Der Sirenengesang des Ermittlergespanns der schottischen Autorin Val McDermid suchte mich auf dem Flughafen von Cancun heim, als ich in einer Buchhandlung nach Lektüre für den langen Heimflug suchte. 2002 erschien der erste Band der Serie „The Mermaids Singing“ (dt.: „Das Lied der Sirenen“). Der Name der Autorin sagte mir nichts, wahrscheinlich zog mich das türkis-silbrige Cover in seinen Bann. Und die ersten Sätze. Wie sie es oft tut, lässt McDermid im ersten Fall für Hill und Jordan den Täter als Ersten zu Wort kommen.
„You always remember the first time. Isn’t that what they say about sex? How much more true it is of murder.”
Dann fängt der Killer an zu erzählen, was der Besuch auf einer mittelalterlichen Burg, besonders der darin befindliche Folterkeller, bei ihm ausgelöst hat. Und das las ich, kurz nachdem ich in Rothenburg ob der Tauber das Kriminalmuseum besucht hatte. Das Kopfkino ratterte los, der Nervenkitzel hielt an, und so hatte ich das Buch zu drei Vierteln gelesen, bevor wir in Frankfurt landeten. Die Figuren hatten mich in ihrem Bann.
In der Serie arbeiten der klinische Psychologe Tony Hill und die Polizistin Carol Jordan in unterschiedlichen Konstellationen zusammen. Die ersten Fälle für Hill und Jordan sind durchaus brutal. Immer jagen sie Serienmörder, was das fiktive Städtchen Bradfield im Norden Englands wohl zu einem der Orte auf der Romanlandkarte mit der höchsten Serienmörderdichte macht. Und meistens gerät eine der Hauptfiguren unmittelbar ins Visier des Killers. Oder beide. Hill als Profiler erfährt zunächst Ablehnung, bis seine Erfolge ihm recht geben und er immer wieder als Berater hinzugezogen wird, auch von anderen Mitgliedern aus Carol Jordans Team.
Die Bücher leben – in den neueren Bänden sogar hauptsächlich – von der Beziehung zwischen Tony Hill und Carol Jordan, von der mal unterschwelligen, mal sehr offenen Anziehung, die jedoch wegen Tony Hills ungelöster persönlicher Probleme (er ist impotent) und Carol Jordans wachsendem Alkoholproblem nie dazu führt, dass aus den beiden ein Paar wird. Im Gegenteil. Im bisher vorletzten auf Deutsch erschienenen Band „Vergeltung“ lässt Val McDermid durch die Hand eines in der „Schlussblende“ schon mal dingfest gemachten Serienkillers, dem der Gefängnisausbruch gelang, das Band zwischen den beiden Ermittlern zerreißen. Als Leserin klappte ich das Buch zu und dachte: Wie will sie, also Val McDermid, das wieder kitten?
Ob sie es geschafft hat oder nicht, bringen Sie lieber selbst in Erfahrung. Es lohnt sich!
Die Hill/Jordan-Serie war Vorlage für die englische TV-Serienproduktion „Wire in the blood“, die im deutschen Fernsehen unter dem Titel „Hautnah – die Methode Hill“ lief. Seitdem kann ich keinen der Romane mehr lesen, ohne die Gesichter der Schauspieler vor mir zu sehen – was nicht schlimm ist, weil ich die Besetzung der Serie äußerst passend finde.
Im Januar 2017 erscheint der nächste Fall für Tony Hill und Carol Jordan in deutscher Sprache: „Schwarzes Netz“. Ob sich Val McDermid dann wieder ein perfideres Verbrechen ausgedacht hat und dafür den Hauptfiguren eine Verschnaufpause gönnt? Sie haben wahrhaftig genug durchgemacht.
Schaurig-schöne Lesestunden wünscht
Ihre und Eure Andrea Gunkler
Lust zu kommentieren, dann einfach HIER klicken.