Klimawandel? Gut zu wissen, wo die Arche Noah steht

Letzten Donnerstag habe ich mit meiner Frau bei kaltem, aber doch blauhimmligem Februarwetter in und um Gaukönigshofen eine kleine Wanderung gemacht. Über einen Spaziergang ging es schon hinaus, weil die Länge des zurückgelegten Weges etwas mehr als vier Kilometer ausmachte. Der Grund, gerade Gaukönigshofen auszusuchen, lag darin, dass wir schon oft auf dem Weg nach Ochsenfurt oder Kitzingen durchgefahren waren, und wir jedes Mal angesichts der schönen alten Häuser gesagt hatten: Wir müssten uns den Ort bei Gelegenheit in Ruhe ansehen. Das haben wir nun gemacht. Radio Gong Würzburg hatte den Ort im Jahr 2009 zur „coolsten Gemeinde Unterfrankens“ gewählt. Warum, ist bei einem Gang durch den Ort einem Ortskundigen nicht unbedingt sichtbar. Vielleicht weil es ein „Haus der Jugend“ gibt? Oder an einer Halle laufend Veranstaltungen angekündigt sind? Uns ließ das jedenfalls „kalt“, wobei wir auch Unterstützung vom Wetter bekamen.

Unser erstes Ziel war die „Arche Noah“, die am südwestlichen Ortsrand liegt. Dahinter verbirgt sich ein Streichelgehege, in dem alle Tiere wie in einer Arche zusammenleben. Jetzt in dieser Jahreszeit ist da kaum was los. Besucher außer uns sahen wir nicht, nur ein paar Menschen, die offensichtlich mit der Versorgung der Tiere beschäftigt waren. Aber für einen erneuten Besuch bei wärmeren Temperaturen in Begleitung der Enkelkinder ist diese Lokalität schon mal vorgemerkt.

Bei der weiteren Wanderung unterhielten wir uns dann über Werner Kleeman(n), der im Jahr 1919 in Gaukönigshofen geboren wurde. Der Vater war Getreidehändler und wurde nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten wie viele andere jüdische Mitbürger ruiniert. Der Sohn musste die Oberrealschule, die er in Würzburg besuchte, verlassen. Alte Freunde waren plötzlich keine mehr. Bei Ausschreitungen im Jahr 1938 wurde er verhaftet und ins KZ Dachau gebracht. Er konnte jedoch freigekauft werden und anschließend ins Ausland gehen, zunächst nach Großbritannien, wohin er die Familie nachholte. 1940 emigrierte die Familie in die USA, und Kleeman strich das zweite „n“ aus seinem Nachnamen – er wollte kein Deutscher mehr sein. Doch er kehrte noch einmal zurück, als Soldat der US Army. Sein Stubenkamerad hieß Jerry und hatte die Eigenart, auf einer alten Schreibmaschine herumzuhacken. Sein voller Name lautete: Jerome D. Salinger.

Kleeman und sein neuer Kamerad nahmen am D-Day teil, waren bei der Befreiung Paris dabei und lernten dort Ernest Hemingway kennen. Salinger schenkte ihm drei deutsche Luger-Pistolen, von denen er eine auch später immer bei sich trug. Nach der fürchterlichen Schlacht im Hürtgenwald, die sie überlebten, wurde er in Heidelberg stationiert. Von dort wollte er nach Gaukönigshofen, um eine Rechnung zu begleichen, was ihm jedoch von seinem Vorgesetzten untersagt wurde. Er reiste trotzdem und verhaftete mit vorgehaltener Luger den Mann, der ihn Jahre zuvor mit einem Gewehr gestellt und zum Abtransport nach Dachau gebracht hatte. Der US-Militärpolizei nannte er die Namen der Dorfbewohner, die an den Ausschreitungen 1938 teilgenommen hatten. Werner Kleemann starb 2018. Bis an sein Lebensende sprach er kein Deutsch mehr.

Aus Gaukönigshofen stammte auch Jakob von Hirsch (1765–1840), ein jüdischer Bankier und Kaufmann, der Hofbankier von König Maximilian I. von Bayern wurde. Vom König wurde er als erster bayerischer Jude in den erblichen Adelsstand erhoben. Man müsste die Geschichte seiner Familie noch weitererzählen, doch spielte sie sich nicht mehr in Gaukönigshofen ab, weshalb es hier bei dieser knappen Erwähnung bleiben soll.

Unsere Runde um und durch Gaukönigshofen endete so nicht unbedingt in fröhlicher Stimmung. Das sind zwar Geschichten aus der Vergangenheit, aber leider finden solche unsäglichen Dinge auch heute noch statt: Gräber werden geschändet, Beschimpfungen finden statt, und auch vor Anschlägen auf Synagogen schreckt man nicht zurück, nicht einmal vor Mord. Dieser Ungeist war nie verschwunden und drängt sich inzwischen wieder frech und arrogant in den Vordergrund, selbstlegitimiert durch die Behauptung, man würde sich für das deutsche Volk einsetzen. Die Nazis von heute sind genauso unverfroren und rücksichtslos, dreist und demokratiefeindlich wie die von damals.

Bis zum nächsten Beitrag

Ihr Horst-Dieter Radke

Teilen: