Ich bin ein Kind der Schreibmaschine. Schon als Jugendlicher haben mich diese Maschinen fasziniert. Mein Vater bewahrte seine Olympia im zugehörigen schwarzen Kunststoffgehäuse unter dem Sofa auf. Sie wurde hervorgeholt, wenn er einen offiziellen Brief zu schreiben hatte. Meistens war dann auch Kohlepapier im Spiel, für den Durchschlag. Der Geruch des Farbbandes, die Umschalttaste, die das gesamte Gewicht des Buchstabenblocks anhebt, das satte Klacken, mit dem die Type auf den eingespannten Papierbogen schlägt – all das hat mich fasziniert. Auch die Freude an der Geschwindigkeit, wenn sechs Finger und zwei Daumen ihre Ziele finden, als hätten sie ein Eigenleben.
Der erste personal computer, an dem ich getippt habe, war ein gebrauchter 286er Laptop, dessen Monochrombildschirm nur lesbar war, wenn man in einem bestimmten Winkel daraufschaute. Die Texte, die ich damit geschrieben und auf Disketten gesichert habe, sind leider nicht Teil der Überlieferung, denn diese beginnt erst, als aus Laptops Notebooks und aus Nadeldruckern Tintenstrahldrucker werden. Die heute verfügbare Ausrüstung hat das Schreiben deutlich vereinfacht. Aber sie hat ihm auch ein wenig die Bodenhaftung genommen.
Die Flexibilität und gefühlte Leichtigkeit, die die Technik mit sich bringt, scheint zumindest mich zum Schlunzen verführen zu wollen. Jedes Wort, jeder Satz, ja ganze Seiten können in Sekundenschnelle ausgebessert, gelöscht und vertauscht werden. Das gefühlte Gewicht der geschriebenen Wörter hat abgenommen. Ich kenne Menschen, die genau aus diesem Grund zum Stift zurückgekehrt sind, es genießen, Korrekturen handschriftlich vorzunehmen und dadurch die Entstehungsgeschichte ihrer Texte festzuhalten. Auf mich trifft das nicht zu, ich liebe meinen Computer.
Mit der Hand schreibe ich nur, wenn ich Notizen mache. Ich verfüge über einen absurd grossen Vorrat des Stabilo Tops 505 F. Sachgerechte Lagerung vorausgesetzt, werde ich bis an mein Lebensende kein weiteres Exemplar kaufen müssen. Dieser Stift schreibt dünn genug, um am Rand von Taschenbüchern Kommentare einzufügen und liegt so gut in der Hand, dass ich sechs bis elf leserliche Sätze damit schreiben kann. Im Grunde bin ich nämlich schreibbehindert. Meine Handschrift ist ein Flickwerk aus Druck- und Schreibschrift, neben dem geschwungenen kleinen „l“ aus der Grundschule stechen kantige Eigenkreationen hervor wie abgestorbene Äste. Für viele Buchstaben benutze ich mehrere Varianten, allesamt Zeugen meiner Hilflosigkeit angesichts von Stift und Papier. Ich habe einfach viel zu spät eingesehen, dass meine Schrift für andere lesbar sein muss. Vollkommen ungerührt habe ich dutzendweise Füllfederhalter in die ewigen Schreibgründe geschickt. Bis heute kann ich mit der Hand weder besonders schnell noch besonders lange, geschweige denn besonders ausdrucksvoll schreiben. Manchmal bedauere ich das. Nämlich immer dann, wenn ich eine Handschrift zu lesen bekomme, die den Charakter ihres Urhebers erkennen zu lassen scheint. Ich habe nicht die Geduld, das Schreibenlernen nochmal nachzuholen, daher bleibt mir nichts anderes übrig, als zu sagen: Lieber nicht per Hand.
Ihr Christoph Junghölter