Joan liest gerade: Edward Bulwer-Lyttons „Das Haus des schwarzen Magiers“

„Warum lässt du es nicht regnen? Regen ist immer stimmungsvoll!“

Das riet mir mein Vater vor vielen, vielen Jahren zu einer Szene in meinem ersten Roman. Ich war empört, ob des trivialen Einfalls und ließ stattdessen in der Ferne ein paar Hunde bellen …  Edward Bulwer-Lytton kannte meine Scheu vor Nässe ganz offensichtlich nicht, denn er gilt bis heute als Verfasser der wohl miesesten Eröffnung: „Es war eine dunkle und stürmische Nacht.“

Sogar einen Preis für die trivialsten ersten Sätze hat man nach ihm benannt und so war ich ehrlich gesprochen ein wenig enttäuscht, dass „Das Haus des schwarzen Magiers“ nicht mit einer Stilblüte solchen Ausmaßes beginnt. „Einer meiner Freunde, ein Schriftsteller und Philosoph, sagte eines Tages halb im Ernst, halb im Scherz zu mir: «Denke Dir, seit wir uns das letzte Mal sahen, habe ich mitten in London ein Haus entdeckt, in dem Geister umgehen.«

Das ist nun auch nicht gerade kongenial, aber immerhin solide. Und solide ist auch die ganze „rätselhafte Geschichte“, in der es –  wie Titel und erster Satz schon verraten – um ein Spukhaus mitten im London des 19. Jahrhunderts geht.

Nun ist die Erzählung erstmals 1919 auf Deutsch erschienen, folglich darf der moderne Leser nicht erwarten, dass ihm das Blut in den Adern gefriert. Für heutige Ansprüche ist Bulwer-Lyttons Gruselrepertoire eindeutig zu konventionell gestrickt und wenn der Erzähler angesichts schwebender Stühle von einem Taschenspielertrick redet, mutet das Ganze durchaus unfreiwillig komisch an. Aber je länger man liest, desto besser, desto grusliger wird es einem – das liegt weder an den kaum überraschenden Wendungen noch am eher blass bleibenden Protagonisten, sondern allein an der atmosphärischen Dichte der Erzählung. Und wenn ich nach der Lektüre auch nicht das Nachttischlicht anlassen musste, habe ich diese Novelle doch genossen und empfehle sie  gern an alle, die Freude an klassischen Schauergeschichten haben. Zu finden ist der Text  in der Bibliothek Gutenberg, als PDF zum Download und auch als kostenloses E-Book für amazons kindle.

Ihre Joan Weng

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