Liebe auf Umwegen

Liebesgeschichte von Amos Ruwwe

Es fühlt sich noch immer neu an. Aus der Küche Geklapper, es riecht nach Bratkartoffeln. Mittagessen. Nicht mehr alleine am Tisch zu sitzen oder abends alleine fernsehen, das zweite Bett in der Nacht ist nicht mehr leer. Fühlt sich noch neu, aber gut an.

„Mein Herr, Mittagessen ist fertig. Hopp, raus aus dem Sessel, ran an den Tisch. Sonst fällst du mir noch vom Fleisch.“

Erwin lacht kurz, steht auf, setzt sich an den Esstisch. Schon kommt Christa mit zwei Tellern, Bratkartoffeln, mit Hering in Mayonnaise und Gurkenstückchen. Vor fünf Jahren, ausgerechnet an Muttertag, starb Hilde. Mit siebzig. „Das feiern wir zusammen mit deinem Geburtstag im August“, hatte sie an ihrem Geburtstag im Januar gesagt. „Im Januar kann man doch nicht so schön feiern wie im Sommer, ne?“ Sein Siebzigster war nicht wirklich schön. Die Kinder, Angelika, die älteste Tochter mit ihrem Sohn, die jüngste Tochter, der Sohn, hatten alle Zeit, bisschen Kaffee trinken, bisschen Kuchen essen, dann war er wieder alleine in seinem leeren Haus.

„Wie isset? Schmeckts?“

Er nickt Christa zu und nuschelt mit den Kartoffeln im Mund: „Wunnerbar.“

Und dann tauchte Christa auf in seinem Leben. Seniorenkaffee von der Sozialstation, einmal in der Woche, immer mittwochs von drei bis um fünf. „Da kannst du auch mal hingehen“, hatte seine Tochter ihm vorgeschlagen.

„Ich? Nie im Leben, da sind doch nur alte Leute,“ hatte er entrüstet geantwortet. Die Tochter hatte nur gelacht. „Und du? Kurz vor dem Dreißigsten, oder wie?“ Irgendwann kam sie dann an einem Mittwoch, holte Papa ab. Es gab Kaffee und Kuchen im Gemeindehaus. Heinz habe ich da getroffen, geht ihm so durch den Kopf.

„Was ist los? Irgendwas nicht in Ordnung? Du bist so still“, fragt Christa in sorgenvollem Ton.

„Ne, ne, alles in Ordnung, ich dachte nur gerade daran, wie ich dich kennen gelernt habe.“

„Beim Essen? Du kommst vielleicht auf Gedanken. Beim Essen, also ehrlich.“ Christa lacht.

„Irgendwie war ja auch Essen dabei, Bratkartoffeln waren es nicht, Kuchen, ne.“ Er grinst Christa an.

„Eigentlich hat der Heinz das eingefädelt.“ Erwin schiebt den leeren Teller etwas auf den Tisch herum. „Der hat mir erst einmal ein Ohr abgekaut. Mann ey, der kann ohne Punkt und Komma reden. Dann bist du dazwischen gegangen.“

„War nur mein Job. Neue bei Kuchen und Kaffee muss ich erst einmal begrüßen, sonst war da nix.“

„Ja, ja, schon klar. Der Job.“ Er grinst wieder.

„Der Kuchen und der Kaffee waren augenscheinlich gut genug, schließlich bist du ja dann regelmäßig gekommen, wohl nicht wegen Heinz, oder?“ Sie boxt ihn in die Seite und räumt die Teller ab.

Ne, denkt er sich, wegen Heinz nicht. Aber auch nicht wegen Christa und nicht wegen Kaffee und Kuchen. Um Tapetenwechsel zu haben. Kaffee kann ich auch zu Hause alleine trinken. In ein Café gehen, nie im Leben. Das hat er Christa irgendwann mal erzählt, auch bei Kaffee und Kuchen. Immer öfter saßen sie zusammen, mittwochnachmittags. Dann mal donnerstags zum Mittagessen beim Italiener. Schließlich hat er sie zu sich eingeladen, wegen der Terrasse und dem schönen Wetter? Ne, schon klar. Da waren keine anderen Gedanken, ehrlich. Was will so eine Frau wie Christa von mir, was will sie mit mir? Zehn Jahre jünger ist sie auch noch. Doch Witwe ist sie, also auch allein. Das würde schon passen. Wie das Leben so spielt, alles bleibt anders, oder so. Christa bekam Stress mit ihrem Vermieter, Eigenbedarf. Sie fing an Wohnungen zu suchen. Das war nicht so mal eben getan. Alleinstehende Frau, im Ruhestand, mit sicherer Rente, da würde sich schon schnell etwas Passendes finden. Pustekuchen. Zu klein, zu teuer, oder sie wurde gar nicht eingeladen zur Besichtigung. Eins kam zum anderen, und Erwin machte Christa dann den Vorschlag: Wir gründen eine Alten-WG. Du ziehst zu mir, Platz genug ist im Haus. Hat sie zu seiner Überraschung gemacht. Zwei Monate später ist sie eingezogen, ins Kinderzimmer von der Ältesten. Die fand die Idee mit der Alten-WG toll. Zuerst haben die Kinder von Erwin und Christa ein bisschen gefremdelt. „Das wird schon“, beruhigte Christa Erwin, „ist doch gleich dein Geburtstag, nur noch ein paar Wochen, dann laden wir sie ein, zu Kaffee und Kuchen, fertig ist die Laube.“ Gesagt, getan. Alle zusammen auf der Terrasse, bei Sonne und Kuchen. Passte alles prima.

„Trinkst du noch einen Espresso? Wegen dem Fischgeschmack! Wäre doch gut, oder?“

„Gute Idee, Espresso nehm ich.“

Christa gibt ihm ein Küsschen auf die Wange. „Süße Stückchen gibt es nachher im Gemeindehaus, nach unserem dem Mittagsschläfchen, oder?“

„So machen wir das.“

Zufrieden trinken die beiden Alten den Espresso, Herzklopfen inklusive.

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