Jürgen erzählt zu Weihnachten: Weinnachtsgeschichte

In unserer Familie war es Tradition, Weihnachten bei meiner Mutter zu feiern. Einige Jahre hat Soraya den Mund gehalten und alles mitgemacht, die Kinder waren noch klein, und am Ende hatte sie deshalb immer ein halbes Gläschen Wein zu viel getrunken, wo sie doch das ganze Jahr über keinen Alkohol anrührt, um keinen roten Kopf zu kriegen.

Soraya: Reine Notwehr! Was für ein ödes und geistloses Weihnachtsfest, kein Wunder, dass man an den Suff kommt: Ihr singt nicht, die Musik kommt vom Band und dann reißen alle wie auf Kommando ihre Geschenke auf. Nee! Es ist an der Zeit, dass ich mal ein bisschen Sinn und Pepp bei euch reinbringe.

Gesagt, getan.

In der nächsten Adventszeit legte Soraya sich richtig ins Zeug. Sie bastelte aus Schafwolle kleine Puppen, filzte Kleider, Umhänge, Bärte und Eselschweif und studierte das Oberuferer Christgeburtsspiel als Einpersonenstück ein. Tagelang saß sie auf der Couch und ließ auf dem Wohnzimmertisch die Puppen tanzen. Sie sang:

Vom himel hoch, da kum i her,
I bring eng guate neue mär.

Und begleitete sich dabei auf der selbstgebauten Waldorfleier. Wahnsinn! Ich guckte derweil Sportschau und störte sie nicht, denn wir hatten Gott sei Dank die Kopfhörer mit dem langen Kabel.

Dann der große Tag, Heiliger Abend. Wir alle bei meiner Mutter, am Baum brannten die elektrischen Kerzen. Wir wollten gerade nicht singen, da fing Soraya an:

Unsern eingang segne Gott,
Unsern ausgang gleichermaßen.

Wow!

Wir wollten gerade die Weihnachtskassette ins Kassettendeck schieben, da stellte Soraya die Hirten und Engel, Maria und Joseph, Ochs und Esel auf den Wohnzimmertisch.

Bombe!

Wir wollten gerade das Kommando zum Geschenkeaufreißen verkünden, da verkündete Soraya uns:

Ir liabn meini singa samlet eng zsam
Gleichwia die krapfen in der pfann.

Leck mich!

Alle waren platt und lauschten gebannt den Klängen des Christgeburtsspiels. Nur meine Mutter griff nach dem ersten Schreck zum Weinglas. Inga, meine Nichte, sagte mir nachher: Coole Story, aber könnte nicht auch noch ein Einhorn mitspielen? Und ihr Mann Kevin, Sänger einer Deathmetalband: Coole Mucke, nur der Engel und die Hirten sind ein bisschen spooky.

Soraya jedenfalls zog ihr Ding eisern durch, gab unserer Weihnachtsfeier wieder Sinn und Pepp, wie wir es zuvor nie geahnt, geschweige denn gekannt hatten. Sie endete mit:

So wünschn ma von God, dem allmächtigen,
A recht guate nacht.

Applaus, Applaus.

Erstaunlich, wie diszipliniert alle bis zum Schluss zuhörten, auch die Erwachsenen. Doch dann fiel uns wieder ein: Es ist ja Weihnachten, und wie auf Kommando rissen wir unsere Geschenke auf.

Soraya: Na, geht doch. Aber jetzt kann ich ein Gläschen vertragen.

Und danach hatten wir tatsächlich noch a recht guate heilige Nacht!

Ihr

Jürgen Block

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