Literatur im Schloss: Matthias Brandt liest aus „Blackbird“

Lesungen im Deutschordensschloss in Bad Mergentheim sind in der Regel gut besucht. Meist bekommt man noch eine Karte an der Abendkasse, es kommt aber vor, dass schon mal eine Lesung ausverkauft ist. Dies war bei der Lesung zu Matthias Brand früh abzusehen, und so wurde die Lesung kurzerhand aus dem Schloss in den Kurhaussaal verlegt. Sicher haben sich dadurch noch eine Reihe Karten mehr an Frau und Mann bringen lassen. Solche Schloss-Lesungen werden in der Regel moderiert. Als Gesprächspartnerin für den Autor wurde die Literaturkritikerin Wiebke Porombka gewählt. Der erste Eindruck zur Moderatorin war: trocken und sachlich, was keinen sehr erquicklichen Abend versprach. Das war aber ein Irrtum, denn sie schaffte es, den Autor zu einem richtigen Gespräch zu bewegen und holte dann auch noch eine Überraschung sozusagen aus der Tasche. Doch davon später.

Über Matthias Brandt muss man nicht viel erzählen, zumindest was seine Schauspielkarriere anbelangt. Man kennt ihn als Fernsehkommissar und aus zahlreichen anderen Filmen. Manch einer wird ihn auch schon auf der Bühne erlebt haben. Als Autor ist er aber ein Newcomer. 2016 erschien sein erstes Buch, ein Band mit Erzählungen mit dem Titel Raumpatrouille. Die Erzählungen spielten in den sechziger und siebziger Jahren und spiegeln vor allem die Kindheit des Autors wieder.

Der Roman Blackbird ist ebenfalls in den 1970ern angesiedelt, jedoch vollkommen fiktional. Brandt sagte, dass er einen Roman schreiben wollte, in dem Handys noch keine Rolle spielen. Das wäre auch noch für die 1980er Jahre möglich gewesen, doch die 70er waren ihm einfach näher. Für die Lesung las er nicht einfach aus dem Buch vor, sondern hatte eine spezielle Fassung erstellt. Es sei sein eigener Text, sagte er, niemand könne ihn deshalb verklagen. Er las das Schlusskapitel und baute Texte aus dem Buch als eine Art Rückblende ein. Ein genialer Trick, finde ich, denn der fragmentarische Eindruck, der sich sonst bei Lesungen aus Romanen ergibt, entstand bei dieser Lesung nicht. Die Erzählung handelt von einem Jugendlichen (Morton, genannt Motte), der seinen besten Freund (Manfred, genannt Bogie) beim Sterben erlebt. Er wird darüber sprachlos. Ich kann nicht sagen, dass diese eineinhalbstündige Lesung mit Gesprächspausen mir den vollständigen Roman nahegebracht hat, doch das Hauptpersonal wurde treffend vorgestellt und einige wichtige Stationen wurden ohne Bruch erzählt.

Eine Nebensächlichkeit in diesem Buch ist der Amselfelder, ein Rotwein aus dem damaligen Jugoslawien (das Gebiet liegt heute im Kosovo), der in den 1960er- und 1970er-Jahren in Deutschland gern und viel getrunken wurde, sicher nicht zuletzt auch, weil er preiswert war. Durch den Balkankrieg brach die Produktion vollständig ein. Das, was heute unter diesem Namen noch erhältlich ist, kann mit dem damaligen Wein nicht verglichen werden. Umso verblüffter war nicht nur der Autor, sondern auch das Publikum, als die Moderatorin eine Flasche Amselfelder aus der Tasche zog. Die habe sie bei eBay ersteigert, sagte sie. Er stamme aus dem Jahr 1977 und sei laut Verkäufer ein Kellerfund. Er wisse noch nicht, ob er den trinken wolle, sagte Matthias Brandt skeptisch, aber Frau Porombka ließ nicht locker, und so öffnete er schließlich die Flasche, goss beide Gläser voll – der Wein war nicht rot, sondern braun – und beide probierten. Trinkbar, war das anschließende Urteil. Trotzdem war ich nicht unglücklich darüber, dass ich nicht probieren musste.

Matthias Brandt ist als Vorleser fremder Texte – bei Hörbüchern – schon ein kurzweiliger Rezitator. Das ist auch bei seinen eigenen Texten nicht anders – das hat er manchem Nur-Autor voraus. Dazu untermalt er das Gelesene noch mit Gesten. Unvergessen wird für mich die Szene bleiben, in dem er das Anstecken von Fürzen beschreibt.

Insgesamt ein kurzweiliger Abend, der Lust auf die Lektüre des Buches macht.

Ihr

Horst-Dieter Radke

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