ist eine Umdrehung vom Verlagsprinzip. Das hatte ich nicht. Ich bin ja mit null Kontakten zu anderen Menschen in dieser Richtung gestartet.

Ich gräme mich nicht – es war eine Fehlentscheidung, aber ich habe das Beste daraus gemacht. Ich habe mir dann die Rechte vorzeitig wiedergeholt und das Buch überarbeitet. Klar hätte ich es nach meinem heutigen Stand anders erzählt, aber ich habe es jetzt in einer vernünftigen, lesenswerten Form als E-Book herausgebracht. Damit ist das Thema Novum für mich abgeschlossen.

Bei den 42ern hast Du dann ja gelernt, dass es nicht so sein muss, dass man für eine Veröffentlichung zahlt. Wie bist Du auf die gestoßen?

Internetrecherche. Es hatte mir wahnsinnig viel Spaß gemacht, „Der Traumapfel“ zu schreiben. Das war eine ganz, ganz aufregende Zeit und ich dachte, jetzt ist der Moment gekommen, wo ich mich mal mit Leuten unterhalten sollte, die die Branche kennen. Langsam begriff ich ja dann auch, dass da mit „Der Traumapfel“ nichts passierte – keine Öffentlichkeitsarbeit, keine Verkäufe. Und dann bin ich bei den 42ern gelandet, habe – wie das alle so machen – eine Weile im Forum mitgelesen und dann den Antrag gestellt.

Inzwischen bist Du die Admine der 42er – hattest Du so viel Ahnung von der Materie?

Jein. Ich bin in vielen Dingen in meinem Leben Autodidakt. Mich stört es, etwas zu tun, wenn ich denke, ich kann das nicht richtig oder ich verstehe nicht, was ich da tue. Das ist auf allen Gebieten so. Wenn ich es dann aber doch machen muss oder möchte, eigne ich mir so viel Wissen an, dass ich mich da drin nicht mehr verloren fühle. Zu dem Zeitpunkt, als ich das übernommen habe, hatte ich schon meine Homepage geschrieben, hatte schon an der meines Mannes mitgearbeitet und noch eine weitere in der Mache. Also ein bisschen Durchblick hatte ich schon, sonst wäre das nicht gegangen.

Wie viel Zeit verbringst Du mit Deinem Brotberuf und wie viel Zeit bleibt Dir dann für das Schreiben und alles, was rund um das Schreiben zu tun ist?

Ich würde sagen, zwei Drittel Literatur, ein Drittel Brotberuf; tendenziell und phasenweise schon drei Viertel Literatur, ein Viertel Brotberuf. In dem Anteil Literatur ist auch viel enthalten, das nur im weitesten Sinne damit zu tun hat, wie Forumspflege, aktiv sein im Forum, Administration, Entscheidungen zu treffen im Vorstand, Facebook-Kontakte zu pflegen. Was auch noch dazuzurechnen ist: Werbematerialien erstellen, Lesungen vorbereiten, sich für Lesungen überhaupt bewerben – das ist auch ein erheblicher Zeitaufwand. Es gibt natürlich Zeiten, wo ich 100 % schreibe. Und dann wieder andere, wo ich es anders aufteile oder 100 % was anderes mache und gar nicht schreibe.

Zeiten, in denen Du gar nicht schreibst, gibt es die oft, gibt es die lange? Wenn Du ein Projekt abgeschlossen hast?

Nein, ich habe immer schon ein zweites Projekt, wenn nicht sogar ein drittes. Die Freude des eigentlichen Schreibens an einem Roman lässt nämlich nach, je mehr ich mich dem Wort Ende nähere. Denn das Wort Ende bedeutet, dass in meinem Kopf die Sache schon gelaufen ist und ich es „nur noch“ zu Papier bringen muss. Es sind meistens so die letzten zwei, drei Kapitel, wo ich Weg und Umfang bis zum Ende genau kenne und schon beginne, ziemlich konkret das nächste Projekt zu konzipieren.

Wie lange schreibst Du an einem Roman? Und überhaupt: Ist das immer gleich oder gibt es Unterschiede? Passiert es Dir, dass Du einen Roman liegen lässt, weil eine andere Idee Dir dazwischen kommt?

Das habe ich eigentlich nicht so gerne. Ich versuche schon, die Sache immer zu Ende zu schreiben, auch wenn ich dafür keinen Vertrag habe. Es dauert schon ähnlich lang – etwa ein dreiviertel Jahr. Allerdings habe ich auch schon einen Roman vier Mal geschrieben – nämlich „Unter der Treppe“.

