Jahresrückblick 2018

Das Jahr 2018 ist Geschichte und produzierte Geschichten. Wenn man’s genau nimmt, ist das Jahr an Letzterem allerdings unschuldig, da es für die in ihm agierenden Personen keinerlei Verantwortung trägt. Diese Personen hingegen, seien sie auch noch so weit von Literatur entfernt, deckten mit ihrem Tun nahezu sämtliche Literaturgattungen ab, womit ein – wenn auch eher uneleganter – Bogen von Politikern, Sportlern, sonstigen A-bis-Z-Prominenten und Normalsterblichen zu der Kunstgattung, die uns allen am Herzen liegt, geschlagen wäre.

Horror wurde uns professionell und anschaulich nahegebracht von einer knappen Handvoll unbegabter, aber einflussreicher Nachwuchskünstler der aufstrebenden Jong-Un-, Trump-, Erdogan- und Putingruppe, einer Ansammlung größenwahnsinniger Testosteronopfer, die uns nach vielen ereignisarmen Jahrzehnten endlich mal wieder ins Bewusstsein rief, dass Frieden nicht unbedingt als Dauerzustand existieren muss.

Fantasy und Humor wurden von einem echten Allrounder präsentiert, der bereits den Horrorsektor entscheidend mitgeprägt hat: Donald Trump. Den humoristischen Part hatte er ursprünglich seiner Handpuppe Sean Spicer zugedacht, der seine Sache auch dermaßen professionell erledigte, dass man ihn bereits mit seinem historischen Pendant Comical Ali, dem legendären Witzeerzähler Saddam Husseins, auf eine Stufe stellte. Trump selbst beschränkte sich zunächst auf den Fantasybereich, indem er seine wirren Hirngespinste von seiner Beraterin Kellyanne Conway als „alternative Fakten“ euphemisieren ließ, um sie (die Hirngespinste, nicht Conway) weniger dümmlich erscheinen zu lassen, torpedierte diese Intention aber permanent selbst, sobald sein Mund Laute produzierte. Sein großes Vorbild findet Trump ebenfalls in der Literatur: Pippi Langstrumpf, deren Weltanschauung er augenscheinlich nacheifert.

Dramatik lieferte uns leider nicht – wie ursprünglich erhofft – die Löwsche Rentnertruppe, da diese sich völlig undramatisch nach der Vorrunde aus dem Turnier verabschiedete, um stattdessen an einer Butterfahrt mit Heizdeckenverkauf teilzunehmen. Nein, für Dramatik sorgten alternativ zwei von Löws Spielern, die beide in Gelsenkirchen (Anm. des Chronisten: Stadt in Deutschland; Anm. des im Chronisten beheimateten BVB-Fans: Keine sehr schöne Stadt) geboren und mit deutschem Pass ausgestattet sind. Diese beiden Jungs huldigten öffentlich „ihrem“ Präsidenten. Für die beiden deutschen Staatsbürger ist der Inhaber dieses Amtes Frank-Walter Steinmeier, für Fußballprofis üben zusätzlich der FIFA- und der jeweiligen Vereinspräsident eine präsidiale Funktion aus; eine entsprechende Huldigung hätte bestenfalls eine untergeordnete Pressemeldung nach sich gezogen. Dummerweise haben Mesut Özil und Ilkay Gündogan aber nicht einen der Genannten als „ihren“ Präsidenten bezeichneten, sondern einen türkischen Despoten und Massenmörder. Das nahmen ihnen sehr, sehr viele Menschen übel, zumal die einzige Verbindung der Fußballer zu dem Typen die ist, dass ihre Eltern und/oder Großeltern in dem Land aufgewachsen sind, in dem er herrscht. Ein Riesenaufschrei ging durchs Land, begleitet vom in Deutschland obligatorischen Vorwurf der Ausländerfeindlichkeit. Aber mal im Ernst: Was wäre wohl, wenn Manuel Neuer, Marco Reus oder Mats Hummels am 20. April jedes Jahres offiziell Führers Geburtstag feiern würden, und zwar mit der durchaus adäquaten Argumentation, dass Hitler der frei gewählte Kanzler ihrer Urgroßeltern war? Nein, ich will Hitler und Erdogan um Gottes Willen nicht gleichsetzen, nicht einmal annähernd – aber die Begründung wäre in beiden Fällen vergleichbar dämlich.

Krimi – oder Liebesroman mit unhappy End? Die Bundestagswahl – ja, ich weiß, sie fand bereits 2017 statt, aber außer unserem Gang zur Wahlurne ist diesbezüglich in dem Jahr nicht viel passiert; die richtige Action gab’s erst 2018. Die am Boden liegende SPD, die sich noch 2013 strikt geweigert hatte, den Kanzler zu stellen und federführend die Regierungsverantwortung zu übernehmen, wollte der Bundesraute jetzt aber mal so richtig zeigen, wie man trotz Schwindsucht den starken Mann markiert – um kurz danach erbärmlich einzuknicken und festzustellen, dass sich unter dem Boden, an den man sich gerade erst als Erstwohnsitz gewöhnt hatte,  dummerweise noch ein Kellergeschoss befindet, in das man noch hinabsteigen kann. Gute Reise, SPD!

