Mein Sommerlesetipp von Dorrit Bartel

Manchmal ist ein Fünf-Kopeken-Stück alles, was von der Liebe bleibt. Und es braucht den nahenden Tod, um davon erzählen zu können. Annas Mutter stirbt und vor ihrem Tod erzählt sie ihrer Tochter von ihrer einzigen großen Liebe. Nicht, dass Anna das unbedingt wissen wollte, hat sie doch ihre eigenen Sorgen.

So lässt sich Sarah Strickers Roman „Fünf Kopeken“ zusammenfassen, den ich mit großem Genuss gelesen habe, und ich Ihnen für den Sommerurlaub empfehle. Mit 500 Seiten hat der Roman eine gute Urlaubslänge – es gibt schließlich nichts Schlimmeres als ein zu kurzes Buch im Urlaub. Nur einmal, ganz kurz, auf etwa Seite 400, ertappte ich mich dabei, dass mir die Verwicklungen, die eine so große, unmögliche Liebe braucht, etwas zu viel wurden. Aber einige Seiten später wusste ich wieder, dass sie nun einmal genau so verwickelt sind: Die Liebesgeschichten, die das ganze Leben lang dauern und nie in Erfüllung gehen. Vor allem im Fall von Annas Mutter, die ein eher schwieriges Los hatte, wie schon die ersten Zeilen des Buches deutlich machen. „Meine Mutter war sehr hässlich. Alles andere hätte mein Großvater ihr nie erlaubt.“ Das ist der Ausgangspunkt der Geschichte, in der die Mutter ihre Hässlichkeit mit Ehrgeiz kompensiert und irgendwann beinahe einen Mann heiratet, den der Großvater zugelassen hätte, wenn da nicht plötzlich Sascha aufgetaucht wäre. Es wird nie klar, warum es ihn nach Berlin verschlagen hat. Aber da ist er und erschüttert Annas Mutter so sehr, dass sie fortan ihr Leben nicht nach dem Plan ihres Vaters weiterleben kann.

Die Geschichte spielt im Berlin der 90er Jahre, als unter Westdeutschen Goldgräberstimmung herrschte, mit der sie ihre Geschäfte im wiedervereinten Deutschland und vor allem in Berlin machten. Weil die Ossis ja von nichts eine Ahnung hatten und ausgehungert waren nach den Waren, die man aus dem Westen anbrachte, wie Annas Großvater. Auch der Tonfall des Buches ist sehr Berlinerisch, mit einer Schnoddrigkeit, hinter der sich doch eine gut getarnte Herzenswärme verbirgt. Für Nichtberliner ist das zuweilen gewöhnungsbedürftig, aber dieser Roman bietet eine einzigartige Gelegenheit, hinter die Kulissen der schnoddrigen Fassade zu schauen.

Schnoddrige Grüße
Ihre Dorrit Bartel

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