„Manchmal lohnt es sich, jemandem eine Mail zu schreiben, um ihm etwas Nettes zu sagen.“

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Foto: Jörg Lingrön

Interview mit Gerald Drews

Es fragt: Christoph Junghölter

von links: Gerald Drews, Christoph Junghölter

Lieber Gerald, vielen Dank, dass du dir am Sonntagmorgen um 11 Ihr Zeit für ein Interview nimmst. Ist das eine normale Arbeitszeit für dich?

Unter der Woche beginnt mein Arbeitstag gegen halb neun. Aber ich arbeite recht gern auch am Sonntag, denn da geht kein Telefon und ich kann mich um Dinge kümmern, die unter der Woche schon mal liegen bleiben.

Wie müssen wir uns deinen Arbeitsplatz als Literaturagent vorstellen? Eher funktional eingerichtet oder eher gemütlich?

Mein Büro liegt etwa fünf Kilometer von unserer Wohnung entfernt. Es handelt sich um ein Ein-Zimmer-Apartment, das ich vor 20 Jahren als einen Teil meiner Altersvorsorge gekauft habe und das mir seit kurzem auch ganz und gar gehört. Also mir und nicht mehr der Bank. Apartment, das heißt, ich habe eine kleine Kochnische und eine Dusche. Das macht die Sache schon einmal ziemlich gemütlich. Ansonsten gibt es hier einen recht großen Schreibtisch in L-Form, da kann ich dann mein Recherchematerial wunderbar ausbreiten oder Besuch empfangen. Bis zu drei Gäste sind möglich, mehr Stühle habe ich nicht. Außer meinem eigenen Chefsessel natürlich. Zwei Wandflächen sind vollgestellt mit Schränken und Regalen, die vor allem eines enthalten: Bücher. Mein Blick geht auf einen großzügigen Innenhof. Ja, und einen Balkon habe ich auch. Und ein paar Grünpflanzen. Es ist sehr leise hier, mal abgesehen von Kirchenglocken, die auch jetzt im Moment laut dröhnen. Aber klar, es ist ja auch Sonntag.

Du bist Freiberufler. Wann hast du beschlossen, diesen Weg zu gehen?

Ich habe meine berufliche Laufbahn 1976 mit einem Volontariat bei der Augsburger Allgemeinen begonnen. Zwei Jahre später bin ich als Reporter zur Zeitschrift Weltbild gewechselt, von dort als Chefredakteur zur Jugendzeitschrift Junge Zeit, die ebenfalls im Weltbild-Verlag erschien. Mitte der 1980er Jahre stand ich vor der Entscheidung, in einen anderen Verlag zu wechseln oder mich selbstständig zu machen. Mir wurde angeboten, bei der damals ziemlich renommierten Agentur Ferenczy Autor zu werden, also den Weg in die Selbstständigkeit zu gehen. Diesen Schritt habe ich gewagt und bis heute keine Sekunde bereut. Das ist jetzt, lass mich mal überlegen, ziemlich genau 30 Jahre her.

In dieser Zeit hast du eine beeindruckend lange Reihe zum Teil äußerst erfolgreicher Titel verfasst. In welchem Alter hast du gemerkt, dass du schreiben willst? Gab es ein Schlüsselerlebnis?

Da muss ich ein bisschen ausholen. Ich war als Kind herzkrank, und während die anderen Kinder draußen herumtollten, saß ich zuhause und musste mich anderweitig beschäftigen. Ich konnte deswegen schon mit fünf Jahren lesen. Das hat mich nie mehr losgelassen. Auf dem Gymnasium habe ich bald für die Schülerzeitung gearbeitet. Mit etwa 16 habe ich für unseren örtlichen Fußballklub die wöchentlichen Spielberichte für die Lokalzeitung geschrieben. Die von der Zeitung haben mich dann eines Tages gefragt, ob ich nicht auch andere Sachen machen möchte. So kam eins zum anderen.

Wie kommt es, dass du sowohl Autor als auch Literaturagent bist?

Mit Ende 20 schrieb ich regelmäßig Porträts für die Zeitschrift Weltbild, durfte Leute wie Willy Brandt, Erhard Eppler, Reinhard Mey, Udo Jürgens und viele andere interviewen. Da war ich als kleiner Bub vom Land schon ziemlich stolz drauf. Die Agentur entstand mehr oder weniger per Zufall. Durch meine Verbindung zu Ferenczy wusste ich natürlich, dass es so etwas gibt. Als mein persönlicher Betreuer den Laden verließ, hatte ich plötzlich keinen richtigen Ansprechpartner mehr. Ich habe also den Vertrag gekündigt, weil ich inzwischen längst so viele Kontakte hatte, dass ich gut alleine klarkam. Ehe ich mich versah, lagen drei oder vier Buchaufträge auf dem Tisch. Ich räume allerdings ein, dass damals, Ende der Achtziger-/Anfang der Neunzigerjahre, so etwas wie eine Art Goldgräberstimmung herrschte. Es war viel leichter als heute, den Verlagen Themen zu verkaufen.

Wenn dich ein junges Nachwuchstalent fragen würde, wie man als Autor erfolgreich wird – was würdest du antworten?

