Katze versus Kaktus – Autoren und Pflanzen

Manche Autoren haben Katzen. Oder Hunde. Und dann müssen sie natürlich auf dem Land in einem Haus wohnen, weil den Tieren das Leben in einer Mietwohnung nicht zuzumuten ist. Da habe ich es leichter. Ich habe nämlich Grünpflanzen.

Angefangen hat es vor zwanzig Jahren mit einem Kaktus.

Es war das Jahr, in dem eine meiner Protagonistinnen (deren Ähnlichkeit mit mir nur vage verhüllt war) hoffte, nicht schwanger zu sein, weil sie das Kinder-haben-wollen-Gen nicht hatte und sich schließlich nicht einmal um ihre Zimmerpflanze kümmern konnte. Sehr anschaulich beschrieb ich, wie ihr selbstgezogenes Apfelsinenbäumchen immer wieder wochenlang Dürre zu ertragen hatte, um dann anfallsweise überflutet zu werden. Das konnte ja nicht gut gehen und so überlebte das Apfelsinenbäumchen nicht lange, weder bei meiner Protagonistin noch bei mir.

In jenem Jahr nahm sich mein bester Freund sich das Leben. Außer Ratlosigkeit und Trauer blieben mir: zwei Bücher, das Porträt in Gips von mir, an dem er zuletzt gearbeitet hatte und eben der Kaktus, den ich in Pflege nahm, weil der schließlich nichts dafür konnte. Kakteen brauchen sehr viel weniger Wasser als ein Apfelsinenbaum, sagte ich mir und kann das heute bestätigen, mit meiner zwanzigjährigen Erfahrung als Zimmergärtnerin.

Später im selben Jahr verließ mich der einzige Mann, der mich je dazu gebracht hat, in mir nach dem Kinder-haben-wollen-Gen zu suchen. Ich fand es nicht und kurz darauf war der Mann weg. Die mickrige Dieffenbachie allerdings, die er mit in unseren gemeinsamen Haushalt gebracht hatte, war noch da. Irgendwie tat sie mir leid, wahrscheinlich, weil sie etwa so kläglich aussah, wie ich mich fühlte. Mitleid ist zwar keine gute Basis für eine Beziehung, manchmal funktioniert es trotzdem. Während meine Freunde mich mit Alkohol, Trost und guten Ratschlägen wieder aufpäppelten, versuchte ich es bei ihr mit Wasser und neuer Erde. Allmählich blühten wir beide wieder auf.

Die Yuccapalme, die kurze Zeit später dazukam, kaufte ich selber. Damit wenigstens irgendetwas Lebendiges, für das ich mich selbst entschieden hatte, wartete, wenn ich nach Hause kam? Um mir zu beweisen, dass ich mich sehr wohl um Lebewesen kümmern kann? Das weiß ich nicht mehr. Sicher ist nur: Alle drei sind noch bei mir. Der Kaktus, die Dieffenbachie und die Yuccapalme. Seit zwanzig Jahren ziehen sie mit mir durch die Gegend und haben sich in dieser Zeit mit mir an zwei Dresdner, fünf Kölner und inzwischen auch vier Berliner Wohnungen gewöhnt.

Irgendwann wurde ich wohl ein bisschen euphorisch, weil das so gut klappte und erweiterte meinen Wohnungsgarten. Ließ mir Pflanzen schenken, kaufte selber welche, zog sie aus Ablegern oder übernahm sie nach Trennungen. Wie die Goldfruchtpalme, zu deren frühkindlichen Zieheltern ich heute keinen Kontakt mehr habe. Sie bringt mit schöner Regelmäßigkeit neue Blätter hervor, wenn auch bislang noch keine Goldfrucht.

Oder die Efeutute, deren Ableger ich von einem – heute ebenfalls aus meinem Leben verschwundenen – Liebhaber mitgenommen habe. Nein, ich werde das nicht irgendwie psychologisch deuten, ebenso wenig wie die Tatsache, dass ich die Orchidee, die er mir schenkte, kürzlich wegen Ameisenbefall entsorgen musste. Bisschen Schwund ist immer und ich hoffe wirklich, dass es ihm gut geht.

Der Philodendron in meinem Arbeitszimmer erinnert mich an das Haus holländischer Freunde, in dem ich ein paar Jahre lang oft Urlaub gemacht habe, denn von dort habe ich den Ableger dieser Pflanze mitgebracht. Ihre Mutterpflanze lebt heute in Amsterdam, wo ich sie gelegentlich besuche.

Die Begonie hingegen, die gerade in üppigen Trauben voll rosafarbener Blüten geblüht hat, ist vermutlich eine Art Enkel jener Pflanze, die ich jahrelang besaß und so üppig wucherte, dass ich mindestens ein Jahr lang all meinen Freunden zu allen möglichen Anlässen Schösslinge von ihr schenkte. Vielleicht lag es daran, dass die Ursprungspflanze irgendwann einging, vielleicht war ihre Zeit einfach nur abgelaufen. Ich weiß es nicht, aber nach ihrem Ableben bekam ich den Spross einer Pflanze, die ich so großzügig verschenkt hatte. Eine botanische Familiensaga.

Was ich an den Pflanzen besonders mag: Sie brauchen viel weniger Zuwendung als ich früher befürchtet hatte. Einmal in der Woche Wasser, hin und wieder ein paar freundliche Worte, einmal im Jahr Dünger und alle paar Jahre größere Töpfe. Sie sind nicht beleidigt, wenn ich wochenlang auf Reisen bin und arrangieren sich mit den mehr oder weniger geeigneten Pflegeeltern, in deren Obhut ich sie zurücklasse.

Kompromisslos sind sie nur in Bezug auf Platz. Als stolze Zimmergärtnerin freut mich ihr Wachstum natürlich sehr. Gleichzeitig macht es mir Angst. Ich fürchte nämlich, ich werde auch eines Tages aufs Land ziehen müssen. Dann werde ich vielleicht doch noch eine Autorin mit Katze. Mit Katze und Grünpflanzen.

Ihre Dorrit Bartel

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Ein Gedanke zu „Katze versus Kaktus – Autoren und Pflanzen“

  1. Hey Dorrit,nach meinem Interwiev mit Claudia, weißt Du ich bin gelernter Gärtner,Blumen und Zierpflanzen,deshalb gibt es in meinem Haus sogut wie keine Pflanzen,ich mag Pflanzen nicht mehr einsperren, ähnlich wie bei Dir die Haustiere. Klar,ich habe einen großen Nutzgarten,da wächst und gedeiht manches.
    Ob Wohnung, wie bei Dir oder im Nutzgarten bei mir, die japanische Weisheit dazu allemal richtig, Wohnung, Garten, das ist egal:
    Willst Du für eine Stunde glücklich sein, so betrinke Dich.
    Willst Du für drei Tage glücklich sein, so heirate.
    Willst Du für acht Tage glücklich sein,
    so schlachte ein Schwein und gib ein Festessen.
    Willst Du aber ein Leben lang glücklich sein,
    so schaffe Dir einen Garten.

    – japanische Weisheit –
    gärtnerische Grüße
    Amos

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