Mein Text, meine Testleser und ich

Ich gestehe: Ich bin ein Testleser-Junkie. Bevor ich eine Kurzgeschichte, eine Leseprobe oder gar ein Manuskript rausschicke, brauche ich fünf Testleser – mindestens. Und wenn ich ganz ehrlich sein soll, bei Manuskripten sind es noch deutlich mehr.
Dabei gehe ich weder wahl- noch planlos vor: Ich besitze eine ziemlich genaue (mentale) Liste, welcher potenzielle Testleser für welchen Text geeignet oder auch besonders ungeeignet ist. Schreibe ich beispielsweise eine Geschichte, die später Frauen zwischen 25 und 40 Jahren als Zielgruppe hat, dann kommen als Testleser natürlich besonders meine Freundinnen in Frage, ABER eben auch mein Vater mit seinen 65. Warum? Ganz einfach: Ich möchte wissen, wie der Text auf Menschen außerhalb der Zielgruppe wirkt.
Diesen Lesern stelle ich auch ganz gezielt Fragen – meist am Kapitelende, manchmal jedoch auch zwischendrin. Fragen wie: Was ist John für ein Mensch? Warum sagt Greta nichts? oder auch Wen verdächtigst du aktuell und warum? Bei letzter Frage gilt natürlich zu bedenken, ich schreibe Krimis 😉 Je nachdem, wie „korrekt“ die Antworten ausfallen, bessere ich nach oder klopfe mir selbstzufrieden grinsend auf die Schulter.
Im Anschluss an diese – meist zwei bis drei – Auserwählten, kommt meine Mutter; ihr lese ich die Texte grundsätzlich vor. Sie kritisiert selten etwas, schält währenddessen gerne Kartoffeln und unterbricht häufig mit Fragen wie Hast du inzwischen eigentlich die Sonnenmilch fürs Baby? Trotzdem ist es für mich wichtig zu hören, wie ein Text klingt, und ich lese mir nur ungern selbst etwas vor.
Dann habe ich noch einen harten Kern von zwei oder drei Testlesern, die nicht unbedingt in die Zielgruppe gehören, an deren Meinung mir allerdings persönlich viel liegt. Sie bekommen den Text immer erst, nachdem die anderen beiden Testleserphasen durch, die ersten Mängel also schon behoben sind. Hier bitte ich dann meist nur noch um einen Gesamteindruck und wenn dieser positiv ausfällt, dann bin ich zufrieden und der Text darf auf die Reise.
Zum Abschluss noch ein kleiner Tipp: Jeder Autor braucht mindestens zwei Testleser, die ihn schlicht großartig finden, als Mensch und als Autor! Zwei Testleser, die grundsätzlich vom Verfassten hingerissen sind, ganz egal wie gut oder schlecht es ist. Und warum?
Weil Autoren eben auch Menschen sind und es nach viel berechtigter, konstruktiver Kritik  einfach schön ist, wenn einem jemand unter den Text schreibt: Großartig, Joan!

Viel Erfolg mit der Testlesersuche wünscht Ihnen
Joan Weng

 


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