Früher hieß es mal „Das Zimmer“ und war das Buch, das mir am allerallerschwersten gefallen ist. Dafür habe ich damals unglaubliche Schelte im Forum gekriegt und habe bestimmt ein Drittel – über 100 Seiten – ersatzlos weggeschmissen. Ich habe es überarbeitet, aber es war dann noch nicht gut. In einer ganz anderen Konstellation habe ich es noch einmal geschrieben, da war es schon besser. Nach dem dritten Schreiben fand ich das Buch endlich rund, wusste aber nicht, was ich damit machen sollte. Ich hatte es ja früher schon Verlagen angeboten und meine Agentin meinte, das passt nicht in das Portfolio. Und als es eine Ausschreibung von einem neuen Verlag gab, der Novellen veröffentlicht, habe ich es noch mal neu geschrieben als Erzählung auf 150 Seiten. Danach fand ich es richtig gut. Hab‘ eine ganz ausführliche Superkritik bekommen, auch wenn der Verlag sich – mit guten Argumenten – dagegen entschieden hat. Kürzlich habe ich es anderswo noch einmal eingereicht – es in der Schublade versauern zu lassen, ärgert mich.

Wie hast Du am besten gelernt? Wie bist Du vorangekommen?

Nur durch andere, ganz klar die 42er, das Feedback der 42er. Ohne das hätte ich am Anfang sicher viel häufiger das Gefühl gehabt: Oh wow, schreibst Du toll! Hätte dann entsetzlich auf den Deckel gekriegt und wäre wahrscheinlich viel öfter frustriert gewesen.

Bei den 42ern habe ich ständiges Feedback. Immer wenn ich es möchte, stehen mir Menschen zur Verfügung, die ich fragen kann: Was haltet ihr von der Idee, was haltet ihr von den Figuren? Ich kann Text vorlegen und die sagen entweder: ‚Das geht aber gar nicht!’, oder aber: ‚Ja, Du bist auf einem guten Weg, aber es ist noch schlecht.’ Es ist auch schon passiert, dass sie sagten: ‚Ist echt gut.’ Dieses ständige Feedback ist das einzige, wo man sich weiterentwickeln kann. Mit der Zeit bekommt man auch ein Gefühl dafür, ob ein Text gut ist.

Ich mache außerdem viel Lektoratsarbeit mit anderen, die handwerklich gesehen noch nicht so viel Übung haben. Und da lerne ich wiederum auch ganz viel, wenn ich erkläre: ‚Guck mal, wie die Wirkung ist, wenn Du das vielleicht in der Form schreibst! Oder versuch es doch mal so! Oder schau mal, hier wackelt die Perspektive!’ Das bringt auch mir ganz viel.

Gab es Momente, in denen Du selber das Gefühl hattest: Wow, jetzt habe ich wirklich einen richtigen Sprung gemacht?

Nein, das war eher eine kontinuierliche Entwicklung.

Aber in klein gibt es den Wow-Effekt schon. Den letzten hat mir Tom Liehr beschert. Er fand meine Figur unglaubwürdig und meinte, es müsse alles, was passiert in der Geschichte, zwingend passieren. Ich habe das Problem an meinem Text nicht gesehen und ihn gebeten, mir das zu erklären. Das hat er getan und auf einmal habe ich verstanden, was er meinte. Das war, als ob ein Schalter umgelegt wurde.

Zehn Jahre sind lange, wenn man vor sich hinschreibt und nicht weiß, ob es was wird, ob man Erfolg hat. Wie hast Du Dich die ganze Zeit motiviert und gab es irgendwann einen Moment, in dem Du dachtest: Ich lass‘ es, es wird nichts.

Es gab auf jeden Fall mehrere Momente, wo ich es lassen wollte und frustriert war, weil ich bei keinem Verlag untergekommen bin, bei keiner Agentur. Ich habe halt Ablehnungen bekommen und teilweise auch schlechte Kritiken im Forum, von Kollegen. Da gab es Momente, wo ich gesagt habe, ich bin nicht gut genug, ich lasse es. Ich hatte auch ein schlechtes Gewissen, weil mein Mann quasi allein für unseren Unterhalt sorgt. Bis zu diesem Jahr habe ich ja damit noch nichts verdient. Und das Garantiehonorar ist auch überschaubar.

Die Motivation zu schreiben habe ich aber – außer aus den genannten Gründen – noch niemals verloren.

Die Hälfte des Jahres schreibst Du in Spanien – wo Du mit Deinem Mann immer den Winter verbringst – hat das einen Einfluss auf Dein Schreiben?

Auf das Schreiben wirkt sich das nicht aus. Ich kann überall schreiben. Es ist dort nur wärmer und sonniger als hier in Berlin.

Und wann zieht ihr ganz nach Spanien?

Das weiß ich nicht. Es ist schon angedacht, aber ich habe aufgehört, so etwas langfristig zu planen. Man weiß nie, was kommt. Ich genieße das einfach sehr, es ist jetzt das siebte Jahr, dass ich nach Spanien gehe, das ist schon sehr schön.

Dann wünsche ich Dir auch für die kommenden Monate in Spanien viel Sonne, während sich hier Dein Thriller hoffentlich gut verkauft und gute Kritiken bekommt.

Danke für das Gespräch.  

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