Platz 3 des Weihnachtsschreibwettbewerbs

Kipferl-Ko

von Stefanie Jerz

Eigentlich begann der Nachmittag sehr gemütlich. Wir packten die nötigen Zutaten aus dem Schrank. Was man halt so braucht für eine gigantische Menge Kekse, die von November bis Jahresende reichen soll. Ausreichend Zucker – in fast jedem unserer Rezepte mindestens auf Rang zwei der jeweiligen Zutatenliste – Mehl, Butter, Schmalz, Eier, Backpulver, Lebensmittelfarben. Auch Nüsse und Mandeln in allen möglichen Aggregationszuständen. Ganze Kerne, gemahlen, zu Stiften oder in Scheibchen gehobelt und als natürliches Aromaöl in Flaschen gezogen. Nur als Gas abgefüllt haben wir sie im Supermarkt nicht bekommen können.
Alles lag also bereit: Die Rezepte, die Bleche, mehrere Schüsseln, Löffel, Spatel, Ausstechförmchen, Waage, Litermaß und Mixer. An unserer Küche liebe ich am meisten die zwischen Wintergarten und eigentlicher Küche stehenden Unterschränke mit gut drei Quadratmetern Arbeitsfläche darauf. An unseren Geburtstagen zeigt sich diese große Fläche stets tauglich, wenn ich Buffets für die geladenen Gäste und unsere Großfamilie zubereiten und darauf präsentieren kann; sie taugt auch extrem gut dazu, mit drei Kleinkindern gleichzeitig darauf Plätzchen zuzubereiten. In diesem Fall für ein Geburtstagskind, das vor über zweitausend Jahren geboren worden sein soll. Es passt einfach alles drauf und von allen Seiten kommt man an die Fläche heran.
Damit wir nicht vergessen, was wir alles für die Weihnachtsbäckerei benötigen (und weil die Kinder es lieben), läuft im Hintergrund auf dem bunten Kinderkassettenspieler Rolf Zuckowskis „In der Weihnachtsbäckerei“.
„…Brauchen wir nicht Schokolade,
Zucker, Honig und Succade
und ein bisschen Zimt?…“
Das stimmt, danke Rolf, denke ich und ich krame auch diverse Weihnachtsgewürze noch aus dem Schrank. Die Kinder kennen den Text auswendig und prüfen, ob jetzt alles da ist. „Wo ist denn die Zikade?“, fragt die Kleine, während wir uns ans Teig matschen machen und wird von ihren großen Geschwistern postwendend belächelt. Zuckowskis Kinderchor läuft in Endlosschleife und nach den ersten drei Blechen mit a) Zimtsternen, b) Engelsäuglein und c) Haselnussmakronen ist mir beinahe schlecht.
„…Zwischen Mehl und Milch
macht so mancher Knilch
eine riesengroße Kleckerei…“
Etwas geschafft, gebe ich auch diesmal dem guten Rolf völlig Recht, frage mich aber gleichzeitig, wieso er den Text eigentlich schreiben konnte. Er ist schließlich nicht nur Autor dieses so erfolgreichen Textes sondern auch Musikproduzent, Komponist, Sänger und zudem ständig auf Tournee. Sogar das Bundesverdienstkreuz hat er bekommen für seine wohlwollende Arbeit rund um das Kind. Aber ob er jemals Zeit hatte, mit seinen Kindern Plätzchen zu backen? Ein Tag hat doch nur vierundzwanzig Stunden. Auch wenn mir meiner oft sehr viel länger vorkommt.
Es rächt sich umgehend, wenn man in Gedanken abschweift, während kleine Kinder mit chemischen Stoffen und schwerem Gerät hantieren. Ich werde durch einen spitzen Schrei aus meinem Exkurs gerissen. „Mama, mach die weg!“, schreit die Kleine in heller Aufregung und bombardiert einen kleinen Mehlhaufen auf der Arbeitsfläche mit ein, zwei, drei Eiern, bevor ich um die Arbeitsfläche herum zu ihr gelaufen bin und den Zehnerkarton von ihr wegholen kann. Ich übersehe dabei, dass sie noch ein Ei in der Hand hat, das kurz darauf am Kopf ihrer kichernden Schwester zerschellt, was bei ihrem Bruder einen Lachanfall auslöst, der wiederum beide Schwestern sauer werden lässt. Was bleibt ihnen anderes übrig, als ihn mit Mehlwürfen in seine Richtung zu bestrafen? Die Eier stehen ja nun im Kühlschrank.
Natürlich schimpfe ich mit ihnen. Klaube das kleine Gummitier aus dem Mehl und gebe sie meinem Sohn zurück. Mein Blick ersetzt dabei wohl jeglichen Kommentar und er verzieht sich sauer aus der Küche. Die Große futtert sich den Frust über den Ausgang des Streichs mit den gerade ausgekühlten Engelsäuglein von der Seele und die Kleinste liegt wieder beruhigt mit mehlverschmiertem Gesicht auf der Arbeitsfläche und singt „…Sind die Finger rein…Du Schwein.“
Die Kipferl auf den Blechen vier, fünf und sechs sind im Ofen verkohlt.
Ich mache mich ans Aufräumen und stelle mir vor, der gute Rolf käme als mein Ehemann zur Tür herein. Ich glaube, ich würde ihn in diesem Moment mit dem Backblech erschlagen.

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