Das ist eine sehr schwierige Frage. Ich kann dir ein paar Kriterien nennen, die ich persönlich für wichtig halte. Da ist erstens das Handwerk, das man beherrschen sollte. Davon abgesehen, ist ein sehr wichtiges Kriterium Zuverlässigkeit. Verlage brauchen Planungssicherheit. Manuskripte, die nie fertig werden, motivieren nur selten, einem Autor eine zweite Chance zu geben. Punkt drei ist die Bereitschaft, dazuzulernen. Mir ist schon klar, dass Autoren ihre Texte als ihre Babys ansehen. Aber wenn sie nicht in der Lage sind, sich Kritik zu stellen und den Rat von Leuten anzunehmen, die das Geschäft vielleicht ein kleines bisschen besser kennen, fördert auch das ihre Karriere nicht unbedingt. Klar, die richtig großen Genies setzen sich vielleicht auch gegen jeden Widerstand durch. Aber ehrlich gesagt, ich verspüre keine Lust auf solche Auseinandersetzungen. Du hast in einer Agentur nicht nur einen Autor zu betreuen. Und wenn dir einer, und sei er auch noch so genial, die komplette Zeit und Kraft raubt, kannst du dich den andern nicht ausreichend widmen.

Wenn ich Literaturagent werden will, was sollte ich mitbringen?

Ich frage mich, ob sich jemand so etwas wünscht. 😉 Ich setze voraus, dass der Interessent Interesse an Literatur hat. Ich denke mal, er müsste es studiert haben und Erfahrungen in der Verlagsbranche gesammelt haben, etwa als Lektor. Ein paar Qualifikationen für diesen Beruf: Man muss in den Verlagen die entsprechenden Ansprechpartner kennen, also Programmleiter oder Lektoren. Die wiederum müssen Vertrauen zu dir finden. Man muss ferner wissen, welche Stoffe zu welchen Verlagen passen, wie ein Konzept aussehen muss, wie Verträge gestrickt sind usw.. Zudem fällt jede Menge Verwaltungskram an. Schließlich jonglierst du auch mit den Honoraren deiner Autoren, es wäre also von Vorteil, wenn du keine Spielernatur bist, die gern mal Geld im Casino verzockt. Und du brauchst ein Netzwerk, das sich meiner Erfahrung nach über Jahre aufbaut. Nicht zu vergessen Kommunikationsfreude, Frustrationstoleranz und die Gabe, auch mit – sagen wir mal – nicht immer ganz einfachen Leuten umzugehen. Damit meine ich sowohl Autoren als auch Leute in Verlagen. Was meine Agentur betrifft, so komme ich selbst ja aus dem Ratgeber- und Sachbuchbereich. Für die Belletristik habe ich mit Conny Heindl eine ganz tolle Partnerin an der Seite. Sie hat viele Jahre Berufserfahrung in Lektoraten und besitzt all die Fähigkeiten, die ich gerade angesprochen habe.

Weder kommst du aus dem Ruhrpott, noch wohnst du dort. Wie wurdest du Anhänger von Schalke 04?

Auch wenn ich leider nie selbst eine Fußballkarriere verfolgen konnte, habe ich mich früh für Fußball interessiert. Das erste Highlight, an das ich mich erinnere, war das Finale im Europapokal der Pokalsieger 1965 zwischen 1860 München und West Ham United. Da war ich also 10 und glühender 60er-Fan. Und eben diese 60er trugen zwei Jahre später ein Freundschaftsspiel in Schwabmünchen aus, ein Städtchen ca. 50 Kilometer von München entfernt und die Kreisstadt des Dorfes, aus dem ich stamme. Ich also hin mit meinem Panini-Album, doch statt einer Unterschrift herrschte mich ein 60er-Spieler an: „Hau ab, du Arsch!“ Wohlgemerkt: Ich war damals gerade mal zwölf! Und von einer Sekunde auf die andere vereinslos. 1969 schließlich gab es das Pokalfinale zwischen Schalke und Bayern, das die Schalker knapp verloren. Ich fand das ausgesprochen ungerecht. Und weil du als Sechziger niemals Bayern-Fan werden kannst, wurde ich also mit 15 Jahren Schalker. Wie heißt es so schön: Nicht du suchst dir deinen Verein aus, sondern dein Verein sucht sich dich aus.

Du bist Mitglied der 42er. Was hat dich zum Beitritt bewogen?

Das habe ich in erster Linie Tom Liehr zu verdanken. Ich hatte seinen Roman „Radio Nights“ gelesen, der einiges mit mir zu tun hat. Ich habe sieben Jahre lang im Lokalradio moderiert. Und was ich bis dahin noch nie gemacht hatte: Ich habe einem mir völlig unbekannten Autor eine Mail geschrieben. Ohne jeden Hintergedanken, sondern nur, um ihm meinen Respekt auszudrücken. Tom hat sehr freundlich geantwortet und so kam eins zum anderen. Letztlich sind es die 42er, die viel dazu beigetragen haben, dass die Agentur mit der Belletristik ein zweites wertvolles Standbein bekam. Dafür bin ich sehr dankbar. Aber was ich damit auch sagen will: Manchmal lohnt es sich, jemandem eine Mail zu schreiben, um ihm etwas Nettes zu sagen.

Vielen Dank für das Gespräch.

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