Plansprachen: 2. Toki Pona

Angeblich kann man sich in einer fremden Sprache unterhalten, wenn man dreihundert Vokabeln beherrscht. Allerdings nur rudimentär. Je nach Sprache müssen es dann schon mindestens doppelt so viele, meistens wesentlich mehr sein, will man ein flüssiges Gespräch führen. Tausend – wird behauptet. Vokabeln pauken heißt es deshalb, will man eine fremde Sprache erlernen. Allerdings ist das auch für die Meisten die unbeliebteste Begleiterscheinung. Was wäre, wenn es eine Sprache gäbe, die nicht viele Vokabeln hat? Kann ich vergessen? Keineswegs. Toki Pona heißt die Devise. Diese erfundene Sprache kennt nur 123 Vokabeln. Das kann nicht funktionieren? Offensichtlich doch.  

Die Kanadierin Sonja Elen Kisa (heute: Sonja Lang) schuf die Sprache im Jahr 2001. Der Minimalismus von Toki Pona ist nicht nur in der Anzahl Vokabeln zu finden, sondern auch im Alphabet. Die Vokale, die grundsätzlich und ausschließlich lang ausgesprochen werden, sind vollständig vorhanden, an Konsonanten werden aber nur neun benötigt: j, k, l, m, n, p, s, t und w. Die wichtigste Rechtschreibregel besagt, dass von Eigennamen, geografischen und fremdsprachigen Begriffen abgesehen, alle Wörter klein geschrieben werden. Auch am Satzanfang. Es gibt keinen Numerus, Genus und Kasus. Konjugation und Deklination sind nicht nötig, Zeitformen entfallen, weil das Wort »sein« in Toki Pona nicht existiert.

Der Vorteil von Toki Pona liegt sicher in der kurzen Lernzeit. Ein Monat, sagt man, reicht aus um so weit zu kommen, dass man sich unterhalten kann. Der Nachteil ist aber sicher, dass komplexe Zusammenhänge nur schwer oder gar nicht mit dieser Sprache zu beschreiben sind. Aber was soll’s: In Gedichten ist oft auch in ganz wenigen Worten etwas zusammengefasst, was in Prosa ausführlicher Beschreibungen bedarf. Entsprechend schreibt Sonja Lang in ihrem 2014 erschienenen Buch »Toki Pona: The Language of Good«:

»If English is a thick novel, then Toki Pona is a haiku.« (S.11)

Ein Wort in Toki Pona hat immer mehrere Bedeutungen: mi steht für ich, wir, mir, mich, mein, meins, unser. sina bedeutet du, dein, deins, ihr, euch, euer. Und all die anderen? Dafür sagt man jan und meint jemanden, irgendwen, eine Person oder Personen, einen oder mehrere Menschen, einfach die Leute. Noch drei Vokabeln:

pona – gut, einfach, reparieren, festmachen, alles Positive

moku – essen, Essen, Mahlzeit, trinken, Getränk, einnehmen

suli – groß, hoch, lang, wichtig, vergrößern, Größe

Das zeigt, wie einfach es ist, »Du bist gut.« zu sagen:

sina pona

Nur – es kann auch bedeuten: Du bist einfach. Oder du reparierst etwas. Was es letztendlich bedeutet, lässt sich nur aus der Situation oder dem Kontext sagen. Wenn du dabei bist, ein Fahrrad zu reparieren, dann dürfte sina pona eher bedeuten, dass dein Gegenüber genau diese Tätigkeit meint.

Versuchen Sie sich mal an die Übersetzung von mi suli. Ganz richtig. Ich bin groß. Stimmt. Kann aber auch heißen: Ich bin wichtig. Und es kann auf die Vergangenheit oder Zukunft hinweisen: Ich war groß oder Ich werde groß sein sowie alle anderen Bedeutungen, die mit suli verbunden werden können. Es gibt eben keine Zeitformen, und ein Wort für sein existiert nicht.

Für bestimmte Situationen gibt es Hilfswörter. So wird in Sätzen, in denen nicht mi oder sina als Subjekt verwendet werden, das Wort li eingesetzt, um das Subjekt von Verb zu trennen: suno li suli bedeutet Die Sonne ist groß.

Manche Wörter klingen ein bisschen komisch, etwa pipi, mit dem wir den kindlichen Ausdruck für Urin verbinden. In Toki Pona bedeutet es aber Käfer, Insekt, Spinne oder Skorpion. ona li lukin e pipi zu übersetzen dürfte nach den bisherigen Informationen noch nicht möglich sein, aber es braucht nicht viel:

ona – er, sie, es, seins, seine, ihrs, sie (Plural), deren

lukin – sehen, schauen, betrachten, Sicht, Vision, sichtbar

e – Trennwort: Es leitet ein direktes Objekt ein.

Nun dürfte der Sinn des Satzes klar sein: Er (oder sie) betrachtet (oder betrachten) einen Käfer (oder eine Spinne oder was auch immer krabbelt).

Deutlich ist, man muss sich genau im Klaren darüber sein, was man aussagen will. Konzentration auf das Wesentliche ist unbedingt nötig, will man sich in Toki Pona verständigen. Möglich ist das aber durchaus, und wenn man sich auf diese Art sprachliche Bescheidenheit eingelassen hat, dann macht es auch Spaß, sich darin auszudrücken zu versuchen.

Weiter will ich in dieser Vorstellung nicht gehen. Wer mehr wissen will, findet ein komplettes – und der Sprache angemessen kurzes – Lehrwerk in deutscher Sprache im Internet.

Oder man greift zum Buch der Spracherfinderin, das mit 134 Seiten ebenfalls nicht zu umfangreich ausgefallen ist. Beschrieben ist in diesem Buch auch noch die Zeichensprache, die sie für Toki Pona erfunden hat.

Eine gute Wortschatzübersicht findet man im Wiktionary.

Eine Liste mit Toki Pona-Phrasen gibt es hier.

suno pona
Ihr Horst-Dieter Radke 

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