Joan liest gerade: Jacqueline Susann – Das Tal der Puppen (Liebesroman)

Es gibt klassische Liebesromane und Romane, denen man nicht auf den ersten Blick ansieht, dass es im Grunde Liebesromane sind. Jacqueline Susanns Skandalbuch „Das Tal der Puppen“ fällt in letztere Kategorie – denn obwohl es zwischen den Seiten und den Laken für die Sechzigerjahre sehr heftig zur Sache geht (Stichwort: Skandalbuch), kommt die romantische Liebe schlecht weg.

Da ist beispielsweise die sanfte Neuenglandschönheit Anne, die sich unsterblich in den attraktiven, aber amoralischen Autor Lyon Burke verliebt und über der Beziehung schließlich Karriere, Moralvorstellung und den Glauben an die Menschheit verliert; oder die Leinwandgöttin Jennifer, welche im Lauf des Romans einen Prinzen, einen infantilen Filmstar und ihren eigenen Manager heiratet – ohne für irgendeinen mehr als berufliches Interesse aufzubringen. Und nicht zuletzt Neely, das süße, lustige Showgirl, das es bis nach ganz, ganz oben schafft und dabei nicht nur über Ehemänner geht, sondern auch über Freundschaft und Anstand.

Der Roman verfolgt das Leben dieser drei sehr ungleichen Freundinnen vom Ende des 2. Weltkriegs bis in die Sechzigerjahre, von New York über Paris, über Hollywood bis in das titelgebende „Tal der Puppen“ – die euphemistische Beschreibung für einen durch Tablettenmissbrauch herbeigeführten komatösen Schlaf.

Die große Stärke des Buches ist, dass es niemals wertet und jede noch so abscheuliche Skrupellosigkeit im Filmbusiness kommentarlos vorführt. Als Leserin folge ich teils mit Abscheu, teils mit Mitleid, aber immer vollkommen fasziniert.

Aber warum nun halte ich „Das Tal der Puppen“ für einen Liebesroman? Ganz einfach, weil es einer ist – nicht unbedingt über die Folgen der tragischen Liebe, sondern vor allem über die Liebe zum Ideal. Es ist ein Roman über das Zerbrechen der Liebe zu einem Lebenstraum, die jedem Menschen innewohnt, und dieses Zerbrechen beleuchtet Susann nicht nur aus sehr unterschiedlichen Perspektiven, sondern auch auf höchst intelligente, dramaturgisch nahezu perfekte Weise.

Allein der Handlungsaufbau mit all seinen Wendungen und Drehungen, Finten und vermeintlichen Gewissheiten, diesem vollkommenen Spiel mit der Lesererwartung, macht Susanns Werk für mich zur Pflichtlektüre für jeden, der schreibt.

Prädikat: Unbedingt lesen!

Ihre Joan Weng

PS: Wir machen mit bei der „Lese-Challenge 2018: Reise durch die Genres“ von Gerngelesen.

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