In diese Gattung fällt aber noch ein weiteres Ereignis, das sich schon fast BEResk in die Länge zieht: der Brexit. Die May ist gekommen, die Briten treten aus. Was auch immer gerade im Entzweiten Königreich passiert, stellt sich nach außen hin sehr unübersichtlich dar und bietet im neuen Jahr vielleicht noch die eine oder andere Überraschung.

Aber genug der literarischen Politik. Schließlich fanden auf der Welt noch andere aufsehenerregenden Ereignisse statt – zum Beispiel bei den 42erAutoren. Einer der Höhepunkte war, wie schon so oft, unser Putlitz-Wochenende. Die MV wurde dank der straffen und überaus professionellen Leitung des stellvertretenden Vorsitzenden, der zufällig eine Personalunion mit dem sich gerade selbstbeweihräuchernden Verfasser dieses Rückblicks bildet, in absolut konkurrenzlosen 120 Minuten abgewickelt. Traditionell standen auch diesmal wieder die Scheunenlesung und die Preisverleihungen nebst dem gewohnt liebevoll gestalteten Putlitzer Rahmenprogramm (Fanfarencorps, sehr professionelles Schulorchester, Bier und Spargelsuppe in der Pfarrscheune) auf dem Plan. Als Novum gab es diesmal zusätzlich zu den Preisträgern des Kurzgeschichtenwettbewerbs die Gewinnerin unseres Romanpreises, mit dem wir künftig jährlich den humorvollsten Roman des vergangenen Jahres prämieren wollen. Die Siegerin heißt Anna Basener, ihr Werk trägt den eingängigen Titel „Als die Omma den Huren noch Taubensuppe kochte“. Es gelang ihr, einen Auszug so charmant vorzutragen, dass das leicht schlüpfrig anmutende Thema des Romans dem Ort des Vortrags – der Putlitzer Kirche – keine Sekunde lang unangemessen war.

Auf Bitten derer zu Putlitz probierten wir diesmal ein anderes Hotel aus als das in den Vorjahren bevorzugte, und alle, die darin wohnten, waren hellauf begeistert. Angefangen vom üppigen, ausgesprochen abwechslungsreichen Frühstück über einen Mittagstisch, der qualitativ und quantitativ in jeder Hinsicht überzeugte, bis hin zum rund um die Uhr freundlichen und aufmerksamen Personal und den Zimmern: alles super (zumindest ist mir nichts Gegenteiliges zu Ohren gekommen)! Ein Wochenende in Putlitz ist dadurch noch ein bisschen mehr der Hammer als sonst schon, und wer das noch nie miterlebt hat, hat definitiv etwas verpasst.

Aber neben dem Vergnügen (Bei allem Aufwand, der dahintersteckt, fällt Putlitz definitiv in diese Rubrik) wurde im Verein auch noch anderweitig gearbeitet: Das Forum wurde umfassend umgestaltet und wirkt jetzt tatsächlich frischer (obwohl ich diesen Werbejargon ansonsten hasse), und nach kurzer Zeit findet man auch alles wieder, was man sucht.

  • Im Blog erscheinen nach wie vor regelmäßig wöchentlich zwei Beiträge. Das ist eine ganze Menge, und die Tatsache, dass trotzdem eine gleichbleibend hohe Qualität angeboten wird, ist dem überaus engagierten Blogteam geschuldet.
  • Im wunderschönen Taubertal (das mit dem „wunderschön“ behauptet Horst-Dieter zumindest immer, aber aufgrund der ihm eigenen Seriosität nehme ich das mal für bare Münze) wurde eine Lesung veranstaltet, die völlig unter dem Zeichen der 42er stand: Auf der Speisekarte wurden 42 verschiedene Flammkuchen angeboten, und nach Lesung, gemütlichem Beisammentrinken, Übernachtung und Frühstück verabschiedeten sich die Teilnehmer in die ausschließlich im Taubertal zur Verfügung stehenden 42 verschiedenen Himmelsrichtungen (das habe ich aus für gewöhnlich seriöser Quelle erfahren, die ich hier aber nicht nennen möchte – DSGVO, Ihr wisst schon …)
  • Außerdem rauchten zahlreiche Köpfe auf zwei TAW (für Nichtinitiierte: Textarbeitswochenenden). Eines davon wurde in Potsdam veranstaltet, aber die Inhalte wurden dermaßen geheim gehalten, dass selbst die von mit beauftragten Privatdetektive Matula und Wilsberg (ja, okay, es sind beides alte Säcke, aber mir steht nur ein begrenztes Spionagebudget zur Verfügung) nichts in Erfahrung bringen konnten, außer, dass es fünf Beteiligte gab. Ein Gefühl sagt mir, dass da im Verborgenen ein Bestseller geboren wurde. Mindestens einer …
  • Das zweite TAW fand in der Pfalz statt, ebenfalls mit fünf 42er-Mitgliedern. Hier flossen die Infos weniger spärlich: Von SciFi über Historienroman bis Psychodrama war alles vertreten, und allen Beteiligten gelang es dem Vernehmen nach, die eigenen Werke im Rahmen dieses Events deutlich zu verbessern.

So, genug der Worte. Ich wünsche allen 42ern/-innen/-außen/-wo-auch-immer sowie den angeschlossenen Sympathisantengruppen einen gesunden Einstieg ins nächste Jahr.

Möge der Verein wachsen und gedeihen! Möge die Macht mit Euch sein!
Kaelo (stellvertretender Vorsitzender)

 

Teilen: