„Natürlich kann man Romane auch mit der Hand schreiben“

Fleischhauer

Interview mit Christian Fleischhauer

Es fragt: Horst-Dieter Radke

Christian Fleischhauer ist promovierter Physiker, Autor und Softwareentwickler. Über seine Belletristik und Lyrik kam er 2005 zu den 42er-Autoren, wo er viele Jahre den Aufnahmeausschuss leitete, (welcher die literarische Qualität von Bewerbern beurteilt). 2008 erhielt er im Rahmen des Jokers-Lyrik-Preises den Humor-Sonderpreis. Christian Fleischhauer lebt und arbeitet in Düsseldorf.

Kannst du als erstes kurz umreißen, welches Spektrum du als Autor bedienst?

Science Fiction, Fantasy, Lyrik – na ja, eher lustige Gedichte. Außerdem natürlich Sachbücher für Computerthemen – wenn mich das Thema selbst interessiert.

Du bist derzeit in Autorenkreisen mit deinem aktuellen Buch über die Software Scrivener im Gespräch. Zum Einstieg deshalb ein paar Fragen dazu: Wie wichtig ist dir als Autor selbst die verwendete Software?

Natürlich kann man Romane auch von Hand schreiben. Für mich persönlich ist für größere Projekte eine Software sehr wichtig, die meine persönliche Arbeitsweise auf dem Computer abbildet. Da ich normalerweise erst plane, bevor ich losschreibe, kommt mir eine Software entgegen, mit der ich am Anfang kurze Beschreibungen von Kapiteln oder Szenen schreiben und das dann mit Fleisch füllen kann. Anfangs habe ich versucht, das in Word mit Makros und Formatvorlagen zu simulieren, aber das war immer schwerfällig und unpraktisch. Insofern war ich absolut begeistert, als mir Scrivener über den Weg lief, nach einigen anderen Versuchen, die mich nie hundertprozentig überzeugt haben.

Du beschreibst ja schon mit dem Hinweis auf Word, dass solch ein Werkzeug auch ablenken kann, wenn man sich zu sehr mit dem Werkzeug an sich beschäftigt. Scrivener ist ebenfalls ein sehr mächtiges Werkzeug mit vielen Funktionen und Möglichkeiten. Hält dich dieses Werkzeug nicht dadurch manchmal ein wenig vom Schreiben ab?

Die Lernkurve ist natürlich nicht ohne. Aber wenn man das Programm erst mal halbwegs beherrscht, kann man sich auf die eigentliche Arbeit konzentrieren. Nachdem ich bei Word einigermaßen sicher beherrscht habe, was ich regelmäßig brauchte, habe ich mich damit zufrieden gegeben und geschrieben. Ähnlich ist es mit Scrivener. Man muss halt irgendwann sagen: Jetzt habe ich ein solides Arbeitswissen von dem Programm, jetzt schreibe ich.

Kannst du Autorinnen und Autoren Empfehlungen geben, hinsichtlich zu verwendender Software? Also nicht nur bestimmte Produkte betreffend, sondern auch Arbeitshinweise?

Das ist natürlich immer sehr persönlich. Ein Freund von mir hasst jede Planung, der legt einfach los, schreibt richtig spannende Texte, und kommt dann manchmal auch zu einem Ende, bleibt aber oft mittendrin stecken. Eine Freundin plant ihren genialen Krimi seit einem Jahr oder länger mit Excel, kommt aber irgendwie nicht richtig in die Pötte mit dem Losschreiben. Man braucht also nicht unbedingt Scrivener, um zu viel zu planen.

Meine Arbeitsweise ist, erst einmal Ideen zu Figuren und Handlung zu »clustern« (Gabriele Rico) und dann schrittweise zu verfeinern. Wenn dann einigermaßen klar ist, was in einer Szene passiert – und wie und mit wem – kann ich die Szene relativ zügig aufschreiben.

Anfangs habe ich dieses »Brainstorming« mit Bleistift und Papier gemacht, später mit Clustering-Programmen am Rechner.

Du hast das Clustering schon angesprochen. Nutzt du noch andere Techniken, um deine Kreativität zu entfachen?

Ein gewisses Maß an Muße ist immer hilfreich. Ideen kommen meistens nicht, wenn man durchs Internet zappt. Ein längerer Spaziergang oder eine Stunde Joggen können hilfreich sein, wenn man das alleine macht.

Du hast ja angedeutet, dass das geht: Schreibst du selbst noch jenseits des Computers? Also mit Stift und Papier?

Höchstens Miniaturen. Wir haben eine Schreibgruppe, die sich um den harten Kern eines VHS-Kurses gebildet hat, da machen wir Schreibspiele wie Schreibolympiaden oder Spiele, bei denen Zettel mit bestimmten Vorgaben gezogen werden können – nur als Beispiel. Bei solchen Gelegenheiten schreibe ich immer per Hand, der Rechner lenkt mich da zu sehr ab.

Es ist aber richtig, das die Arbeit per Hand Kreativität ganz anders freisetzt, als am Bildschirm. Wenn ich einen Text mit der Hand schreibe, muss ich mit einer gewissen Geschwindigkeit Wort an Wort setzen, gezwungenermaßen fast rein sequenziell, das fühlt sich ganz anders an, als einen Text in eine Tastatur zu hacken.

Ist Überarbeitung für dich ein Thema? Und wenn machst du das grundsätzlich allein oder suchst du dazu Hilfe bei anderen?

Überarbeitung ist ein wichtiges Thema. Weniger bei Sachtexten, die »sitzen« eigentlich sofort. Aber ein belletristischer Text *muss* überarbeitet werden. Die Legende vom Genie, das immer im ersten Entwurf perfekte Texte schreibt, glaube ich nicht. Die Gefahr ist allerdings, dass man schon beim ersten Schreiben eines Texte in den »Überarbeitungsmodus« geht und dann ständig in bereits geschriebenem herumverbessert und so gar nicht erst in den Fluss kommt. Man sollte daher unbedingt darauf achten, dass man die Phasen »Entwurf«, »Niederschrift« und »Überarbeitung« trennt. Jedenfalls funktioniert das für mich persönlich am besten. Es ist natürlich hilfreich, wenn auch ein Anderer oder eine Andere mal über den Text schauen – z.B. in einer gemeinsamen Schreibgruppe.

Wie wichtig ist dir Lesen? Kannst du ein zwei Werke und/oder Schriftsteller nennen, die dich für dein eigenes Schreiben beeinflusst haben?

Lesen ist ganz wichtig. Nach meiner Überzeugung kann man nur das wirklich schreiben, was man selber gerne und viel liest. Lesen gibt ein Gefühl für Sprache und Fluss. Wer nicht liest wird sich nicht weiterentwickeln und bestenfalls Mittelmaß produzieren. Wenn ich schon mal höre: »Ich lese nicht mehr, weil ich mir meinen genialen Stil nicht durch minderwertige Einflüsse kaputtmachen lassen will!«, kann ich nur den Kopf schütteln.

Schriftsteller, die mich beeinflusst haben, gibt es viele. David Eddings, Dan Simmons, Marion Zimmer Bradley, Patricia McKillip (o.Ä ) mag ich sehr. Ach ja und Hanns Kneifel – meistens.

Was gibt es für dich außer »Schreiben« noch? Oder gibt es für dich nur Arbeit und Schreiben (also auch Arbeit)?

Fotografieren ist für mich ein wichtiges Hobby. Momentan bin ich dabei 4500 alte Dias einzuscannen, die für Jahrzehnte in ihren Schachteln verschwunden waren.

Lesen natürlich auch, obwohl das eigentlich auch zum Schreiben gehört. Naturwissenschaftliche und geschichtliche Themen.

Ich bedanke mich für deine Bereitschaft, auf verfängliche Fragen zu deinem Autorendasein zu antworten.

Gern geschehen.

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